Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier hat ihrer Geburtsstadt mit „Dresden 1919“ ein literarisches Denkmal gesetzt
Benedikt Vallendar
Von jeher sieht sich Sachsen in einer Sonderrolle, wie Bayern und die seit 70 Jahren dort regierende CSU. Und ähnlich wie München war die sächsische Landeshauptstadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts Schauplatz historischer Ereignisse, die die Koordinaten dessen bildeten, was bis heute die gesellschaftspolitischen Geschicke der Bundesrepublik bestimmt.
Davon und von vielem anderen berichtet Freya Klier in ihrem neuesten Buch „Dresden 1919. Die Geburt einer neuen Epoche“, das zugleich als Hommage an die Stadt an der Elbe, ihre Menschen und deren kulturellen Reichtum gedeutet werden kann.
In sachlich-unverblümten Worten, mit Zitaten und Passagen aus zahlreichen Originaldokumenten gespickt, schildert Klier, gebürtige Dresdnerin, Regisseurin und Mutter der bekannten Fotografin Nadja Klier, wie sich die Stadt an der Elbe am Ausgang des ersten Weltkrieges aus der Konkursmasse des deutschen Kaiserreiches befreite und trotz vielerlei Hürden ihre Stellung als deutsche und europäische Metropole der Moderne wiedererlangte.
Klier, in den achtziger Jahren als DDR-Oppositionelle auch im Westen bekannt geworden, beschreibt die ersten Jahre Dresdens als Teil der neu gegründeten „Weimarer Republik“, soziale Verwerfungen und politischen Neubeginn. Die Autorin taucht ein in das Agieren gemäßigter Kräfte, militärischer Strippenzieher und radikaler Utopisten, die die Stadt nach dem verlorenen Krieg auf harte Proben stellten und der Bevölkerung einen Vorgeschmack auf das gaben, was 1933 mit der Machtübernahme Hitlers begann und im Inferno des alliierten Luftangriffs am 13. und 14. Februar 1945 ein tragisches Ende nahm.
Das Buch erzählt aus der Geschichte einer weltbekannten Stadt, ohne sich im Kleinklein einer klassischen Lokalgeschichte zu verfangen. Wer es gelesen hat, möchte Dresden entweder alsbald besuchen oder wird dort künftig mit anderen Blicken, Gedanken und vielleicht auch Gefühlen über die frisch sanierten Straßen wandeln.
Freya Klier, „Dresden, 1919. Die Geburt einer neuen Epoche“, Herder Verlag, Freiburg im Br., 2018