Der Sohn des Obersekretärs

Deutsche Juristenbiographien, Teil 4: Konrad Adenauer (1876-1967)

Matthias Wiemers

Dr. iur Konrad Adenauer rechnet zu einer Gruppe typischer Aufsteiger in den Zeiten des zweiten deutschen Kaiserreichs, während seine Karriere in der Weimarer Republik nicht mehr als so außergewöhnlich erscheint, die spätere Bundeskanzlerschaft freilich schon aufgrund seines hohen Alters aus dem Rahmen fällt.

Am 5. Januar 1876 wird in Köln der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer geboren. Sein Vater Johann Konrad, 1833 in einfachsten Verhältnissen in Bonn geboren und früh Waise, hatte einen Aufstieg über eine Stellung als Arbeiter in der Landwirtschaft und einer Ziegelei, den preußischen Militärdienst und eine anschließende Aufnahme in den mittleren Dienst der preußischen Justizverwaltung genommen. Er wurde Justizsekretär und zuletzt Justizobersekretär am Rheinischen Oberlandesgericht in Köln. Konrad und seine beiden älteren Brüder, nicht aber die Schwester, konnten das Gymnasium besuchen und studieren, was nur auf äußerste Sparsamkeit und Fleiß in der kleinbürgerlichen und streng katholischen Familie zurückgeführt werden kann.
Nach drei Jahren Elementarschule kommt Konrad 1885 in die Eingangsklasse des berühmten Kölner Apostelgymnasiums – staatlich und katholisch – und macht im März 1894 Abitur. Trotz anfänglicher Finanzierungsschwierigkeiten nimmt mit Konrad nun auch noch der dritte Sohn ein Studium auf. Mit Hilfe eines kleinen Stipendiums einer Kölner Bürgerstiftung beginnt er noch im Sommersemester ein Jurastudium in Freiburg und tritt dem katholischen Studentenverein Brisgovia bei. Es folgen zwei Semester in München, bevor Adenauer im Sommer 1895 für die letzten drei Semester seines Studiums an die seinerzeit als „Paukuniversität“ bekannte Hochschule in Bonn wechselt. Ist Konrad ein unauffälliger Schüler und Student, so erreicht er beim Referendarexamen 1897 die Note „gut“.
Es folgt die vierjährige Referendarzeit in Köln, die mit dem Assessorexamen im Oktober 1901 in Berlin endet (Note: „ausreichend“).
Daran schließt sich eine zweijährige Tätigkeit als (im ersten Jahr unbezahlter) Gerichtsassessor bei der Staatsanwaltschaft Köln an. Im Jahr 1902 lässt sich Adenauer vom Justizdienst beurlauben und tritt in eine Kölner Rechtsanwaltskanzlei ein. Der Kanzleiinhaber, Justizrat und Rechtsanwalt am OLG Köln Kausen, ist zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der Zentrumsfraktion in der Stadtverordnetenversammlung. 1904 heiratet Konrad Adenauer eine Tochter des höheren Kölner Bürgertums und kehrt ein Jahr später zurück in die Justiz, von der er nur beurlaubt gewesen ist. Nach wenigen Monaten Tätigkeit als Vertreter eines Richters am Landgericht erfolgt im März 1906 die Wahl zum Beigeordneten der Stadt Köln, nur drei Jahre später die Wahl zum Ersten Beigeordneten – in beiden Fällen ermöglicht durch günstige parteipolitische und familiäre Verhältnisse. Stets bleibt Adenauer das jüngste Mitglied des Beigeordnetenkollegiums – erst recht bei seiner Wahl zum jüngsten Oberbürgermeister in Preußen.
Im Jahre 1917, der dreifache Familienvater ist seit einem Jahr Witwer, wird Adenauer zum Oberbürgermeister gewählt und ist als solcher später jahrelang Präsident des Preußischen Staatsrats mit Dienstwohnung in Berlin.
Grundlage für die Wahl zum Obermeister ist die Berufung des liberalen Obermeisters Max Wallraf, eines angeheirateten Onkels, als Staatssekretär in die Reichsregierung. 1919 erfolgt eine erneute Heirat, aus der fünf weitere Kinder hervorgehen.
Als Schlüssel für den Aufstieg Adenauers muss auch seine frühere Zugehörigkeit zur Zentrumspartei angesehen werden, die – noch vor der NSDAP – als erste „Volkspartei“ betrachtet werden kann. Über das verbindende Element des politischen Katholizismus wird es möglich, als aussichtsreicher junger Akademiker durch Heirat in höhere Gesellschaftsschichten aufzusteigen.
Als Oberbürgermeister hat Adenauer die schwierige Zeit nach dem ersten Weltkrieg zu bewältigen. Er ist in Pläne um die Separierung des Rheinlands von Preußen und Deutschland verwickelt, hat die Besetzung des Rheinlandes durch alliierte Truppen zu bewältigen, gestaltet die Ausdehnung der Stadt neu, u. a. indem der frühere Festungsgürtel in einen Grüngürtel umgewandelt wird, lässt aus der vormaligen Handelshochschule eine neue Universität hervorgehen und ist in der Weimarer Republik mehrfach für die Zentrumspartei als Reichskanzler im Gespräch. 1929 gelingt ihm unter schwierigen Bedingungen eine knappe Wiederwahl, 1933 folgt die Absetzung durch die Nationalsozialisten. 1937 endet ein Rechtsstreit über Pensions- und Entschädigungsansprüche mit einem Vergleich, der es Adenauer ermöglicht, sich in Rhöndorf bei Bonn ein neues Haus zu bauen
Nach Einnahme der Stadt Köln durch amerikanische Truppen im März 1945 wird Adenauer – nach einigem Zögern – von diesen als Oberbürgermeister wieder eingesetzt. Nachdem Köln Teil der britischen Besatzungszone geworden ist, wird Adenauer von der britischen Besatzungsmacht im Oktober wieder abgesetzt.
Es folgen der Beitritt zur neuen Partei CDU, der Vorsitz der CDU in der britischen Zone, 1946 die Wahl in den neuen Nordrhein-Westfälischen Landtag und dort zum Fraktionsvorsitzenden, 1948 die Wahl zum Präsidenten des Parlamentarischen Rats, der in Bonn über das Grundgesetz berät. 1949 wird Adenauer Spitzenkandidat der CDU zur Bundestagswahl und dann Bundeskanzler und zugleich zeitweise auch Außenminister (1951 bis 1955).
1959, Theodor Heuß steht am Ende seiner zweiten Amtszeit als Bundespräsident, bringt sich Adenauer selbst als möglicher Nachfolger ins Gespräch, zieht sein diesbezügliches Angebot aber bald wieder zurück
Stichworte zur Kanzlerschaft Adenauers sind die Westbindung der Bundesrepublik, die Wiederbewaffnung, die Europäische Integration und – im letzten Jahr als Bundeskanzler – der Abschluss des Freundschaftsvertrages mit Frankreich, der den Schlusspunkt an eine in Adenauers politischem Lebensweg festzumachende Linie setzt, der auch nach dem Zweiten Weltkrieg kurze Zeit über die Gründung eines eigenständigen Rheinstaates – in Abstimmung mit Frankreich – nachgedacht hat.

Im Oktober 1963 gibt Konrad Adenauer die Kanzlerschaft an seinen ungeliebten Nachfolger Ludwig Erhard ab. Bundesvorsitzender der CDU bleibt er von 1950 bis 1966. Am 19. April 1967 stirbt der Gründungskanzler und CDU-Ehrenvorsitzende in seinem Haus in Rhöndorf, das bis heute als Museum original eingerichtet ist. Auf dem Rhöndorfer Waldfriedhof findet er sechs Tage später seine letzte Ruhe.

Quellen:

Henning Köhler, Adenauer. Eine politische Biographie (1994)
Paul Weymar, Konrad Adenauer. Die autorisierte Biographie (1955)

Veröffentlicht von on Feb 15th, 2016 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT HISTORISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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