Der umfassendste einbändige Kommentar des Grundgesetzes

Der Sachs in 7. Auflage

Michael Stern

Es gibt viele Kommentare zum Grundgesetz. Die Platzhirsche unter diesen Kommentaren sind nicht selten die mehrbändigen Werke, die verfassungsrechtliche Fragestellungen bis ins letzte Detail beleuchten. Der vorliegende Band versucht einen Mittelweg einzuschlagen. Zwar handelt es sich hierbei um ein einbändiges Werk und doch können es die Ausführungen in ihrer Dichte und Zielgerichtetheit mit den Passagen aus mehrbändigen Werken locker aufnehmen.

Studenten, die etwas über die Funktionen von Grundrechten erfahren möchten, sollten unbedingt zu diesem Kommentar greifen. Gerade die Funktionen von Grundrechten werden von Studenten oftmals gemieden. Wie viele Studenten lernen nur stur das Prüfungsschema (beispielsweise wie Schutzbereich / Eingriff / Rechtfertigung) herunter, ohne sich vertiefte Kenntnisse anzueignen? Die subjektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte sollte Studenten noch am wenigsten Schwierigkeiten bereiten. Danach sind Freiheitsrechte zunächst einmal Abwehrrechte (status negativus). Wenn es allerdings um Ansprüche geht, die aus den Grundrechten abgeleitet werden können, ist vieles umstritten. Ein möglicher Anspruch auf Schutz oder Leistungsansprüche sind Studenten kaum bekannt. Das verwundert nicht weiter, da der Anspruch auf Schutz aus der objektiven Schutzpflicht abgeleitet werden kann, die zu der objektiv-rechtlichen Funktion der Grundrechte gehört. Eine wichtige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Anspruch auf Schutz ist der Schleyer-Fall, der aus menschlicher Sicht tragisch ist, aus juristischer Sicht jedoch sehr interessante Passagen zur subjektiv-rechtlichen Funktion der Grundrechte enthält. Auch die streitige Fallgruppe von Leistungsansprüchen sollte Studenten bekannt sein und die darauf aufbauende Unterscheidung zwischen derivativen und originären Leistungsansprüchen. Führt letztere Unterscheidung doch zu gänzlich anderen Prüfungen. Wenn es um die objektiv-rechtliche Funktion von Grundrechten geht, sollten Stichworte wie Einrichtungsgarantien, mittelbare Drittwirkung von Grundrechten im Privatrecht und grundrechtliche Schutzpflichten bekannt sein. Auch hier kann der interessierte Leser letzte Lücken schließen.

Aber nicht nur in grundrechtlicher, auch in staatsorganisationsrechtlicher Hinsicht kann der Kommentar nur als Gewinn bezeichnet werden. Bei den Gesetzgebungskompetenzen weiß der Kommentar auf ganzer Linie zu überzeugen. Die historische Auslegung hat bei der Auslegung der Artikel zu den Gesetzgebungskompetenzen besondere Bedeutung. Für die Normen der Gesetzgebungszuständigkeit, die ihren Gesetzgebungsgegenstand normativ beschreiben (zum Beispiel Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG Strafrecht), gilt dies im Besonderen. Im Kommentar sind die Ausführungen diesbezüglich exzellent und aufschlussreich. Historisch geformte Kompetenzmaterien sind in ihrer Geschichte und Entwicklung nicht immer einfach darzustellen. Und doch behält der Leser die Übersicht in den Ausführungen und kann neuere Tendenzen leicht einordnen und nachvollziehen. Ohnehin ist die Auslegung der Artikel zu den Gesetzgebungskompetenzen nicht einfach. Doch sollte sie nach Lektüre der entsprechenden Abschnitte problemlos möglich sein. Die ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes gelten nur unter engen Voraussetzungen. Generell sollte vor allem von der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Sie stellt ein Übergreifen in eine andere, dem Bund nicht zugewiesene Gesetzgebungszuständigkeit dar. Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, werden benannt und die wichtigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes besprochen.

Bei der Lektüre des Kommentars ist der Leser immer wieder erstaunt, dass das Werk trotz seiner Dichte und Fülle nur einbändig ist. Der vorhandene Platz wurde meisterhaft ausgenutzt, so dass ein einbändiger Kommentar von höchster Qualität entstanden ist. Von der Autorenschaft her gesehen, ist der Kommentar breit aufgestellt und wird hoffentlich noch viele neue Auflagen erleben.

Sachs
Grundgesetz: GG
7. Auflage 2014. 2721 S.
189,00 €
C.H.BECK
ISBN 978-3-406-66886-9

Veröffentlicht von on Feb 27th, 2017 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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