Krachender Kontrapunkt

PJ Harvey hat mit John Parish eine furiose Platte aufgenommen

Thomas Claer

scheiben-tc-pj-harvey-41xlblcdbvl_ss400_Wow! Sie ist wieder die ganz die Alte! Zum verstörend gespenstisch-genialen Vorgänger „White Chalk“ (Justament berichtete in Heft 1-2008) setzt PJ Harvey mit „A Woman a Man Walked by“ nun einen krachenden Kontrapunkt. Noch mehr als zu früheren Alben hat diesmal ihr alter Freund und Weggefährte John Parish beigetragen, u.a. die komplette Musik geschrieben, weshalb er auch verdientermaßen gemeinsam mit Polly Jean als Urheber der CD firmieren darf. Parish kann als PJs Entdecker gelten, holte er doch schon vor zwanzig Jahren die damals blutjunge Polly in seine Band „Automatic Dlamini“, von wo aus sie ihre Solo-Karriere startete. Ein Höhepunkt jener frühen Jahre war das gemeinsame Album der beiden, „Dance Hall at Louse Point“ von 1996, herausragend hier wiederum der Song „City of No Sun“ (http://www.youtube.com/watch?v=5i2kQWoU4pc&feature=related) Hieran knüpfen die neuen Songs an: PJ, inzwischen 40, kreischt und röhrt, gurgelt und ächzt bei den schnellen, lauten Songs. Und sie säuselt und winselt, schmeichelt und piepst bei den langsamen und leisen. John Parish, inzwischen 50, der auch die meisten Instrumente eigenhändig spielt, sorgt für den schrägen, schrillen und chaotischen, doch immer wieder überraschend melodiösen Rahmen zur Inszenierung von Polly Jeans überragender Stimme.
Schon der Opener „Black Hearted Love“ packt einen mit Macht, und erst recht tun dies die raffinierten Banjoklänge von „Sixteen, Fifteen, Fourteen“. Sirenenhaft – sowohl im antik-homerischen als auch im neuzeitlich-polizeilichen Sinne – ist Polly auf „Leaving California“ zu vernehmen. Und die zur Grundmelodie so seltsam entgegengesetzt verlaufenden Klavierläufe auf „The Chair“ … Und die feinen, zarten Klänge von „April“ und das ganz besonders tolle „The Souldier“… Es gibt praktisch keine Ausfälle – jeder Song auf dieser Platte ist eine Granate. Nicht, dass PJ Harveys eigene Kompositionen nichts taugen würden, aber das, was John Parish ihr diesmal auf den Leib komponiert hat, ist noch eine glückliche Steigerung. Hier hat sich einer, so scheint es, jahrelang viel Kreativität für seine Lieblingssängerin aufgespart. Wir genießen das Ergebnis. Das Urteil lautet: gut (13 Punkte).

PJ Harvey & John Parish
A Woman A Man Walked By
Universal Island Records 2009
Ca. € 17,-
ASIN: B001U0HBHO

PS: Zu den Alltime-Favoriten der Justament-Musikredaktion zählt übrigens folgender Konzertmitschnitt der beiden – hier ausnahmsweise gesanglich vereinten – süßen Sirenen Björk und PJ:

http://www.youtube.com/watch?v=2AX2bcWtg1Q

Veröffentlicht von on Jan 11th, 2010 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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