Eine Comic-Biographie über „Onkel Dagobert. Sein Leben, seine Milliarden“
Thomas Claer
Ein 10-Jähriger Abkömmling eines verarmten schottischen Adelsgeschlechts verdient sich im Schweiße seines Angesichts seinen ersten Zehner als Schuhputzer in Glasgow anno 1877. So beginnt die Comic-Biographie der reichsten Ente aller Zeiten, erstmals 2003 auf Deutsch in zwölf Kapiteln erschienen und nun um nicht weniger als acht eingeschobene Zusatzkapitel erweitert, die das Werk zum Teil erheblich bereichern. Mit viel Liebe zum Detail hat Don Rosa, Schüler des bekanntesten Disneyzeichners und Dagobert-Schöpfers Carl Barks (1901-2000), den Stoff seines Meisters fortgewebt und aus den versprengten Rückblenden in etlichen Donald Duck-Geschichten den Lebenslauf des kauzigen alten Enterichs rekonstruiert und phantasievoll ergänzt.
Onkel Dagobert, der Gründer von Entenhausen, der es am Ende auf ein Vermögen von fünf Fantastilliarden und neun Trillionen Talern sowie sechzehn Kreuzern bringen wird, hat also, so erfahren wir, klein, ganz klein angefangen. Was er aber von Anfang an schon mitbrachte, war sein unbedingter Fleiß und Ehrgeiz. Härter werden als alle anderen und auf ehrliche Weise sein Geld verdienen, das wurde ihm zur Lebensmaxime. Sein Weg war steinig und erst nach unzähligen Versuchen, die ihn in die unterschiedlichsten Ecken der Welt verschlugen, von Erfolg gekrönt. Im Alter von 35 Jahren hatte er es dann geschafft: Der Fund und die anschließende Ausbeutung einer Goldmine in Klondike im Norden Kanadas im Jahre 1902 brachte ihm seine erste Million, die sprichwörtlich immer am schwersten verdiente. Mit diesem Startkapital versehen mutierte er zum genialen Investor, erwarb zunächst die örtliche Bank von Dawson, später Beteiligungen an allerhand Unternehmen verschiedenster Branchen (Methode Buffett), kaufte beim großen Börsenkrach 1929 an der Wallstreet werthaltige Aktien zu Spottpreisen, wurde Milliardär und schließlich – noch vor dem Maharadscha von Zasterabad – zum reichsten Mann der Welt.
Sehr realistisch werden die vielfältigen Hindernisse auf Dagoberts Weg zum Erfolg gezeichnet, genretypisch unrealistisch hingegen, wie er diese allesamt überwindet, nämlich vor allem dank seiner unbändigen Willenskraft, die ihn ein ums andere Mal über sich hinauswachsen lässt. Dabei erscheint Dagobert als Muster des amerikanischen Selfmademans. Nie war er sich für irgendeine Arbeit zu schade, und doch hat er im Leben immer nur das gemacht, was ihm Freude bereitete. „Das Geheimnis wahren Glücks“, so lautete eine seiner Weisheiten, „ist, seine Arbeit zu genießen … und niemand genießt seine Arbeit so sehr wie ich!“ Fast alles unternahm er auf eigene Faust, getreu dem Schillerschen Motto „Der Starke ist am Mächtigsten allein.“ Das machte ihn bereits in der Goldgräberstadt Dawson allseits unbeliebt, weil er die Erträge seiner Grabungen stets zur Bank brachte, statt sie, wie es alle anderen taten, im Saloon zu verjubeln. Sparsamkeit ist eine Tugend, aber Geiz ist ein Laster. Der Sparsame gönnt nur sich selber (noch) nichts, weil er noch Größeres vorhat, der Geizige aber gönnt auch den anderen nichts und spart auf ihre Kosten. Die Übergänge sind fließend und Dagobert war beides, ließ regelmäßig seine Verwandten für einen Hungerlohn (Donald bekam dreißig Kreuzer die Stunde) für ihn schuften.
Immerhin kam – anders als für die Glücksritter unserer Tage – für den grundsoliden Dagobert bei seinen Unternehmungen nur eine Eigenkapitalquote von 100 Prozent infrage. Lediglich ein einziges, aber entscheidendes Mal, er war „abgebrannt“ auf dem Weg zu „seiner“ Goldmine und die Zeit drängte, musste er zum „schändlichsten aller Mittel“ greifen, zum Kredit. Das brachte ihm eine lebenslange Feindschaft mit dem gaunerhaften Geldverleiher Shandy Shofel ein, einer fabelhaft diabolischen Figur, die, nebenbei bemerkt, eine verblüffende physiognomische Ähnlichkeit mit einem meiner früheren Mitschüler aufweist, der es inzwischen ganz real zum Millionär gebracht haben soll.
Ein rechter Geizhals beschränkt sich natürlich auch nur auf eine einzige Dame seines Herzens (alles andere wäre ja Verschwendung), und diese ist für Dagobert die schöne Saloon-Betreiberin Nelly, genannt der „Stern des Nordens“, die ihm anfangs seine geschäftsschädigende Abstinenz in ihrem Hause sehr verübelte. Um ein Haar wäre er ihr ganz nahe gekommen, er hielt schon alle Trümpfe in der Hand, verdarb aber alles, indem er ihr für die mehrwöchige harte Arbeit in seiner Goldmine einen Lohn von nur 50 Cent pro Tag auszahlen wollte. Anrührend ist dann das zarte Wiedersehen der jeweils ergrauten Nelly und Dagobert Jahrzehnte später im fünften Ergänzungskapitel.
Im Jahr 1947, im Alter von 80 Jahren, ist Dagobert eigentlich ein mürrischer alter Mann, aber die unerwartete Begegnung mit seinem Neffen Donald und vor allem mit seinen Großneffen Tick, Trick und Track weckt noch einmal alle seine Lebensgeister. Nicht zuletzt findet er in ihnen dankbare Zuhörer für seine alten abenteuerlichen Geschichten. Inzwischen bereitet ihm das Stöbern in seiner verstaubten Kiste mit alten Erinnerungsstücken deutlich mehr Spaß als die Vermögensverwaltung. Ihm wird klar: Der Weg war das Ziel. Reich geboren zu sein ist vergleichsweise öde, wenn man sich seinen Reichtum auch in einem abenteuerlichen Leben selbst zusammenschaffen und –raffen kann.
Don Rosa
Onkel Dagobert. Sein Leben, seine Milliarden
Ehapa Comic Collection / Egmont 2009
496 Seiten, EUR 29,95
ISBN-10: 3770432452