Die Welt von Douglas Murray und Thilo Sarrazin
Michael Stern
Der „Der Selbstmord Europas“ und „Feindliche Übernahme“ haben zwar beide die gleiche Thematik, aber die Herangehensweise und die Aufbereitung könnten nicht unterschiedlicher sein. Das mag zunächst an den beiden grundverschiedenen Autorentypen liegen. Auf der einen Seite steht da Douglas Murray. Er ist 39 Jahre alt und sein Weg aus dem bürgerlich-gebildeten Elternhaus hat ihn über die Eliteschule Eton zur Universität von Oxford geführt. Er ist britischer Publizist und Autor und in Großbritannien nicht erst seit dem Zeitpunkt bekannt, an dem der Songwriter Morrissey ihn seinen Fans empfohlen hat. Auf der anderen Seite steht der in Deutschland bestens bekannte Thilo Sarrazin. Seit der Debatte um „Deutschland schafft sich ab“ kennt hierzulande jeder seine Ansichten und Thesen zum Thema Immigration und Islam. Thilo Sarrazin ist studierter Volkswirt, in leitender Position bei der Deutschen Bahn AG und Finanzsenator im Berliner Senat gewesen.
Dieser Unterschied in den beiden Persönlichkeiten hat zwei vollkommen unterschiedliche Bücher entstehen lassen. Sarrazins „Feindliche Übernahme“ ist ein nüchtern geschriebenes Buch. Im Stil ist es gleich mit „Deutschland schafft sich ab“. Murray hingegen pflegt einen völlig anderen Schreibstil. Er liebt die große Prosa, was sich in seinem ganzen Werk zeigt.
Bei allen Unterschieden gibt es im Ergebnis hingegen nur eine Gemeinsamkeit: Europa begehe durch die Massenimmigration – nicht erst seit der Flüchtlingskrise – Selbstmord. Der christliche bzw. christlich geprägte Kontinent habe sich mit der Anzahl an außereuropäischen Einwanderern schlicht und ergreifend übernommen. Murray und Sarrazin beschwören einen Existenzkampf, der auf lange Sicht unausweichlich stattfinden werde. In diesem Kampf stünden Europäer, die von Selbstzweifeln, Identitätslosigkeit und einer gewissen Lebensmüdigkeit befallen seien, gegenüber Fremden, die von ihrer Ursprungskultur überzeugt seien und sie voller Stolz vertreten würden. An manchen Stellen ist man an Michel Houellebecqs Unterwerfung erinnert, der diesem Kampf eine literarische Mise en Scène gewidmet hat.
Man mag diesen Thesen zustimmen oder sie als paranoide Gedankenkonstrukte ablehnen. Eins aber sollte man auf jeden Fall tun: zuhören. Im Rahmen einer fundierten Diskussion sollte keine Seite mundtot gemacht werden und pauschal diffamiert werden. Je sachlicher und emotionsloser die Diskussion stattfindet, umso einfacher wird es möglich sein, dass beide Seiten ihre Ansichten darstellen und sich näherkommen. Darum geht es einer Demokratie: um Meinungsaustausch und Debattenkultur. Ein Thema totzuschweigen oder die Debatte generell zu verweigern, wird zu keiner Lösung führen. Man hat es zuletzt in der politisch festgefahrenen Lage der Vereinigten Staaten gesehen. Ein aufeinander Zugehen und Zuhören sind immer noch die besten Garanten für Frieden und Stabilität.
Der Selbstmord Europas: Immigration, Identität, Islam
Douglas Murray
FinanzBuch Verlag
Hardcover, 384 Seiten, 2018
ISBN-13: 978-3959721059
Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht
Thilo Sarrazin
FinanzBuch Verlag
Hardcover, 450 Seiten, 2018
ISBN-13: 978-3959721622