Erdowie, Erdowo, Erdogan… Herzlichen Glückwunsch, Extra 3!
Thomas Claer
Seit Jahrzehnten hat sich niemand mehr über deutsche Satire aufgeregt. Und nun das: In Ankara bestellt die türkische Regierung den deutschen Botschafter ein und beschwert sich über ein Lied der NDR-Satire-Sendung Extra 3, das den türkischen Präsidenten wegen seines problematischen Umgangs mit der Pressefreiheit attackiert.
Letztmalig geschah Vergleichbares im März 1987, als die Regierung Irans sich über die Verunglimpfung des Ayatollah Chomeini beklagte, der in der Fernsehsendung Rudis Tagesshow scheinbar mit seinen Händen in Damenunterwäsche wühlte. Der Iran wies daraufhin zwei deutsche Diplomaten aus und schloss vorübergehend seine Generalkonsulate in Hamburg und Frankfurt sowie das Goethe-Institut in Teheran. Als Grund gab die Agentur IRNA an, Ajatollah Sejed Ruhollah Khomeini sowie „die iranische Revolution und die Muslime der Welt“ seien beleidigt worden. Das Religionsministerium erklärte, die Sendung sei ein Ausdruck des Hasses auf den Islam und die Islamische Republik Iran. Rudi Carrell, der anonyme Morddrohungen erhalten hatte und unter Polizeischutz stand, musste sich öffentlich „beim iranischen Volk“ entschuldigen.
Ebenfalls in den Achtzigerjahren hatte sich die bayrische Staatsregierung mehrfach über das Fernseh-Satiremagazin Scheibenwischer wegen seines angeblich „bayernfeindlichen Programms“ echauffiert. Am 22. Mai 1986 blendete sich der Bayrische Rundfunk während der Scheibenwischer-Sendezeit vom laufenden ARD-Programm aus, da der BR-Programmdirektor kein Gehör mit seiner Forderung nach ARD-weiter Absetzung der Folge fand.
Solche Sternstunden der Wirkung von Satire sind hierzulande selten geworden, doch nun dürfen wir wieder eine erleben! Was jedoch ihren Effekt noch viel umfassender macht als jemals zuvor, sind die heutigen technisch-medialen Möglichkeiten. Schon mehr als fünf Millionen Male wurde der Erdogan-Spot bislang auf YouTube angeklickt. Die Redaktion von Extra 3 hat inzwischen sogar für türkische und englische Untertitel gesorgt. Besonders freuen darf man sich darüber, dass der Satire-Song auch bei unseren Deutsch-Türken auf Interesse stoßen wird, die bei früheren Wahlen stets mit besonders großer Mehrheit für Erdogan gestimmt haben. Bleibt nur zu hoffen, dass sich auch Wladimir Putin mal die Extra 3-Songs über sich zu Gemüte führt und auf ähnliche Weise die Werbetrommel für diese rühren wird, vor allem bei den Russlanddeutschen. Und auch Jaroslaw Kaczynski, Viktor Orban und Kim Jong Un sind dazu herzlich eingeladen!
Abschließend noch ein Tipp für die PKK-Kämpfer: Vielleicht habt ihr es ja noch nicht gemerkt, aber Präsident Erdogan freut sich vermutlich riesig über eure Bombenanschläge, weil er sich vor allem ihretwegen weiter an der Macht halten kann. Solltet ihr ihn aber wirklich ärgern wollen, dann müsstet ihr schon die Waffen aus der Hand legen und ihm argumentativ Contra geben. Oder, noch besser, ihn so richtig nach Strich und Faden verarschen, den lupenreinen Demokraten vom Bosporus, die Sonne der Menschheit. Ach nein, das war ja der andere…