Sozialrecht in der Rechtsordnung

Drei weitere Titel aus dem Münchner Ernst Reinhardt Verlag

Matthias Wiemers

Nachfolgend seien drei weitere Werke aus dem auf Bücher zum Sozialwesen spezialisierten Münchner Ernst Reinhardt Verlag vorgestellt, die thematisch sozusagen vom Allgemeinen zum Besonderen reichen:

Beginnen wir mit einer Sensation, die vielleicht auch ein Geheimtipp für das allgemeine juristische Studium werden könnte, falls ein Jurastudent verschiedene praktisch sehr relevante juristische Teildisziplinen mit einem Sammelband abdecken möchte. Mit dem Band „Grundzüge des Rechts“, der sich per Untertitel sozusagen offiziell an Studierende sozialer Berufe wendet, wird in insgesamt 25 Kapitel in hoher Verdichtung das für diese Berufe relevante Rechtswissen vermittelt.
Im ersten Abschnitt „Allgemeine Grundlagen“ (I) gibt es zunächst gewissermaßen einen Überblick über den Aufbau der Rechtsordnung, der zugleich eingebettet ist in Fragen der Rechtsphilosophie und Rechtstheorie (1.2.3 „rechtliche und soziale Gerechtigkeit“)
Es folgt dann ein Kapitel über „Verfassungsrechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit“ (I. 2) der die Staatsstrukturprinzipien erläutert und auch zur Grundrechtsordnung Aussagen trifft, um dann am Schluss die Menschenwürde und das für die Soziale Arbeit ganz besonders bedeutsamen Grundrechte aus Art. 6 GG
„Grundlagen der Rechtsanwendung“ (I. 3) bietet Rechtstheorie und Rechtsanwendung – mit Themen wie „Struktur der Rechtsnormen“, Tatbestand und Rechtsfolge sowie Ermessen und Ermessensfehler. Bietet dieses Kapitel schon viel Allgemeines Verwaltungsrecht, so wird dies im nachfolgenden Kapitel noch verstärkt, wo es um „Rechtsverwirklichung“ geht und wo auch die öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Träger der Sozialverwaltung dargestellt werden.
Es folgt ein Kapitel über „Rechtsschutz“ (I 5), worin die unterschiedlichen Rechtsbehelfe und Gerichtszweige dargestellt werden. Gesondert wird die „Außergerichtliche Konfliktregelung“ (I 6) dargestellt, wofür nur das Stichwort Mediation genannt werden soll.
Es folgt der zweite Abschnitt, der „Grundzüge des Privatrechts“ bringt. Dieses gliedert sich in „Allgemeine Grundlagen des Privatrechts“ (II 1), die einen Parforceritt durch das BGB beinhalten, bevor es im nächsten Kapitel speziell zum „Familienrecht“ (II 2) geht.
Von hier aus geht es zu den Grundzügen des Öffentlichen Rechts, also in Abschnitt III, der aber sogleich mit „Sozialrecht – Allgemeines Sozialverwaltungsrecht (SGB I und SGB X)“ beginnt. Es folgen „Sozialversicherungsrecht“ (III 2), „Kinder- und Jugendhilferecht“ (III 3) und „Existenzsicherungsrecht“, das die Grundsicherung für Arbeitssuchende und die Sozialhilfe miteinander vereint. „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ (III 5) rechtfertigt ebenso ein eigenständiges Kapitel wie die Zusammenfassung „Sonstiges Sozialrecht“, worin speziell „Leistungen für Familien“, Ausbildungsförderung, „Wohnzuschuss“ und Opferentschädigung zusammengefasst sind. „Jugendschutzrecht“ (III 7) und „Migrations- und Asylrecht“ stellen die praktisch bedeutsamen letzten Kapitel dieses Abschnitts dar. Das Sozialrecht kommt nicht gänzlich ohne das Strafrecht aus. Deshalb werden im vierten Abschnitt zunächst „Allgemeine Grundlagen“ (IV 1), „Die Straftat“ (IV 2), „Das Strafverfahren“ (IV 3), „Strafrechtliche Sanktionen“ (IV 4) und das „Jugendstrafrecht“ (IV 5) dargestellt, bevor abschließend kurz auf as „Arbeitsfeld Strafrecht“ eigegangen wird.
Der fünfe Abschnitt ist mit „Querschnittsgebiete“ überschrieben und enthält drei Kapitel zu „Aufsichtspflichten und Haftung“ (V 1), Ärztliche Behandlung und Schwangerschaftsabbruch bei Minderjährigen und unter Betreuung stehenden Personen“ (V 2) sowie zum „Arbeitsrecht“ (V 3).
Diese drei Kapitel enthalten sicherlich praktisch bedeutsame Materien. Als weitere Querschnittsmaterie hätte sich wohl das Thema Datenschutz angeboten, das stattdessen in den Einzelkapiteln integriert ist.
Im „Anhang“ (VI) gibt es zunächst ein „Glossar der wichtigsten Rechtsbegriffe“ , eine Übersicht über Altersstufen im Recht, eine Auswahl wichtiger Aktzeichen, die der Rezensent so noch nirgends gefunden hat und Prüfungsschemata zur Fallbearbeitung sowie ein Literaturverzeichnis. Natürlich gibt es auch ein Sachverzeichnis.
Fast sämtliche Kapitel schließen mit Lernkontrollfragen, die Kapitel sind mit zahlreichen Übersichten und Beispielen. Drei der vier Autoren sind Professoren an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena, die Vierte an der Hochschule Neubrandenburg. Alles in allem kann man sagen: well done!

Etwas spezieller ist der „Grundkurs Recht für die Soziale Arbeit“ von Reinhard Wabnitz, der in diesem Jahr neu aufgelegt wurde. Der Unterschied zum vorstehenden Handbuch liegt schon darin, dass in den „Grundkursen“, von denen die meisten Wabnitz verfasst hat, mit kleinen Fällen durchzogen sind (hier 22), die am Ende des jeweiligen Bandes aufgelöst werden und mit denen zusätzliche Lehrinformationen transportiert werden. Dieser Band ist mittlerweile deutlich über die 200 Seiten angewachsen, allerdings hat Wabnitz der an anderer Stelle befolgten Versuchung widerstanden, Teile des Inhalts ins Netz zu stellen. (Dies wird, wie zuletzt an dieser Stelle kommentiert, dem Charakter der „Grundkure“ als Taschenbücher nicht gerecht.) Inhaltlich kehren viele Inhalte des vorstehend genannten Handbuchs bei Wabnitz wieder. Er beginnt mit „Soziale Arbeit und Recht“ und zeigt darin Recht als Rahmenbedingung Sozialer Arbeit dar, ausgehend von der sozialen Wirklichkeit bis hin zum Strafrecht. Im zweiten Kapitel stellt der Autor „Rechtsnormen“ dar. Die Methoden praktischer Rechtsanwendung werden im dritten Kapitel dargestellt. Darin enthalten sind auch die Methoden der Gesetzesauslegung, was selbst für angehende Volljuristen oftmals ein Desiderat darstellt, weil sie dies im Universitätsstudium nicht zwingend gelernt haben müssen.
„Allgemeine Zivilrechtsfragen“ werden im vierten Kapitel behandelt, womit die Studierenden näher an die Rechtsordnung herangeführt werden. Es folgen „Einzelne zivilrechtliche Verträge“ (5), bevor es ins Deliktsrecht geht (6). Gerichtliche und außergerichtliche Rechtsverwirklichung können die Studierenden in Kapitel sieben kennenlernen. Erst dann bringt der Autor das Verfassungsrecht. Dies kann man so tun, allerdings ist m. E. immer zu bedenken, dass das Verfassungsrecht mitunter eine ganz gute „Anschlussfähigkeit“ zu den in der Schule gewonnenen Erkenntnissen, die mitunter genau die Neigung zu einem Studium der Sozialen Arbeit geweckt haben (Eine kleine terminologische Ungenauigkeit ist in der Überschrift 8.2 zu bemerken: Es sollte natürlich „Staatsstrukturprinzipien“ lauten.). Der in Kapitel neun gegebene Überblick über „Öffentliche Verwaltung und Verwaltungsbehörden“ gipfelt in einer sehr knappen Darstellung auch der „Sozialversicherung“ (9.4). Unmittelbar daran anschließend liefert Kapitel zehn einen „Überblick über das Sozialrecht und das Sozialgesetzbuch“. „Grundformen des Verwaltungshandelns“ (11) fügen sich ebenfalls didaktisch klug in den Aufbau des Bandes ein, ebenso wie der „Rechtsschutz gegenüber Verwaltungshandeln“ (12). Ganz knapp werden abschließend das „Strafrecht“ (13) wie „Strafverfahrensrecht, Jugendstrafrecht“ (14). Hier kann man sagen: Das passt. Für Grundlagenvorlesungen ist dieser Band genau das Richtige – jedenfalls um den Studierenden ein Hilfsmittel an die Hand zu geben, um in kompakter Form den Inhalt der Vorlesung eigenständig wiederholen zu können.

Der „Grundkurs Familienrecht für die Soziale Arbeit“ ist bereits 2019 in fünfter Auflage erschienen. Hier war seit der Vorauflage nichts Gravierendes nachzutragen und wurden wesentliche Änderungen etwa in der 2. Auflage (2009) mitgeteilt. Dennoch der Inhalt im Überblick: Hier beginnt Wabnitz zu recht mit einem Überblick über „Ehe und Familie in Deutschland“ und zwar als erster Teilüberschrift im ersten Kapitel über „Familien und Familienrecht“., wo gleich darauf auch ein Ausgangspunkt in der Verfassungsbestimmung des Artikels 6 GG genommen wird. Erst ab dem zweiten Kapitel steigt Wabnitz in die Einzelmaterien des BGB-Familienrechts ein: „Verlöbnis und Ehe“ (2), „Getrenntleben und Ehescheidung“ (3), „Verwandtschaft und Abstammung“ (4), „Verwandtenunterhalt“ (5), „Verwandtenunterhalt II und Unterhalt aus Anlass der Geburt“ (6), „Elterliche Sorge“ I bis IV (7-10), „Annahme als Kind (Adoption“ (11), „Vormundschaft, Pflegschaft, Beistandschaft“ (12). „Rechtliche Betreuung“ (13) und „Nichteheliche Lebensgemeinschaften, insbesondere die Eingetragene Lebenspartnerschaft“ (14). Der Band enthält 14 Fälle mit Lösungen und einen Literaturüberblick wie auch zahlreiche sinnvolle Übersichten und bildet den Schwesterband zu Wabnitz´ „Grundkurs Kinder- und Jugendhilferecht“, der hier bereits vorgestellt wurde. Ein studierender, der genug Zeit zum Studium aufbringen kann, kann sich gar nicht besser auf ein Thema wie das Familienrecht vorbereiten als in der Stufung der hier vorgestellten drei Bände. (Für andere Spezialgebiete wäre dann der letzte Band durch einen anderen „Grundkurs“ zu ersetzen.)

– Trenczek, Thomas/Tammen, Britta/, Behlert, Wolfgang/ von Boetticher, Arne. Grundzüge des Rechts. Studienbuch für soziale Berufe, 5. Auflage, München 2018, 873 S., 49,99 (ISBN 978-3-8252-8726-9)
– Reinhard J. Wabnitz, Grundkurs Recht für die Soziale Arbeit, 5. Auflage, München 2020, 243 S., 23 Euro (ISBN 978-3-8252-5386-8)
– Reinhard J. Wabnitz, Grundkurs Familienrecht für die Soziale Arbeit, 5. Auflage, München 2019, 194 S., 21, 99 Euro (ISBN 978-3-8252-5314-1).

Veröffentlicht von on Jul 13th, 2020 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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