Im Angst- und Panikstrudel

Justament-Klassiker: Alexas Tagebuch, März 2003

Dienstag, der 28. Januar 2003

Liebes Tagebuch,

heute war wieder Einführungskurs für die Strafstation. Die Referendare sahen aus wie „Häschen-vor-der-Schlange“, den angstvollen Blick auf den AG-Leiter gerichtet, der von den schrecklichen Praktiken des Justiz-Prüfungsamtes erzählte.
Alle fühlen sich sehr klein mit Hut. In der Pause wird die Angst weiter geschürt: „Wann machst du Rep?“ „Wie viel Klausuren schreibst du?“ „Welcher Repetitor ist der beste?“
Ich will das NICHT MEHR. Ich will nicht wieder in diesen ANGST- und PANIK-Strudel hineingerissen werden. Ich will mich einfach nur auf das Examen vorbereiten und nicht vorbereiten auf das Vorbereiten.
Am Abend habe ich die Angebote im Internet sondiert. Der günstigste Klausuren-Kurs kostet 33,- Euro. Ich habe gar keine Wahl. Zu meinem Einstellungstermin wurden die Bezüge gekürzt. Die neueste Schönfelder-Nachlieferung konnte ich auch noch nicht abholen. Wenn ich bei meinem Staatsanwalt den Gesetzestext falsch zitiere, werde ich sicher in die Asservatenkammer gesperrt. Dort kann ich es mir dann zwischen russischen Kalaschnikows und kleinen Damen-Revolvern gemütlich machen.
Ok, Berlin steht schlecht da. Das bekommen natürlich auch die untersten in der Nahrungskette zu spüren. Und das sind in der Justiz nun mal wir, die Referendare.
Ich fühle mich wie ein ausgequetschtes Würstchen. Das kann doch nicht sein! Ich habe doch schon zwei Jahre gearbeitet. Ich habe doch schon mit Anwälten von Clifford Chance und Freshfields konferiert. Ich stand doch schon auf der guten Seite.
Es geht das Gerücht, dass die „Durchfaller“ im Keller des Moabiter Strafgerichts Akten sortieren müssen. Mit meiner Hausstaubmilben-Allergie würde das für mich den sicheren Tod bedeuten. Aber so geht man eben mit Loosern um.

Gute Nacht, liebes Tagebuch, und wünsch mir Glück!

P.S. In der AG habe ich meine Tischnachbarin beobachtet. Sie hat eine von diesen neuen Schönfelder-Wippen. Damit man sich beim Lesen nicht den Hals verrenkt. Im Buchhandel gibt’s jetzt auch den praktischen Jute-Beutel in Schönfelder-Passform. Muss man sich den jetzt eigentlich holen oder wäre das schon der Beginn vom Ende?

Deine Alexa

Veröffentlicht von on Nov 25th, 2013 und gespeichert unter ALEXA, LIEBES TAGEBUCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

Hinterlassen Sie einen Kommentar!