Recht cineastisch, Teil 36: „Nur eine Frau“ von Sherry Hormann
Thomas Claer
„In meinem Land herrscht Gewissens- und Fickfreiheit!“ (nach anderer Quelle: “In meinem Staat herrscht Gedanken- und Fickfreiheit!“), soll Friedrich der Große (1712-1786) einmal geäußert haben. Aber auch dies (in mäßigem Deutsch): „Alle Religionen Seindt gleich und guht wan nuhr die leüte so sie profsiren Erliche leüte seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wollten das Land Pöpliren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen.“ Zweieinhalb Jahrhunderte später zeigt sich nun, dass es mitunter gar nicht so einfach ist, diese im Grunde sehr löbliche Toleranz- und Willkommenskultur unter einen Hut zu bringen. Denn die Probleme beginnen spätestens dann, wenn man sich ausgesprochene Intoleranzkulturen ins Land holt, die gerade auch in ihren Gotteshäusern Stimmung gegen die liberale Mehrheitsgesellschaft machen und diese verachten. Ob es einem gefällt oder nicht: Zu Deutschland gehören mittlerweile auch Familienstrukturen mit archaisch geprägten Ehrvorstellungen, die ihren Angehörigen (und nicht nur ihnen) das Leben zur Hölle machen – und das auch noch mitten in unseren weltoffenen Großstädten, in denen doch jeder nach seiner Facon glücklich werden sollte. Schuld daran ist gewiss nicht „der Islam“ und sind schon gar nicht „die Muslime“, denn diese und jener sind ihrerseits sehr vielfältig und verdienen es nicht, über einen Kamm geschoren zu werden. Dennoch kann man es nur als völlig falsch verstandene Toleranz ansehen, wenn unsere Rechtsordnung es hinnimmt, dass Frauen in bestimmten Milieus als Menschen zweiter Klasse behandelt und ihnen elementare Freiheiten vorenthalten werden. (Und dass ein Teil der muslimischen Frauen sich auch noch freiwillig solchen rückständigen Moral- und Bekleidungsvorschriften unterwirft, macht alles nur noch schlimmer.)
Der Ehrenmord an der türkisch-kurdischstämmigen Berlinerin Hatun Sürüci, der 2005 deutschlandweit für Entsetzen gesorgt hatte, ist nun mitsamt seiner Vorgeschichte und seinen Folgen auf eindrucksvolle Weise von Sherry Hormann verfilmt worden. Dieser Film ist zugleich ein Aufschrei der Empörung über die – wie zu befürchten ist – hierzulande noch immer zahlreichen in ähnlicher Weise bestehenden familiären Unterdrückungs- und Überwachungsstrukturen. Und vor allem setzt er jenen tapferen Frauen (und manchmal auch Männern) ein Denkmal, die sich dagegen zur Wehr setzen.
Nur eine Frau
Deutschland 2019
97 Minuten, FSK: 12
Regie: Sherry Hormann
Drehbuch: Florian Oeller
Produktion: Sandra Maischberger
Darsteller: Almila Bagriacik (Hatun Aynur Sürüci), Aram Arami (Tarik Sürüci), Jacob Matschenz (Tim) u.v.a.