Ein Jurist als Bankier

Deutsche Juristenbiographien, Teil 30: Jürgen Ponto (1923-1977)

Matthias Wiemers

Jürgen Ponto, der von der Rote Armee Fraktion ermordete Vorstandssprecher der Dresdner Bank, ist gegenwärtig hauptsächlich noch als RAF-Opfer bekannt. Für die Zeit seines öffentlichen Wirkens war es eher ungewöhnlich, dass ein studierter Jurist eine solche Position einnahm.
Während der legendäre Vorstandssprecher der Deutschen Bank Hermann Josef Abs sein Jurastudium in Bonn bereits nach ganz kurzer Zeit abbrach und den traditionellen Weg ins Bankfach nahm, der ihn an die Spitze des bis heute größten deutschen Kreditinstituts führte, kann man Jürgen Ponto für seine Zeit eher als „Seiteneinsteiger“ bezeichnen. Die Familie Jürgen Pontos geht auf einen Vorfahren zurück, der im Gefolge der Napoleonischen Truppen vor 200 Jahren als Zolloffizier nach Lübeck gekommen war. Der Sohn dieses Zöllners begründete die Tradition einer Kaufmannsfamilie, die auch von Jürgen Pontos Vater Robert Ponto fortgeführt wurde, der vor allem im internationalen Handel in Südamerika tätig war. Ein Bruder Roberts war der bekannte Filmschauspieler Erich Ponto, der eine der Hauptrollen in der Verfilmung der Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann spielte (Professor „Schnauz“).
Jürgen Ponto wird am 17. Dezember 1923 im hessischen Bad Nauheim geboren, und bereits Anfang des folgenden Jahres geht die Familie zurück nach Ecuador, um erst 1927 zurückzukehren, weil die ältere Schwester in Deutschland eingeschult werden soll. Die Familie nimmt Wohnsitz in Hamburg, wobei der Vater schon bald wieder zurück nach Südamerika geht. Jürgen wird im Jahre 1930 in eine Privatschule aufgenommen, wechselt sechs Jahre später auf das traditionelle Wilhelm-Gymnasium und besteht im März 1942 das Abitur. Kurz darauf erfolgt die Einberufung zur Wehrmacht und ein halbes Jahr später die Versetzung an die Ostfront. Bereits am 4. Februar erleidet der gerade 19jährige einen Kopfschuss und wird nach monatelanger Krankenbehandlung im Frühjahr 1944 von der Wehrmacht ausgemustert und nach Hamburg entlassen. Schon im April schreibt er sich an der noch unzerstörten Universität Göttingen für ein Studium der Rechtswissenschaften ein. Im November 1945, die Universität Hamburg ist soeben von der britischen Besatzungsmacht wiedereröffnet worden, wechselt Ponto nach Hamburg. Neben Jura belegt Ponto auch Philosophie und Kunstgeschichte und schreibt für eine Studentenzeitung. In Hamburg lernt er so auch Studenten anderer Fakultäten kennen, so etwa den späteren Soziologen Ralf Dahrendorf und den nachmaligen Journalisten Conrad Ahlers. Anfang 1946 lernt er die junge Ignes von Hülsen kennen, die zu den Heimatvertriebenen zählt und auf dem Gut Kreisau in Niederschlesien geboren wurde. Ignes wird 1950 Pontos Ehefrau, zwei Kinder folgen im Laufe der Fünfzigerjahre. Die Erste juristische Staatsprüfung besteht Jürgen Ponto am 7. September 1948.
Bereits im Jahre 1950, noch als Referendar, tritt Jürgen Ponto in die Rechtsabteilung der Hamburger Kreditbank ein, die eine Nachfolgeorganisation der von den Besatzungsmächten zunächst zerlegten Dresdner Bank ist. Der Zugang zur Bank erfolgt im Wege der Zuweisung durch das Hanseatische Oberlandesgericht in der Referendarstation „Verwaltung“, und die Bank beschäftigt ihn nach Ende der Stage als Volontär weiter. Im Folgejahr unterbricht Ponto sein Referendariat, weil er die Möglichkeit erhält, für ein halbes Jahr einen Studienaufenthalt im amerikanischen Seattle zu verbringen. Nach seiner Rückkehr ist er wieder als Volontär bei der Bank beschäftigt und wird nach Bestehen des Assessorexamens im August 1952 als juristischer Mitarbeiter übernommen. Am 1. Juli 1959 wird Ponto zum Chefsyndikus der inzwischen wieder umbenannten Dresdner Bank in Hamburg ernannt. Ein gutes Jahr später, im Oktober 1960, legt man ihm nahe, über eine kaufmännische Ausbildung innerhalb der Bank die Möglichkeit zu schaffen, den Vorstand zu entlasten, und im November 1964 wird der Hamburger Chefsyndikus stellvertretendes Mitglied im Vorstand der Dresdner Bank, bleibt aber weiterhin in Hamburg. Erst Anfang 1966 verlegt Ponto seinen Dienstsitz nach Frankfurt am Main, wohin in der Zwischenzeit immer mehr zentrale Leitungsfunktionen des wiedervereinigten Bankinstituts verlegt worden sind. Anfang 1967 wird Ponto ordentliches Vorstandsmitglied, u. a. zuständig für „Geld und Kredit“ sowie ferner für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit der Bank. Im Sommer 1969 wird Ponto zum Vorstandssprecher der Dresdner Bank ernannt. Sein Zuständigkeitsbereich erweitert sich damit beträchtlich, aber er bleibt zuständig für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, worin in der Folgezeit seine großen Stärken gesehen werden können. Ponto verändert erfolgreich das Image der Dresdner Bank, versinnbildlicht u. a. in der Schaffung des „Grünen Bands der Sympathie“, dem Logo, das jetzt – nach der Fusion mit der Commerzbank – in gelber Farbe fortlebt. Zu seinem Bekanntheitsgrad tragen sicher auch die zahlreichen Aktivitäten der Kunstförderung bei, die Ponto im Namen der Bank oder privat organisiert, aber auch seine Medienpräsenz und sein Kommunikationsstil. Zu seiner Zeit als Vorstandssprecher war Jürgen Ponto in der öffentlichen Wahrnehmung wohl so etwas wie der natürliche Nachfolger des 22 Jahre älteren Hermann Josef Abs als prominentester Bankier der Republik. Nicht zuletzt dieser Umstand lenkt im Jahre 1977 die Aufmerksamkeit der RAF auf Ponto, die sich durch das mit der Familie befreundete RAF-Mitglied Susanne Albrecht Zugang zum Haus des Bankiers verschafft. Die Terroristen Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt setzen dem noch vielversprechenden Leben Jürgen Pontos am 30. Juli 1977 nachmittags in seinem Haus in Oberursel ein Ende.

Quelle: Ralf Ahrens/ Johannes Bähr, Jürgen Ponto – Bankier und Bürger. Eine Biografie. Verlag C. H Beck, München 2013

Veröffentlicht von on Aug 10th, 2020 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT HISTORISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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