Maurer und Waldhoff erklären das Allgemeine Verwaltungsrecht
Matthias Wiemers
Von dem nunmehr seit 40 Jahren am studentischen Markt befindlichen Lehrbuch zum Allgemeinen Verwaltungsrecht ist kürzlich die 20. Auflage erschienen. Damit dürfte das erstmals 1980 von dem Konstanzer Ordinarius Hartmut Maurer in der Reihe „Grundrisse des Rechts“ publizierte Lehrbuch dasjenige mit der weitesten Verbreitung darstellen. Seit der Vorauflage ist der Berliner Ordinarius Christian Waldhoff an Maurers Seite getreten.
Der Rezensent besitzt noch eine Erstauflage (, die er mal in der Zeit seines Studiums in den frühen 90ern gebraucht für 4 DM in der Buchhandlung Krüper in Münster erworben hat; damals ließ man die Paperbacks seitens der Universitätsbibliothek in Münster immer noch buchbinderisch behandeln, so dass der Band immer noch selbständig im Regel steht). Diese Erstauflage war von den äußeren Maßen her nur unwesentlich kleiner und umfasste 576 Seiten. Seither wurde die Anzahl der Kapitel nur um eines erhöht.
In der Darstellung fällt auf, dass im Laufe der Jahre mehr Wert auf Übersichtlichkeit gelegt wurde, indem mehr Fettdruck Verwendung findet. Das Literaturverzeichnis umfasst nun fünf statt zwei Seiten, was nicht nur auf Geschmacksfragen der Autoren zurückzuführen sein wird, sondern auf die Vervielfältigung des Angebots am Markt.
Blickt man in die Kapitelstruktur hinein, so ergeben sich wenig Unterschiede. Es mag manchen Leser überraschen, dass bereits 1980 mit § 18 ein Kapitel „Verwaltungsautomation“ enthalten war, das heute selbstverständlich „E-Government“ heißt und deutlich erweitert wurde (Auch vom Datenschutz war hier 1980 noch nicht die Rede, heute ist ihm ein knapper Abschnitt V. in diesem Kapitel gewidmet.).
Auch das Vergaberecht und das Beihilfenrecht wurden im Rahmen des § 17 („Verwaltungsprivatrechtliches Handeln; Subventionierung; Vergabe öffentlicher Aufträge“) in der Zwischenzeit eingefügt. Über das Beihilferecht hinaus ist generell die Einarbeitung europarechtlicher Themen in der Zwischenzeit immer wieder erfolgt, etwa hinsichtlich des Vollzugs des Unionsrechts (§ 22, Rdnr. 11).
Modernisiert wurde das Lehrbuch aber auch an anderen Stellen, allerdings selten durch Streichungen als durch Ergänzungen. Ein Beispiel hierfür ist ein Abschnitt, der den dritten Teil des Buchs zum Verwaltungshandeln einleitet. Hier heißt es vor dem ursprünglichen Text. „Einen, wenn nicht den Kern des Allgemeinen Verwaltungsrechts stellt die Handlungsformenlehre dar. Dabei geht es um die Qualifizierung des Handelns der Verwaltung in Rechtsformen. Derartige Qualifikationen sind kein Selbstzweck, sondern von ihr (sic!) hängen vielfältige rechtliche Aspekte ab, etwa Folgen von Fehlern, Folgen der Rechtswidrigkeit, Zuständigkeitsfragen, der Rechtsschutz u. a. m. Die Qualifikation des tatsächlichen Handelns der Verwaltung mittels bestimmter Rechtsformen stellt eine typische Arbeitsweise des Juristen dar: Dieser sieht die „Wirklichkeit“, dasjenige, was tatsächlich geschieht, durch seine „normative Brille“ und ordnet die beobachteten Phänomene den von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechtsformen zu und unter. Dadurch, dass abstrakt definierte Handlungsformen zur Verfügung gestellt werden, kann der Gesetzgeber Komplexität reduzieren, kann er „vor die Klammer gezogene“ Allgemeine Teile ausbilden.“
Zwar fragt man sich an dieser Stelle schon, wie der Gesetzgeber Allgemeine Teile ausbildet, weil dies ja in der Tat die Aufgabe der Rechtswissenschaft ist, deren Vorarbeiten bei der Herausbildung eines „Allgemeinen Verwaltungsrechts“ von den Gesetzgebern von Bund und Ländern in Form der Verwaltungsverfahrensgesetz nur zum Teil in Gesetzesform gegossen wurden – ohne dies im Übrigen im Gesetz als solches zu bezeichnen. Aber der Text trifft schon den Kern des Themas, und es ist – trotz den ebenfalls im Band knapp referierten Debatten über eine „Neue Verwaltungsrechtswissenschaft“ (§ 2, Rdnr. 18) schon erstaunlich, wie viel hinsichtlich der Handlungsformen außerhalb des Verwaltungsakts noch zu tun scheint bzw. wie wenig an den Formulierungen Maurers aus der Erstauflage geändert werden musste. Dass die Autoren auch die geschichtliche Entwicklung der Dogmatik des Verwaltungsrechts nicht ausblenden, zeigt der nach wie vor enthaltene Rekurs auf die Definition des Verwaltungsakts durch den Altmeister Otto Mayer von 1895 (§ 9, Rdnr. 2). Dies ist wichtig, will man der weiter fortschreitenden Zersplitterung der Rechtswissenschaft in Einzeldisziplinen entgegenwirken und die Verwaltungsrechtsgeschichte nicht allein Feinschmeckern überlassen.
Der Band wurde immer wieder auch durch weitere Beispiele und Fallkonstellationen angereichert, die das theoretisch Geschilderte konkret machen.
Eingeschobene Teile in Kleindruck können bis heute auch überlesen werden, wenn der Gesamtumfang eines Kapitels zu umfangreich erscheint. Wie schon angedeutet, wurde überhaupt nur ein weiteres Kapitel angefügt, und dies ist in der Form geschehen, dass der lange so titulierte § 30 („Reform des Staatshaftungsrechts“) nunmehr zu einem neuen Kapitel 25 „Grundlagen“ zum 7. Teil „Das Recht der staatlichen Ersatzleistungen“ geworden ist und dann am Ende ein § 31 die „Haftung für Verstöße gegen europäisches Unionsrecht“ beinhaltet.
Kürzungen wurden in der Vergangenheit nur gelegentlich vorgenommen (so verweist der Band beispielsweise hinsichtlich der verwaltungsrechtlichen Regelungen im Einigungsvertrag auf die 18. Auflage, § 2, Rdnr. 23).
Alles in allem ist den Autoren zu bestätigen, dass es ihnen gelungen ist, das Verwaltungsrecht weiterhin in einem Band lesbar und dennoch umfassend darzustellen – nunmehr seit vier Jahrzehnten. Der Umfang hat in dieser Zeit nur um 200 Seiten (und seit der mir ebenfalls vorliegenden 11. Auflage 1997 gar nur um rund 50 Seiten) zugenommen. Diese beachtliche Leistung fördert schließlich der Verlag, indem er den Studierenden hierfür nur 19,80 Euro abverlangt.
Hartmut Maurer/ Christian Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Auflage, München 2020, 872 S. 19,80 (ISBN 9783406758966)