Die Verfassungsgerichtsbarkeit und ihr Prozess

Das Große Lehrbuch von Benda/Klein wurde erneut aufgelegt

Matthias Wiemers

Im Jahre 1991 legten der damalige Mainzer Ordinarius Eckart Klein und der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda, seinerzeit Inhaber einer Ehrenprofessur in Freiburg, ihr Großes Lehrbuch zum Verfassungsprozessrecht vor – wenige Monate nachdem Pestalozza sein Großes Lehrbuch bei Beck veröffentlicht hatte. Blieb es bei Pestalozza bei einer einmaligen Angelegenheit, so wurde der Benda/Klein neu aufgelegt, nunmehr schon zum dritten Mal neu. Wie schon in der Vorauflage (2011), hat Klein, der einmal Wissenschaftlicher Mitarbeiter Bendas am BVerfG gewesen war, das Buch mit seinem Sohn Oliver fortgeführt, der inzwischen Richter am BGH ist, also unweit des BVerfG, dem der Band von den Autoren erneut gewidmet ist.

Das Lehrbuch ist in insgesamt vier Kapitel und 43 Paragraphen untergliedert, von denen die Mehrzahl immer noch von Eckart Klein bearbeitet ist.
Im ersten Kapitel („Grundlegung“) wird zunächst vor allem historisch, aber auch im länderübergreifenden Vergleich in die Verfassungsgerichtsbarkeit eingeführt (§ 1) und sodann die „Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder“ vergleichend dargestellt (§ 2). Weiter geht der Band insgesamt nicht auf die Landesverfassungsgerichte ein. Von stets aktueller Brisanz ist das in § 3 geschilderte Verhältnis des Bundesverfassungsgerichts zur inter- bzw. supranationalen Gerichtsbarkeit – worin der Bearbeiter zu einem abgewogenen Gesamturteil kommt (§ 3, Rdnr. 114 f.).
Das zweite Kapitel ist der Organisation und der Verfassung des BVerfG gewidmet. Es beginnt mit dem Status des BVerfG (§ 4), worin selbstverständlich die Geschichte der berühmten und von Leibholz verfassten Statusdenkschrift noch einmal erzählt wird. § 5 behandelt sodann „Die Richter“, worin der Verfasser die schon vor geraumer Zeit erfolgte Begrenzung der Amtszeiten auf 12 Jahre begrüßt – und dies interessanterweise auf das demokratische Prinzip der „Betrauung von Macht auf Zeit“ gründet (§ 5, Rdnr. 134). Gerade hierin kann eine Abwendung des Gesetzgebers von solch prägenden Richterpersönlichkeiten wie Leibholz (Richter von 1951 bis 1971) gesehen werden – wenngleich die Öffentlichkeitsarbeit des Gerichts insgesamt heute eine ganz andere ist als zur Zeit von Leibholz, „Die Spruchköroper“ (§ 6) und „Binnenorganisation und Verwaltung“ beschließen das Kapitel.
Das dritte Kapitel ist „Verfahrensmaximen und Sachentscheidungsvoraussetzungen“ gewidmet, beginnend mit einem Abschnitt über Grundsatzfragen (§ 8) bis hin zu den „Kosten“ (§ 17).
Erst im vierten Kapitel geht es um „Die bundesverfassungsgerichtlichen Verfahren im Einzelnen“ (§§ 18 bis 40), einschließlich der einstweiligen Anordnungen.
Das fünfte Kapitel ist „Entscheidungsinhalt, Entscheidungswirkungen und Vollstreckung“ gewidmet, Dabei ist namentlich der erste der drei Paragraphen des Kapitels hilfreich, um die Entscheidungen des BVerfG besser zu verstehen. Er behandelt die „Entscheidungsbefugnis“ (§ 41) und zeigt etwa auf, wann das Gericht die bloße Unvereinbarkeit einer Norm mit dem GG feststellt und wann es von dessen Nichtigkeit ausgeht (Rdnr. 1436 ff., bes. 1439). Die „Entscheidungswirkungen“ werden als juristische und faktische dargestellt (§ 42, Rdnr. 1484 f.). Der Schlussparagraph betrifft selbstverständlich die „Entscheidungsvollstreckung“ (§ 43). Schließlich wird der Band beschlossen durch einige statistische Übersichten, nämlich eine Übersicht über die Verfahren seit dem 7. September 1951 (Anlage I), über die Eingänge nach Verfahrensarten (Anlage II), den Geschäftsanfall im allgemeinen Register seit 2009 (Anlage III) und eine Übersicht über die Registerzeichen des BVerfG (Anlage IV). Selbstverständlich folgt noch ein Stichwortverzeichnis.
Wer sich mit Verfassungsprozessrecht beschäftigt, kann zwar inzwischen auf mehrere Lehrbücher und Grundrisse und ein bis zwei Handbücher zurückgreifen, die freilich nicht besonders aktuell sind. Daneben existieren zwei Kommentare.

Aber mit dem Benda/Klein erhält der Leser ein Werk, das ihm das Verfassungsprozessrecht in hoher Geschlossenheit vermittelt, wenngleich ohne systematische Erschließung zugleich des Prozessrechts der Landesverfassungsgerichte. Der Band ist gleichermaßen für Ausbildungszwecke wie für die Spezialisierung in der Praxis unverzichtbar.

Eckart Klein/ Oliver Klein, Verfassungsprozessrecht, 4. Neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Heidelberg 2020, 718 S., 120 Euro (ISBN 9783811449275)

Veröffentlicht von on Dez 20th, 2020 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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