Keine Schule ohne Recht

Das Standardwerk in 9. Auflage hat jetzt einen Co-Autor

Matthias Wiemers

Wer sich mit dem öffentlichen Recht beschäftigt, weiß, dass auch die Schulen in Deutschland keine „Besonderen Gewaltverhältnisse“ mehr beinhalten. Das Verhältnis der jeweiligen Schule zu ihren Schülern ist auch im Pflichtschulbereich ein Rechtsverhältnis. Und dieses Rechtsverhältnis ist durch einen immer detaillierter aufgefächerten Rechtsrahmen gekennzeichnet. Seit Jahrzehnten nun gibt es den „Avenarius“ zum Schulrecht, der bisher von dem Professor am Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main, Hermann Avenarius, allein bearbeitet wurde. Hervorzuheben ist hier zunächst, dass mit dem Privatdozenten Felix Hanschmann (HU Berlin) nunmehr ein Co-Autor einige Kapitel des Bandes eigenverantwortlich übernommen hat und für Kontinuität des einmaligen Werkes sorgen kann. Das Handbuch eröffnet zugleich die Möglichkeit des Zugang zu einer Online-Version auf www.schulverwaltung.de
Der Band ist in nicht weniger als 32 Kapitel unterteilt, die die Nutzer sicherlich nur mehr oder weniger nutzen werden. Im ersten Kapitel mit dem Titel „Schule und Recht“ wird der Leser allmählich in die geschichtliche Entwicklung des Verhältnisses zwischen Schule und Staat hineingeführt und stellt fest, dass diese Entwicklung von einer „Verrechtlichung“ (Abschnitt 1.36) geprägt ist.
Von diesem eher historisch geprägten Inhalt springt das zweite Kapitel auf das Verfassungsrecht im weitesten Sinne – von der Kulturhoheit der Länder über das GG, die Landesverfassungen und das europäische wie internationale Recht.
Kapitel drei ist dem Aufbau und der Gliederung des Schulwesens in Deutschland gewidmet, ins Organisatorische einschließlich des Berechtigungswesens handelt Kapitel 4. Der staatliche Erziehungsauftrag wird im fünften Kapitel behandelt, auch in Auseinandersetzung mit der religiösen Erziehung. Drei Kapitel befassen sich dann mit der (inneren) Schulverfassung und eines (Kap.9) mit der Schulaufsicht des Staates. Es folgen die Schulträgerschaft (Kap. 10) und „Schulfinanzierung“ (11).
Da die Autonomisierung der Schulen seit Jahren fortschreitet, ist ein Kapitel über die „Verwaltung der Einzelschule“ (12) sicherlich sinnvoll, und das Kapitel umfasst nicht nur das Vergaberecht, sondern auch den Internetauftritt einer einzelnen Schule. Das 13. Kapitel knüpft inhaltlich an das vorangehende an und behandelt „Schulautonomie und Schulqualität“. Der erste Teil des Bandes schließt mit Kapitel über Auslandsschuten und Privatschulen. Sodann folgt ein Zweiter Teil, der sich explizit mit „Schülerinnen und Schüler sowie Eltern“ befasst (Schade, dass die allgemeine Sprachverschlechterung auch hier die explizite Erwähnung der weiblichen und männlichen Schüler zu erfordern scheint.)
Das 16. Kapitel befasst sich mit dem Schulverhältnis, also dem entsprechenden Rechtsverhältnis, Kapitel 17 mit der Schulpflicht und Kapitel 18. mit dem Zugang zu den einzelnen Schulen. Als Themen folgen der Unterricht und sonstige Veranstaltungen ( 19) und die Leistungsbewertungen (20), das „Verhalten der Schülerinnen und Schüler“ (21), „Erziehungsmaßnahmen, Ordnungsmaßnahmen“ (22), „Finanzielle Hilfen für Schülerinnen und Schüler“ (23), ein Kapitel zum Datenschutz (24), „Schulgesundheitspflege, Unfallverhütung, Haftung“ (25) sowie der Rechtsschutz (25).
Der Dritte Teil ist den Lehrerinnen und Lehrern im öffentlichen Schulwesen gewidmet, also unter Auslassung der Lehrer von Privatschulen. Hier spannt sich das Spektrum von der Lehrerbildung (27. Kapitel) bis zum Rechtsschutz (32).
Der Band bringt jeweils ein System in die einzelnen Themen und geht in den einzelnen Kapiteln jeweils auf Besonderheiten der Bundesländer ein – ohne dies jedoch schematisch zu tun. Der Nutzer ist deswegen auch nicht völlig der Notwendigkeit enthoben, nochmal in „sein Landesrecht zu schauen, indem er zumindest die im Buch zitierten Vorschriften nachliest.

Fazit: Der Band ist unverzichtbar für wirklich jeden Praktiker des Schulrechts, der – auch angesichts zusätzlich bestehender landesrechtlicher Loseblattwerke –
den Blick für das Ganze nicht verlieren will. Für den Juristen ist es dennoch angenehm zu lesen und erfüllt auch rechtswissenschaftliche Erwartungen, die etwa durch ausführliche Nachweise von Rechtsprechung und Literatur erfüllt werden.

„Corona“ wird hier allerdings schon bald eine Neuauflage produzieren, denn die neuen, nicht freiwillig gemachten Erfahrungen mit neuen Unterrichtsformen unter technischer Begleitung werfen zahlreiche Rechtsfragen auf, die namentlich um die staatsbürgerliche Gleichheit, Schulpflicht und Bildungsauftrag der öffentlichen Schulen kreisen. Hier müssen dringend „Hausaufgaben“ gemacht werden – im übertragenen und vielleicht auch im tatsächlichen Sinne!

Hermann Avenarius/ Felix Hanschmann, Schulrecht. Ein Handbuch für Praxis, Rechtsprechung und Wissenschaft, 9. Auflage, Carl Link Verlag, Köln 2019, 709 S., 99, 95 Euro (ISBN 978-3-556-07364-3)

Veröffentlicht von on Nov 23rd, 2020 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

Hinterlassen Sie einen Kommentar!