Jung und nett

Justament-Klassiker: Alexas Tagebuch, Juni 2003

Liebes Tagebuch,

gestern war ich seit langer Zeit mal wieder im Freibad und hatte es mir gerade auf meinem Handtuch gemütlich gemacht. Auf einmal schlug eine kleine Rasselbande von acht- bis zehnjährigen Jungs neben mir auf. Erst spielten sie Fußball im Sandkasten und einem armen blässlichen Kind, das dort eifrig schaufelte, flog dauernd der Sand ins Gesicht. Ich wollte schon eingreifen, als ein Streit zwischen zweien entbrannte. Die anderen scharrten sich um sie und riefen laut „Baby-Kampf, Baby-Kampf!“. Zuerst dachte ich: Ach, lass die Kinder machen. Das gehört dazu. Als sie sich mir jedoch bis auf ca. 80 cm näherten und beiden schon die Tränen in die Augen stiegen von den vielen Tritten, die sie sich gegenseitig verpassten, fühlte ich mich doch berufen, etwas zu tun. Ich packte also den kleineren am Arm und in der Hoffnung, erhört zu werden, sagte ich laut: „Nun hört schon auf Euch zu prügeln! Was soll denn das?“ Und was passierte? Ein kleiner postierte sich vor mir und sprach: „Lassen Sie ihn los. Er kann Sie anzeigen!“.
Was war das? Ich, die Jung-Juristin, wurde von so einem Jüngelchen aufgeklärt, wenn nicht sogar zurecht gewiesen? In meiner Rage fiel mir nichts Besseres ein und ich rief: „So ein Quatsch! Ich bin Juristin!“
Er sagte dann nichts mehr. Ob es daran lag, dass er tatsächlich eingeschüchtert war? Das glaube ich nicht. Wahrscheinlich wunderte er sich ziemlich über mich. Ich überlegte dann noch, ob es irgendeinen schlauen Satz gab, den ich schnell hätte hinterher schicken können, sozusagen um meine Kompetenz nachzuweisen. Ich schrie: „Ihr seid nicht befugt Euch hier zu prügeln!“. Ich glaube, damit habe ich mich dann komplett lächerlich gemacht. Ich habe schließlich mein Handtuch genommen und mich woanders hingesetzt.
Ach, manchmal zweifle ich wirklich daran, ob ich jemals zu einer guten Juristin taugen werde. Aber vielleicht gibt es ja noch einen anderen Weg, zu Geld zu kommen. Kürzlich entdeckte ich bei der Berliner Morgenpost online diese Anzeige:

– Rechtsanwalt (39 J, ledig) mit eigenen sehr gutgehenden RA-Kanzleien in HH und Berlin su jg. nette Kollegin (o. RA) f. berufliches, vielleicht auch privates Zusammenwirken. festanstellung o. teilzeit mögl. (Gehalt) bis 5000,- Euro; auch Anfänger!

(Anzeige aus … vom 27.4.03)

Jung und nett? Trifft ungefähr auf mich zu. Privates Zusammenwirken? Für 5000 € im Monat würde ich mir das mindestens überlegen. Ich glaub ich bewerbe mich mal pro forma. Drück mir die Daumen!

Deine Alexa

P.S. „auch Anfänger!“ Auf welchen Bereich sich das wohl bezieht? Ich bin gespannt!

Veröffentlicht von on Feb 17th, 2014 und gespeichert unter ALEXA, LIEBES TAGEBUCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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