Sozialrecht aus dem Ernst Reinhardt Verlag

Ein aktueller Überblick

Matthias Wiemers

Wir Juristen kennen für die von uns benutzten Hilfsmittel nur wenige Verlage, und nur wenige wissen, wie diese wenigen Verlage innerlich auch noch zusammenhängen, wie manch ein Verlagsname eigentlich nur noch eine Marke ist.
Wer sich auf einzelne Rechtsgebiete spezialisieren will, sollte sich allerdings nicht mit den großen juristischen Verlagen „aufhalten“, sondern auch mal schauen, was es sonst noch so gibt, praxisbezogen.
Ein echter Geheimtipp für das Sozialrecht scheint mir der kleine Ernst Reinhardt Verlag aus München zu sein. Hier sind in jüngerer Zeit drei Bände neu aufgelegt worden.
Die Anwältin und Lehrbeauftrage Sabahat Gürbüz hat ihr Lehrbuch Familien- und Kindschaftsrecht für die Soziale Arbeit neu aufgelegt.
Leider wirkt sich die Institution „Familie“ in unserer Gesellschaft gegenwärtig kaum noch komplexitätsreduzierend aus. Die ehemalige Keimzelle der Gesellschaft wirkt nicht mehr als Ruhepol, sondern als Quelle mannigfacher Rechtsprobleme. Wenn wir nur daran denken, dass allein die Vormundschaft im Vierten Buch des BGB in etwa 120 Paragraphen geregelt ist, dann muss es als große Herausforderung anzusehen sein, die Komplexität familienrechtlicher Fragestellungen im Hinblick auf die Erfordernisse der Sozialen Arbeit so zu reduzieren, dass man damit arbeiten kann.
Der handliche Band beginnt interessanterweise mit einer Abgrenzung zwischen Öffentlichem und Privatrecht. Das kann man machen, allerdings würde ich die vier bekannten Theorien nicht bringen, sondern sogleich auf die h. M. gehen.
Auch bei der Zuordnung des Familienrechts wäre es wohl besser gewesen, hier zunächst eine Zuordnung zum BGB vorzunehmen, auch wenn damit noch längst nicht das gesamte Familienrecht abgedeckt wird. Sehr gut verständlich geht es allerdings dann weiter, indem das relativ neue FamFG und die Rolle der Familiengerichte dargestellt werden. Das materielle Recht wird dann nachgeschoben und mit einer schönen Übersicht ergänzt.
Das zweite Kapitel ist mit „Paarbeziehungen“ überschrieben. Dies ermöglicht es der Autorin, zunächst das Verlöbnis und die herkömmliche Ehe, und sodann auch die gleichgeschlechtliche Ehe dazustellen. Sehr schön ist auch die pyramidenförmige Darstellung der „Pflichten in einer Partnerschaft“( S. 31). „Trennung und Scheidung“ (Kap. 3) sowie die „Aufhebung einer Ehe“ (Kap. 4) werden in angemessenem Umfang behandelt.
Sodann behandelt die Autorin zwei so bezeichnete „Sonderthemen“. Sonderthema 1 (Kap. 5) ist die Lebenspartnerschaft. Dieses Kapitel nutzt Gürbüz, um den Umgang mit Homosexualität in Deutschland seit der Weimarer Republik dazustellen, was sie mit der Beispielhaftigkeit für den gesellschaftlichen Wandel rechtfertigt (S. 49).
Das zweite Sonderthema folgt sogleich; es ist Scheidung und Trennung von Ehen mit internationalem Bezug nach der ROM III Verordnung (Kap. 6). Die Darstellung erfolgt zu recht mit einem Schwerpunkt auf dem türkischen Scheidungsrecht.
Es folgen wenig überraschende Themen: „Unterhaltsrecht“ (Kap. 7), „Scheidungsfolgen“ (8), „Sorgerecht“ (9). Im zehnten Kapitel wird der Tod eines Elternteils oder Entziehung des Sorgerechts gesondert behandelt.
Nach der Behandlung des „Umgangs“ (Kap. 11), dem Auskunftsanspruch über die persönlichen Verhältnisse des Kindes (12) und dem sehr umfangreichen und auch praktisch wichtigen „Kindschaftsrecht“ (13) erfolgt die Darstellung der „Grundzüge des Gewaltschutzgesetzes“ (14). Im Schlusskapitel bringt die Autorin im Zusammenhang „Fälle zu den Kapitel und Musterlösungen“ (15). Es ist Geschmackssache, ob man Fallbeispiele in den Kapitel selbst bringt oder sie an das Ende zieht. Die sieben praxisnahen Fälle sind jedenfalls gut gewählt. Der Band schließt mit einem Glossar über wichtige Begriffe sowie einem Literatur- und einem Sachverzeichnis.

Ebenfalls aus diesem Jahr stammen die 6. Auflage des „Grundkurs Kinder- und Jugendhilferecht für die Soziale Arbeit“ von Reinhardt J. Wabnitz sowie erstmals der „Grundkurs Arbeitsrecht für die Soziale Arbeit“ von Jörg Reinhardt und Daniel Klose.
Dies gibt zunächst Anlass, etwas über die ausgezeichnete Reihe der Grundkurse des Reinhardt Verlags auszusagen. Sie haben allesamt Postkartenformat und jeweils ca. 200 Seiten Umfang, wobei die Einzelpreise kaum wesentlich über 20 Euro hinausgehen.
Diese Reihe, deren Bände regelmäßig Neuauflagen erscheinen, bildet ein geradezu ideales Format für das Selbststudium der Rechtsfragen, die für ein Fach auch wirklich relevant sind.
Wabnitz, der ohnehin schon als der Altmeister dieses Buchformats gelten kann, versteht es in seinem Band zunächst, vom Allgemeinen zum Besonderen zu gelangen, indem er in den beiden Anfangskapiteln „Grundsätze und Strukturprinzipien des Kinder- und Jugendhilferechts“. Während im ersten Kapitel die historische Entwicklung, die Einbindung in das Sozialgesetzbuch und das Zusammenwirken der Akteure dargestellt wird, gibt das zweite Kapitel einen Überblick über die wichtigsten Vorschriften des SGB VIII. In den Folgekapiteln werden dann die einzelnen Bereiche des SGB VIII vertieft. Das Werk zeichnet sich zudem durch eine ganze Reihe sehr geeigneter Übersichten aus, die in den Text eingefügt sind. Jedes einzelne Kapitel schließt mit einigen wenigen Literaturangaben und einem Fall, der jeweils aus verschiedenen Fragen, gelegentlich auch mit Variationen, besteht und der dann im Anhang des Buches hintereinander gelöst wird. Dabei nehmen die Fälle nur einfach auf den jeweiligen Text des Kapitels Bezug, sondern liefern auch weitergehende Erkenntnisse. Es sind eben doch in Frageform gekleidete Fälle und nicht einfach Verständnisfragen am Ende jeden Kapitels. Am Schluss des Bandes gibt es nochmal ein ausführliches Literaturverzeichnis und ein Sachverzeichnis. Dieser Band ist uneingeschränkt zu empfehlen.
Spannender war die Frage, was die beiden Autoren Reinhardt und Klose in ihren Grundkurs Arbeitsrecht hineinbringen würden – gibt es doch gerade zum Arbeitsrecht eine unübersichtliche Zahl gerade auch von Spezialdarstellungen.
Dieser Band ist in sieben Kapitel unterteilt und unterscheidet sich von dem anderen dadurch, dass es keine allgemeinen Übersichten gibt, dafür aber zahlreiche praktische Beispiele, mit denen die Aussagen im Text veranschaulicht werden. An Fälle finden wir in den Text eingestreut insgesamt acht an der Zahl; allerdings muss sich der Leser die Lösungen auf der Homepage des Reinhardt Verlages suchen. Dies ist sicherlich im Sinne der Kommunikation des Verlages mit seinen Kunden sinnvoll, relativiert aber ein wenig den besonderen Vorteil der Grundkurs-Reihe: dass man sie wirklich überall mit hinnehmen kann, etwa auch in den Urlaub und den ÖPNV, um praktisch zu jeder freien Stunde etwas lernen zu können.
Ansonsten ist der Band inhaltlich unspektakulär: Nach einer „Einführung in das Arbeitsrecht“ (Kapitel 1) geht es über den Arbeitsvertrag (2), die „Pflichten aus dem Arbeitsvertrag“ (3), die „Kündigung des Arbeitsvertrages“ (4) bis hin zum kollektiven Arbeitsrecht unter besonderer Hervorhebung des Arbeitskampfes (5). Erst dann folgt ein Kapitel über „Sonderregelungen für Beschäftigtengruppen in der Sozialen Arbeit“ (6), das relativ knapp gefasst ist, aber auch das kirchliche Arbeitsrecht noch mit einschließt. Der Band schließt mit „Verfahren vor den Arbeitsgerichten“ (7).
Als Fazit lässt sich feststellen, dass es dem Band gelingt, die für die Soziale Arbeit wichtigsten Themen abzuhandeln, einschließlich etwa des aktuellen Datenschutzrechts. Auch hier kann eine Empfehlung ausgesprochen werden, so dass jedenfalls für Studierende der Sozialen Arbeit und angrenzender Studiengänge kein weiterer Band zum Arbeitsrecht beschafft werden muss.

– Sabahat Gürbüz, Familien- und Kindschaftsrecht für die Soziale Arbeit, 2. Aufl., München 2020, 212 S., 29,90 Euro (ISBN 978382525)
– Reinhard J. Wabnitz, Grundkurs Kinder- und Jugendhilferecht für die Soziale Arbeit, 6. Aufl., 19,90 (ISBN 9783825253844)
– Jörg Reinhardt/ Daniel Klose, Grundkurs Arbeitsrecht für die Soziale Arbeit, München 2020, 220 S. 22,- (ISBN 9783825253530)

Veröffentlicht von on Jul 6th, 2020 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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