Das Handbuch Kunstrecht von Alexandra Pfeffer und Roman Alexander Rauter in 2. Auflage
Ines Duhanic
“Was Kunst ist, kann nicht genau beschrieben werden.” So lautet die Einführung der zweiten Auflage des juristischen Nachschlagewerks “Handbuch Kunstrecht”. Trotzdem oder genau aus diesem Grunde ist es den Herausgeber:innen Alexandra Pfeffer und Alexander Rauter gelungen, die inhomogene Querschnittsmaterie Kunst praxisnah und nach verschiedenen Abstraktionsmaterien zu erläutern. Das aus der Feder von Juristen und Kunsthistorikern stammende und primär an Juristen gerichtete Buch macht auch für praktizierende Künstler:innen Sinn: So wird in kurzer und prägnant-verständlicher Sprache die öffentliche Kunstförderung, das Sponsoring-Vertragsrecht, das Sozialversicherungsrecht – einschließlich so wichtiger Fragen, wie wann Absolventen von Kunsthochschulen sozialversicherungspflichtig sind – näher erläutert.
Die hauptsächlich von österreichischen Juristen analysierten Rechtsprobleme schließen eine Lücke im deutschsprachigen Raum: Sammelwerke über Kunstrecht gibt es einige, auch in Deutschland. Allerdings sind etliche veraltet, andere wiederum sehr steuerrechtslastig. Im Übrigen ist Pfeffer/Rauter mit seinen 25 Autoren und 34 Kapiteln sehr viel umfangreicher. Im Übrigen lohnt sich der Blick in dieses Buch für deutsche Juristen auch, weil teilweise auf deutsche Gerichtsentscheidungen und Literatur verwiesen wird.
Die Grundlagen, was Kunstrecht in der Praxis bedeutet, einschließlich der betonten Schwierigkeit eine juristisch praktikable Definition der Kunstfreiheit zu gewinnen, vermitteln uns die Herausgeber gleich zu Anfang in Teil 1. Interessant sind vor allem die Ausführungen zu den Feinheiten im steuerrechtlichen und gewerberechtlichen Gefüge kunstrechtlicher Fragen sowie die interdisziplinären Explikationen zur Kunstfälschung und Fachzuschreibung. Einer der Schwerpunkte im Grundlagenteil liegt dabei bei der Digitalen Kunst; hier wäre es angebracht angesichts anderer wichtiger zeitgenössischer, evolvierender Kunstphänomene wie der Konzeptkunst oder Installationskunst auch solche Kunstrichtungen zu besprechen.
Die im ersten Teil erwähnten Schwerpunkte werden teilweise in Teil 2 weiter vertieft, so dass neben praxisrelevanten Beispielen zum verfassungsrechtlichen Kunstbegriff einschließlich besprochener Grenzfälle, strafrechtliche Tatbestände, wichtige Kunst- und Kulturförderungsgesetze, steuerrechtliche Einzelfälle bei bloßen „Liebhaberei-Tätigkeiten“ und andere Fragen der einkommens- bzw. umsatzsteuerrechtlichen Behandlung (sowohl von Künstler- als auch von Fördererseite) sowie Fragen zum Schutz des Künstlernamens und schließlich vertrags- und haftungsrechtliche Fragen bei Zusammenwirken mehrerer Künstler besprochen werden.
Detailfragestellungen zum Kunsthandel und dem Schuldrecht insbesondere unter Beachtung praxisnaher Probleme im Bereich exklusiver Galerieverträge und der Gewährleistung von Echtheit bei Kunstwerken finden mit ausführlichen Lösungsansätzen und Praxisbeispielen im Teil 3 ihren Platz. Ausführlich besprochen werden zudem die unterschiedlichen Galerievertragsarten sowie Rechtsfragen der Kunstaktion. Auch hier widmen sich die Autoren in einem eigenen Kapitel den steuerrechtlichen Fragen speziell bezogen auf den Kunsthandel. Interessant für international arbeitende Künstler wird es im Kapitel 19 (Kunst & Zollrecht), wenn die Einfuhrabgaben und die Einreihung von Waren in der Kombinierten Nomenklatur (KN), etwa bei einer Video-Sound-Installation oder Lichtinstallation, besprochen werden.
Urheberrechtlichen Tiefgang erhält das Sammelwerk erst in Teil 4, wobei das urheberrechtliche Werk als zentrales, schutzbegründendes Merkmal ein wenig zu kurz kommt. Allerdings ist es erfreulich, dass das ebenso praxisrelevante Folgerecht in Kapitel 22 eine breit ausgeführte Analyse erfährt. Es folgen Schwerpunkte zum Recht der Verwertungsgesellschaften, zum Rechtsgüterschutz durch das Strafrecht, zum Denkmalschutz, zum Kulturgüterrückgabegesetz, zur Kunstrestitution einschließlich medial prominenter Fälle zu Werken von Klimt und Schiele, zu Kunstversicherungs- und Sachverständigenverfahren-Fragen sowie zum Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsrecht.
Teil 5 beantwortet Fragen zum Wert von Kunstwerken, zur Wertermittlung und zum Schadensersatz bei Beschädigung von Kunstwerken. Fragen zum Verkehrswert, Liebhaberwert sowie zum Wert der besonderen Vorliebe insbesondere bei Werken der sogenannten „res extra commercium“ mit immensem nationalen bzw. kulturellen Wert werden besprochen. Die kartellrechtliche Beurteilung der Marktmacht von Kunstexperten, Gutachten und Echtheitszertifikate und das Recht der Zuschreibungsautoritäten folgen. Abschließende Gedanken zum Kunststiftungsrecht und zum Künstlernachlass runden das umfangreiche Werk der Kunstrechtsexpert:innen ab.
Im Ganzen gibt diese gelungene Zusammenstellung einen guten Überblick über wichtige Rechtsthemen des Kunstbetriebs und bietet sich damit als eine sinnvolle Anschaffung für alle an, die sich mit kunstrechtlichen Topoi im Berufsalltag beschäftigen. Duchamp’s gepflegte Weisheit, „Ich sage bloß, die Kunst ist eine Täuschung“ bleibt hier dank der klaren und erleuchtenden Einblicke zumindest für die juristische Wahrheit fruchtlos.
Alexandra Pfeffer / Roman Alexander Rauter – Handbuch Kunstrecht; MANZ Verlag Wien, 2. Auflage 2020; 730 Seiten; 128,00 Euro; ISBN-10: 3214035789