Justament-Klassiker: Alexas Tagebuch, April 2003
Liebes Tagebuch,
heute Mittag habe ich am Bahnhof Friedrichstraße im Asia-Snack gegessen und wurde unfreiwillig Zeugin eines Gesprächs zwischen zwei Damen, die ganz offensichtlich im Bundestag arbeiten, also in dem Haus, aus dem die Gesetze kommen, mit denen wir uns jeden Tag voller Begeisterung beschäftigen.
Ihr Gespräch bestand aber nur aus Lamentieren, über Abgeordnete, über Referenten, über schlechte Bezahlung, über schlechte Mitarbeiter… Das einzige, was eine der beiden zu einem müden Lächeln bewegen konnte, war, dass sie in diesem Jahr noch zwei Monate Urlaub habe, inklusive Überstundenabarbeitung versteht sich.
Und da, liebes Tagebuch, fühlte ich mich auf einmal ertappt. Ich habe nämlich auch schon alle meine Urlaubstage, die mir das Kammergericht in diesem Jahr gewährt, minutiös verplant. Es gibt nichts Schöneres, als während der AG oder in der Bibliothek mit den Gedanken abzuschweifen und daran zu denken, dass ich im August zwei Wochen an die Ostsee fahre – so ich denn von der mageren Beihilfe bis dahin genug angespart habe oder andere gutmeinende Spender finde.
Dann fiel mir noch etwas ein: Auch wir Referendare meckern eigentlich ganz schön viel, über besagte niedrige Beihilfe, über fiese Ausbilder, über schlechte AG-Leiter, über das nahende Examen, über teure Kommentare und überhaupt alles, was uns irgendwann einmal zu Volljuristen macht.
Das ist eigentlich ziemlich doof von uns. Warum sagen wir nicht mal, ich darf das Referendariat machen. Ich darf heute wieder fünf Anklagen vertreten. Ich darf morgen in die Bibliothek gehen und zwischen einem Wald von Büchern über die Haftprüfung nach 112 und 117 StPO nachdenken, oder über den Begriff „gemeinschaftlich“ in 25 II und 224 I 2 Nr. 2, und dabei ab und zu mal zu dem feschen Jungjuristen mit dem schnellen Notebook herüberblinzeln. Was kann es Schöneres geben?
Das wäre mal ein richtig toller Weg der Selbstmotivation. Vor langer Zeit hat ein Anwalt zu mir gesagt: „Die Ideen liegen auf der Straße, Sie müssen sich nur trauen.“ Da ist doch mal einer, ein richtiger Motivator. A propos, in einem Buch über dieses Thema las ich, man solle sich von Pessimisten, Miesepetern und Schlechtrednern fern halten. Die wären die absoluten Motivationskiller. Das merke ich mir – für mein nächstes Mittagessen und für meine Referendarskollegen.
Deine Alexa