Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz

Oliver Niekiel

Es hat ganz ohne Zweifel das Zeug zum (Un-)Wort des Jahres: Das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Kein anderes Gesetz hat in der jüngeren Vergangenheit die Nachrichten derart beherrscht. Zuletzt hat speziell die umsatzsteuerrechtliche Begünstigung des Hotelgewerbes für Aufsehen gesorgt. Im Januar 2010 wurde bekannt, dass die Düsseldorfer Substantia AG im Zeitraum zwischen Oktober 2008 und Oktober 2009 Spendengelder in Höhe von 1,1 Millionen Euro an die FDP überwiesen hatte. Ob die von Jurastudenten und Rechtsreferendaren oftmals getätigte Äußerung, sich ein noch ein neues Gesetz kaufen zu müssen, künftig auf zwei Arten deutbar ist, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Vielmehr wird ein kurzer Überblick über die wichtigsten Änderungen gegeben, die im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes am 1. Januar 2010 in Kraft getreten sind.
Familien mit Kindern werden seit Jahresbeginn insbesondere durch die Erhöhung der Kinderfreibeträge und des Kindergeldes – wenn auch geringfügig – entlastet. Die Kinderfreibeträge für jedes Kind betragen statt 6.024 Euro nun 7.008 Euro. Zudem wurde das Kindergeld für jedes Kind um 20 Euro pro Monat erhöht (§§ 32 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 EStG, § 6 BKGG). Für die beiden ersten Kinder gibt es damit aktuell 184 Euro, für das dritte Kind 190 Euro und ab dem vierten Kind 215 Euro pro Kind.

Änderungen gibt es auch für Erben. Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer tritt für Geschwister und Geschwisterkinder durch die Absenkung des Steuersatzes von bislang 30 bis 50% auf jetzt 15 bis 43% eine Entlastung ein. Die Mindeslohnsumme, welche für die Gewährung des Verschonungsabschlags bei Betriebsvermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften von Bedeutung ist, wurde von 650% auf 400% gesenkt, außerdem wurde der maßgebliche Zeitraum von sieben auf fünf Jahre reduziert. Entscheidet sich der Erwerber für eine vollständige Verschonung (sogenannte Optionsverschonung) beträgt die erforderliche Lohnsumme, die ein Betrieb einhalten muss, jetzt 700 % und der Behaltenszeitraum, in dem der Betrieb in seiner Substanz fortgeführt werden muss, sieben Jahre (§ 13a Abs. 8 Nr. 1 und 2 ErbStG).

Bei Hotels, Gasthöfen, Pensionen und Campingplätzen ist auf das Entgelt für kurzfristige Übernachtungen nur noch der ermäßigte Umsatzsteuersatz in Höhe von 7% (statt bislang 19%) anwendbar. Für das Frühstück und sonstige Leistungen fallen allerdings weiterhin 19% an, Abgrenzungsprobleme sind mithin vorprogrammiert. Bislang unter die Grundwerwerbsteuer fallende Umstrukturierungsvorgänge, beispielsweise Verschmelzungen und Spaltungen, sind unter bestimmten Voraussetzungen begünstigt.

Die Sofortabschreibung von Wirtschaftsgütern ist nunmehr bis zu einem Betrag von 410 Euro möglich. Alternativ dazu bleibt es zulässig, einen Sammelposten für alle Wirtschaftsgüter zwischen 150 Euro und 1.000 Euro einzurichten (§§ 6 Abs. 2, 2a, 9 Abs. 1, 52 Abs. 16, 23d EStG). Zudem gibt es Neuerungen bei der sogenannten Zinsschranke. Insbesondere wurde die Freigrenze von 1 Million Euro auf 3 Millionen Euro erhöht (§§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchstabe a, 52 Abs. 12d S. 3 EStG). Änderungen gibt es such bei der Zulassung des Übergangs der Verluste in Höhe der stillen Reserven bei dem Erwerb von Beteiligungen an Körperschaften. Durch die Neuregelung im Rahmen der Verlustabzugsbeschränkungen bleiben die nicht genutzten Verluste in Höhe der stillen Reserven des steuerpflichtigen inländischen Betriebsvermögens der Gesellschaft erhalten, die auf den anteiligen Beteiligungserwerb entfallen (§§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG, 34 Abs. 7b KStG). Der Abzugs von Verlusten bei bestimmten konzerninternen Umgliederungen ist zulässig (§ 8c Abs. 1 Satz 6 KStG). Die zeitliche Beschränkung bei der mit dem sogenannten Bürgerentlastungsgesetz eingeführten körperschaftsteuerlichen Sanierungsklausel wurde aufgehoben. Verlustvorträge im Sanierungsfalle bleiben damit nach derzeitiger Rechtslage unbefristet erhalten (§§ 8c Abs. 1a, 34 Abs. 7c KStG). Der gewerbesteuerliche Hinzurechnungssatzes bei Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern wurde zudem von 65 % auf 50 % reduziert (§ 8 Nr. 1 Buchstabe e GewStG). Vereinbart wurde schließlich auch ein Verzicht auf die im Energiesteuergesetz vorgesehene Reduzierung der steuerlichen Entlastungssätze für reine Biokraftstoffe.

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz bringt also zahlreiche Neuerungen mit sich. Ob es dadurch auch zu einer Beschleunigung des Wachstums kommt, kann wohl niemand seriös vorhersagen. Befürworter und Gegner des Gesetzes gibt es jedenfalls gleichermaßen. Am 25. Dezember 2009 wurde beim beim Deutschen Bundestag eine Petition eingereicht, deren Ziel es ist, dass Bundesregierung und Bundestag das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zurücknehmen oder in wesentlichen Punkten stark verändern. Begründung: In der vorliegenden Form könne das Gesetz das Wirtschaftswachstum nicht wirklich fördern, beinhalte soziale Ungerechtigkeiten und führe zu einer unverantwortlichen Neuverschuldung, da es nicht ausreichend gegenfinanziert sei. Einzelheiten finden sich insoweit auf der Internetpräsenz des Bundestages.

Veröffentlicht von on März 15th, 2010 und gespeichert unter DRUM HERUM, NIEKIELS SERVICE ECKE. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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