Es muss auch mal gut sein

Phantom Ghost auf ihrem zwiespältigen vierten Album

Thomas Claerscheiben-tc-phantom-ghost-cover

Irgendwann in den Neunzigern kam das auf: Eine Reihe mehr oder weniger etablierter Bands wollte mal was ganz Anderes machen und dabei auch noch ihr gesamtes Umfeld samt Fangemeinde verstören, wenn nicht gar schockieren. Dabei muss das Verstörendste, der schlimmste auslösbare Schock für jede Band, die etwas auf sich hält, immer der Flirt mit dem Seichten, der Oberfläche sein. Was hier aber noch Ironie und was schon blinde Adaption des hohlen Pathos ist, das hält man bewusst in der Schwebe. Solche Platten hießen dann „Hauptsache Musik“ oder „Old Nobody“.
Begreiflich ist es schon, wenn eine erfolgreiche Band mit großer Fangemeinde so etwas tut. Denn die Verzückung der Anhängerschar über jedes noch so ausgefallene Werk ihrer Lieblinge braucht manchmal auch ungewöhnliche Nahrung. Die Protagonisten zeigen damit schließlich auch, dass sie sich nicht auf die ewig gleiche Rolle festlegen lassen wollen.
Aber: Man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Es muss dann auch irgendwann mal gut sein. Und wenn ein Nebenprojekt, um dass sich niemand kümmern würde, gebe es das überaus erfolgreiche Hauptprojekt nicht, wenn also das elektronische Freakprojekt „Phantom Ghost“ des Tocotronic-Sängers Dirk von Lowtzow und des Keyboarders Thies Mynther, von dem ohne den Erfolg von „Tocotronic“ keiner Notiz genommen hätte, nun auf seinem vierten Album plötzlich auf Nur-Stimme-und-Klavier-mit-Operetten-und-Musicalsongs macht, dann ist die Grenze des Erträglichen, sagen wir, zumindest über weite Strecken, überschritten.
Es ist, das ist einzuräumen, nicht alles schlecht auf der CD. Das stimmliche Zusammenwirken Dirk von Lowtzows mit der Berliner Künstlerin Michaela Meise in einigen Stücken kann schon eine gewisse Attraktivität entfalten. Und das eine oder andere Lied lässt sich auch durchaus hören. Doch verlieren sich so viele andere eben leider in Albernheiten und Belanglosigkeiten. Missraten ist die im Ansatz ambitionierte Literaturvertonung „The Process (after Brion Gysin)“. Hier haben die heute leider fast vergessenen „Kastrierten Philosophen“ in den Neunzigern weit Besseres geleistet. Und auch das Stück „Meshes of the Afternoon“, wohl vom gleichnamigen surrealistischen Film inspiriert, kann nur enttäuschen.
„Thrown Out Of Drama School“ ist daher wohl nur etwas für alle jene Hardcore-Tocotronic-Fans, die um keinen Preis der Welt einen Ton ihres Dirk von Lowtzow versäumen möchten. Das Urteil lautet: ausreichend (6 Punkte).

Phantom Ghost
Thrown Out Of Drama School
Dial (rough trade) 2009
Ca. € 17,-
ASIN: B00260YMXS

Veröffentlicht von on März 30th, 2009 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

1 Antwort for “Es muss auch mal gut sein”

  1. Johannis Kraut sagt:

    Die spielen am 20.5. in Berlin im Berghain, dem zuletzt ultra gehypten „besten Club der Welt“. Aber als normal Sterblicher kommt man da nicht rein.

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