Geheime Aufzeichnungen eines Volljuristen
Liebes Tagebuch,
misst man den berühmten ökologischen Fußabdruck, dann fällt auf, dass Frauen hier deutlich weniger sündigen als Männer. Laut einer aktuellen Studie produzieren die Herren der Schöpfung durchschnittlich 5,2 Tonnen CO2 pro Jahr, die Damen aber nur 3,9 Tonnen. Oder so ähnlich. Das liegt offenbar hauptsächlich am unterschiedlichen Mobilitätsverhalten. Männer sind einfach weitaus öfter als Frauen mit dem Auto und im Flugzeug unterwegs. Selbst wenn man den Effekt herausrechnet, dass Männer häufiger beruflich höhrere Poditionen bekleiden als Frauen und deshalb mehr berufsbedingt unterwegs sein müssen, soll der männliche Fußabdruck trotzdem noch 17 Prozent über dem weiblichen liegen.
Bei mir und meiner Frau ist es allerdings genau umgekehrt. Obwohl wir uns beide im Alltag immer sehr umweltbewusst und klimaschonend verhalten, versaut sich meine Frau regelmäßig dadurch ihren Fußabdruck, dass sie fast jedes Jahr einmal in ihre Heimat nach Fernost fliegt. Wobei das natürlich nicht wirklich als Umweltsauerei zählt, weil sie zwar – juristisch gesprochen – den objektiven und subjektiven Tatbestand dafür verwirklicht, sich aber auf einen adäquaten Rechtfertigungsgrund berufen kann, nämlich den, dass sie ihre alten und kranken Eltern dort besucht. Und außerdem kompensiere ich ja ein Stück weit ihre desaströse Co2-Bilanz, indem ich in aller Regel selbst nicht mitfliege.
Allerdings kann ich mich auch nicht so ganz meiner blütenweißen Klimaschutz-Weste rühmen, da ich ja das permanent umwelt- und klimaschädigende Verhalten meiner Frau selbst nicht ganz unwesentlich mit herbeigeführt habe, indem ich mich vor inzwischen 30 jahren überhaupt auf solch eine transkontinentale Partnerschaft mit ihr eingelassen habe. Man könnte hier eventuell sogar so weit gehen, an die Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft zu denken, also an den Täter hinter der Täterin, der diese gewissermaßen als sein Werkzeug benutzt (kraft überlegenen Wissens oder Wollens) bzw. dies zumindest billigend in Kauf nimmt. Ein verständiger objektiver Dritter an meiner Stelle hätte unter Anspannung aller seiner geistigen Kräfte zweifellos erkennen müssen, dass eine solche Liebesverbindung bei unghindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer fortgesetzten Umweltsauerei ersten Ranges führen wird. Aber immerhin kann ich schuldmindernd meinen jugendlichen Leichtsinn ins Feld führen und womöglich sogar auch noch einen Rechtfertigungsgrund: Denn im Alternativszenario ohne meine Frau wäre ich mutmaßlich heute noch alleinstehend und damit weitaus krankheitsanfälliger und nicht zuletzt auch psychisch labiler, als ich es heute tatsächlich bin, so dass ich dann in der Konsequenz meiner Krankenkasse und letztlich der Allgemeinheit in hohem Maße auf der Tasche liegen würde, was mutmaßlich zu ähnlich gravierenden Schädigungen geführt hätte wie die tatsächlich durch mich veranlssten fortgesetzten Klimasauereien meiner Frau…
Dein Johannes