Erfolg ist eine Katze

„Barking Up the Wrong Tree – oder warum fast alles, was wir über ›Erfolg‹ wissen, falsch ist“ von Eric Barker

Jochen Barte

Da bist du aber auf dem ganz falschen Dampfer! Das sagen wir häufig leicht genervt, wenn sich jemand verrannt hat und auf seiner Meinung beharrt. Im Englischen ist dagegen die Redewendung »barking up the wrong tree« gebräuchlich. Es ist ein griffiges Sprachbild, das der amerikanische Bestseller-Autor Eric Barker als Titel für sein 2017 erschienenes Buch gewählt hat, in dem er sich grundlegend mit dem Begriff ›Erfolg‹ und den falschen Vorstellungen, die darüber existieren, auseinandersetzt. Denn es beschreibt, wörtlich übersetzt, eine Situation in der ein Hund einen Baum anbellt – wahrscheinlich, weil er darauf eine Katze vermutet. Aber leider ist es der falsche Baum. Die Katze ist längst verschwunden oder sitzt entspannt auf einem Nachbarbaum und blickt, wie es nur Katzen können, mit arrogant-süffisanter Miene auf den armen Hund herab, der sich zu ihren Füßen mit seinem Gebell sinnlos verausgabt. Mit dem Erfolg verhält es sich oft ähnlich. Wer würde das bestreiten? Kaum ist er da, hat er sich wieder katzengleich davongestohlen und wir stehen da wie ein begossener Pudel, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Barker möchte hier Abhilfe schaffen. Deshalb bringt er dem Leser die aus seiner Sicht zentralen Fragen prägnant aufbereitet und oftmals pointiert zugespitzt in Kapitelform nahe: Ist es lohnenswert, sich an Regeln zu halten? Stimmt es, dass die netten Jungs gleichzeitig die Verlierer sind? Wann sollte man mit einer Tätigkeit oder einem Job aufhören, wann sollte man weitermachen? Ist es wichtiger, viel zu wissen oder zu wissen, wen man kennen muss? Wie wichtig ist Selbstbewusstsein? Steht harte Arbeit einem harmonischen Privatleben im Wege? Und schließlich: Was macht ein glückliches Leben aus?

Die Antworten auf diese Fragen referiert Barker nun nicht, wie mancher geneigt sein könnte zu vermuten, im trockenen Akademikerstil oder im reißerisch-suggestiven Ton der Ratgeberliteratur. Stattdessen gelingt ihm der seltene Spagat zwischen unterhaltsamem Erzählen und wissenschaftlicher Fundierung – so wie er im angelsächsischen Bereich häufig anzutreffen ist, hierzulande aber eher die Ausnahme darstellt. Denn Barker nimmt den Leser mit auf eine spannende Reise zu den verborgenen Ursachen des Erfolgs und räumt fast nebenbei mit bekannten Klischees auf. Berühmte Persönlichkeiten wie Winston Churchill, Abraham Lincoln oder Michelangelo grüßen vom Wegesrand, bevor der Autor weiter zieht zu Wrestlern, Baseball-Spielern oder Bergsteigern und – auch das gehört zum Programm – zu Massenmördern, Straßengangs und Piraten. Die einzelnen Beispiele sind mit Bedacht gewählt, fügen sich bruchlos ins Gesamtkonzept ein und überzeugen in der argumentativen Darstellung.

Besonders anschaulich wird sein unkonventioneller Ansatz in Bezug auf das generelle Problem der Analyse von Egoismus versus Altruismus. Ist Egoismus im sozialen Kontext tatsächlich vorteilhaft? Sind Egoisten daher im Beruf erfolgreicher? Jura-Studenten kennen diese moralische Abwägung gut: Verstecke ich das einzige Buch, das die Lösung der Hausarbeit enthält, oder teile ich mein Wissen und gewinne auf diese Weise vielleicht Freunde, die mir später ebenfalls helfen und mit denen ich zusammen erfolgreich durchs Staatsexamen komme? Barkers Antwort fällt differenziert aus. Einleitend zitiert er zunächst einige Studien darüber, wie sich kooperatives Verhalten unter anderem von angehenden Ingenieuren und Medizinstudenten (die den Juristen ja bekanntlich nicht so unähnlich sind) auf das Notenbild auswirkte. Das Ergebnis überrascht zunächst nicht: Am unteren Ende der Studie fanden sich diejenigen Studenten, die sich am kooperativsten verhielten. Die verbreitete Annahme, dass clevere Egoisten, die sich zwar sozial geben, aber insgeheim knallhart ihre Karriere vorantreiben, damit sie später den Top-Job in der internationalen Großkanzlei bekommen, im Vorteil sind, schien sich hier wissenschaftlich erhärtet, zu bestätigen. Dies ist jedoch laut Barker nur die halbe Wahrheit. Denn überraschenderweise fanden sich auch an der Spitze wiederum solche Studenten, die sich kooperativ verhielten. Wie ist das zu erklären? Der Autor löst diesen scheinbaren Widerspruch auf, indem er darlegt, dass es auf das Maß des kooperativen Verhaltens ankomme. Die Studenten, die bei den Studien schlecht abgeschnitten hätten, hätten allzu oft im Bestreben, anderen zu helfen, keine Rücksicht auf die eigenen Bedürfnisse genommen, womit sich die schlechten Leistungen erklären ließen. Die Studenten an der Spitze dagegen hätten sich ihre Ressourcen sinnvoll eingeteilt, sodass sie von ihrem Verhalten profitieren konnten. In der Summe brächte egoistisches Verhalten daher durchaus kurzfristige Vorteile, dies würde sich auf lange Sicht allerdings nicht auszahlen. Denn unethisches, unkooperatives Verhalten sei – auch dies belegten Studien – nachweislich ansteckend, so Barker. Hätte sich erstmal herumgesprochen, dass es sich lohne, die Regeln zu brechen, hätte dies einen Schneeballeffekt. Andere zögen nach mit der Folge, dass ein Arbeitsklima des gegenseitigen Misstrauens entstehe, das jegliche soziale Kommunikation vergifte und niemand mehr von seinem egoistischen Verhalten profitieren könne.

Seine Empfehlung in dieser Fragestellung lässt sich für Jura-Studenten demnach auf die folgende vereinfachte Formel bringen: Suche dir die richtigen Mitstreiter aus, kooperiere zuerst, arbeite hart und kenne dich selbst! Dann wirst du auch dein Studium erfolgreich meistern. Insgesamt ist Barker mit dem vorgelegten Titel ein sehr lesenswertes Buch gelungen, das nicht nur Jura-studenten uneingeschränkt ans Herz zu legen ist. Die Sprache ist leicht verständlich, dialogisch pointiert und auf prägnante Beispiele und Fallstudien bezogen. Gute Englischkenntnisse und den Willen zur ehrlichen Selbstreflexion vorausgesetzt kann es in jeder Lebenslage ein Gewinn sein, dieses kleine Büchlein zu lesen. Was man daraus macht und ob man nach der Lektüre tatsächlich erfolgreicher und glücklicher wird, liegt natürlich zuerst am Leser selbst. Aber das Potenzial eine positive Veränderung anzustoßen hat das Buch unbedingt.

Eric Barker: Barking Up the Wrong Tree. HarperCollins: New York 2017, 307 Seiten. Preis: 8,49 Euro. ISBN: 978-0-06-287263-0

Veröffentlicht von on Okt 5th, 2020 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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