Wieder ein großer Wurf

Wirtschaftspublizist Hans-Jürgen Jakobs berichtet über Monopole

Matthias Wiemers

Der in München lebende Wirtschaftsjournalist Hans-Jürgen Jakobs war in den letzten viereinhalb Jahren als Herausgeber eines Morning Briefs für das Handelsblatt aktiv, nachdem der Erfinder dieses Formats, Gabor Steingart (heute Pioneer morning briefing), das Handelsblatt sehr plötzlich verlassen hatte. Beider Newsletter waren immer sehr lesenswert, und es ist bedauerlich, dass die Feder von Jakobs insoweit ruht. Nachdem er bereits mehrere Bücher verfasst hatte, überraschte Jakobs 2016 mit dem Titel „Wem gehört die Welt: Die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus“.

Ähnlich ausgreifend ist der jetzt von ihm vorgelegte Titel über die gegenwärtigen Monopolbildungen, die natürlich vor allem von den Giganten des Online-Kapitalismus hervorgebracht werden.
Jakobs geht im ersten Kapitel gewissermaßen gleich medias in res, indem er sich dem Automarkt des Jahres 2035 zuwendet. Nicht nur steht hier im Zentrum die Branche, an der Deutschland immer noch wie wahnsinnig festhält, sondern der Text ist auch teilweise fiktional. Dabei sind fiktionale Teile in Kursivschrift gefasst, und der Leser muss gelegentlich während der Lektüre nachsehen, was denn nun der fiktionale Teil war, denn Jakobs baut hier sehr viele Fakten ein, die die Entwicklung der letzten Zeit wiedergeben, die aber nicht immer so im Zusammenhang gestanden haben und die dem Leser auch oftmals nicht bekannt sein dürften. Jedenfalls könnte im Jahre 2035 der Automarkt von China dominiert sein, vor allem im Hinblick auf die Elektromobilität – so haben sich schon heute die deutschen Premium-Hersteller vom chinesischen Markt abhängig gemacht.
Im zweiten Kapitel liefert uns der Autor etwas Theorie und Geschichte zum Thema Monopolismus.
Im dritten Kapitel geht es dann zentral um Macht der Digitalkonzerne: „Die digitalen Monopole – von der Marktwirtschaft zur Machtwirtschaft“.
Pflichtlektüre ist vor allem auch Kapitel 4, das das Thema Rohstoffe behandelt. Hier sollten wir in Deutschland besonders aufmerksam sein, weil wir alle unsere Rohstoffe bereits „stillgelegt“ haben. Jakobs nennt sie „die neuen, alten Waffen beim Weltkrieg um Wohlstand“. Den Weltkrieg um Wohlstand setzt er dabei noch in Anführungszeichen, zeigt aber in diesem Kapitel explizit die aktuellen Verbindungen zum Russland Putins und zur Ukraine, aber auch zu China auf. Eine von Jakobs so genannte Kernfrage steht auf der letzten Seite des Kapitels: „Sollen die Bodenschätze zum Machtbereich Putins oder zur Verfügungsgewalt der Europäischen Union gehören?“ Gemeint ist die Ukraine, und man gewinnt den Eindruck, dass schon unter diesem Gesichtspunkt vieles für den EU-Beitritt dieses großen Landes spricht – bei allen Problemen, die die EU mit diesem „Groß-Bulgarien“ haben dürfte.
Kapitel 5 verfolgt „Die Spur des Geldes“ und startet mit Larry Fink und seinem Konglomerat „Black Rock“. Neben den Problemen des Oligopols der bekannten Rating-Agenturen und anderen Themen wird in diesem Kapitel auch die Frage aufgeworfen: „Greenwashing – das neue Geschäftsmodell?“ Dies ist eine berechtigte Frage, weil über diesen Hebel durch die Etablierten wiederum neue Macht ausgeübt werden kann. Jakobs zitiert hier einen langjährigen Investmentbanker, der die hohe Konzentration der Branche der Vermögensverwalter beschreibt, die qua Abstimmungsmacht und Kapitalkonzentration die Regeln und Standards setze.
Kapitel 6 führt uns auf die Spur der Gütermärkte. Es ist vielfältig und zeigt auf, wie langweilig und zum Teil sogar lebensgefährlich – Jakobs nennt hier die hinsichtlich ihrer Grundstoffe hochmonopolisierte Pharmabranche (S. 226 ff.) Monopole hier sein können.
Bei den Medien werden im siebten Kapitel „Macht und Gegenmacht“ betrachtet. In Anknüpfung an ein bekanntes Wort des frühen FAZ-Herausgebers aus den 1960er Jahren, wonach die Meinungsfreiheit nur 200 reichen Leuten zustünde, reduziert Jakobs diese Zahl auf gegenwärtig 20 – und weist dabei auch auf die Gepflogenheit etwa der Herren der Digitalkonzerne hin, sich Traditionsmedien zu kaufen.
Kapitel 9 lautet: „Politische Macht gegen digitale Supermacht: ein ungleicher Kampf?“ Hier geht es vor allem um die Probleme, die Kartellbehörden haben, das Wettbewerbsrecht durchzusetzen – auch bei der Anwendung des noch neuen § 19a GWB.
Referiert wird hier auch das unbeholfene persönlich verfasste industriepolitische Papier des damaligen Wirtschaftsministers Peter Altmaier, Kommentar Jakobs: „Der CDU-Politiker hatte das Richtige gedacht und das Falsche getan.“ (S. 340)

Wer noch weniger gut wegkommt in diesem Buch, ist der Bundeswirtschaftsminister a. D. Sigmar Gabriel, dessen „Ministererlaubnis“ in Sachen Tengelmann-Filialen sehr kritisch bewertet wird (S. 211-213).
Kapitel 9 stellt einen gewissen Höhepunkt der Zustandsbeschreibung des Autors da. Es ist überschrieben mit „Gruppenbild mit Dame – und zwölf Thesen“. Das Gruppenbild ist auch zu Beginn des Kapitels abgebildet, und die (einzige) Dame ist Angela Merkel, die das Erdgas-Projekts Nordstream im Rahmen eines Termins mit Energiemanagern und Politikern am 8. November 2011 in Lubmin an der Ostsee feiert. Die nachfolgenden zwölf Thesen haben es in sich. Die erste lautet: „Monopole sind bequem, deshalb entstehen sie.“, und These 12: „Das Monopol lebt durch seine Milliardäre.“. In einem naturgemäß eher knappen Schlusskapitel wirft Jakobs die Frage auf: Neustart des Kapitalismus oder Wohlstandsverlust“. Doch lesen Sie selbst! Weihnachten steht ja fast vor der Tür.

Hans-Jürgen Jakobs
Das Monopol im 21. Jahrhundert
Deutsche Verlags-Anstalt 2022
432 Seiten; 36,00 Euro
ISBN-10: 3421048983

Veröffentlicht von on Nov 28th, 2022 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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