„Steuerabwehr aufgrund eines Steuerstrafverfahrens“ von Dieter Hild
Martin Scheibner
Durch glückliche Umstände hatte ich das Vergnügen, das Buch „Steuerabwehr aufgrund eines Steuerstrafverfahrens“ von Dieter Hild lesen und rezensieren zu dürfen, und ich finde dieses Buch gut und extrem hilfreich, denn es schlägt gleichsam genau in die Zwiespälte des Strafverfahrens und des Besteuerungsverfahrens hinein und bietet einen guten ersten Überblick für Strafverteidiger, die neben dem Steuerstrafverfahren auch mit dem Besteuerungsverfahren zu tun haben. Zwar kann ich als Rechtsanwalt leider nicht beurteilen, ob die Ausführungen auch für Steuerberater so gut verwertbar sind wie vom Autor versprochen. Jedoch gibt es von mir als Rechtsanwalt eine klare Kaufempfehlung, insbesondere für Berufseinsteiger.
Durch die Lektüre dieses Buches wird dem interessierten Strafverteidiger ermöglicht, seinen Mandanten umfassendere Antworten auf ihre Fragen geben zu können, und es eröffnet den Weg
dazu, sich näher zu informieren, wenn das Besteuerungsverfahren auch Probleme bereitet. Und dies ist nicht selten der Fall. Die daraus folgende breitere Aufstellung kann man als Anwalt dabei auch besser zu Marketingzwecken verwenden. Das Buch liest sich dabei ganz schnell, doch man bekommt eine Menge an Informationen entgegengeworfen, so dass es einem ein wenig wie ein „Schweinsgalopp“ durch alle Besonderheiten vorkommt. Dies ist aber auch gut so, denn es verschafft einem dabei genau den Überblick, den man benötigt, um Sachen nochmal schnell nachzulesen oder mit einem anderen Buch zusammen am Fall vertiefen zu können, wenn man die Zeit hierzu findet. Durch Fallbeispiele am Ende des Buches wird es auch noch einmal mehr abgerundet.
In einer sehr systematischen Manier stellt der Autor hierbei die wichtigsten Aspekte immer sowohl aus Sicht des Besteuerungsverfahrens als auch aus Sicht des Strafverfahrens dar. Der Autor geht dabei zunächst auf den Steueranspruchs selbst ein und erläutert dann einmal die gesamten wesentlichen Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung in kurzem Umfang. Deren Kern ist auch die Frage des Bestehens des Steueranspruches überhaupt. Der Autor zeigt, was passiert, wenn im Besteuerungsverfahren ein Steueranspruch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht, wie Zweifel hier in diesem Fall zu behandeln sind und wer überhaupt die Beweislast für diesen Steueranspruch trägt.
Von dort aus baut er sodann eine Brücke in das Steuerstrafverfahren und stellt hierbei die Norm des §261 StPO ins Rampenlicht. Diese zentrale Norm erlaubt es nämlich dem Strafrichter, entgegengesetzt zur Finanzgerichtsbarkeit die Annahme eines Steueranspruches schlicht im Wege der freien richterlichen Beweiswürdigung festzustellen. Dem Strafverteidiger gibt er dabei aber auch hier Lösungsmöglichkeiten an die Hand, um divergierende Entscheidungen zu vermeiden, bei denen der Mandant im Strafverfahren verurteilt und Vermögenswerte eingezogen werden, während er aber im Besteuerungsverfahren keine Zahllast trägt. Auch wird auf die notwendigen Wahrscheinlichkeitsstufen insbesondere in Schätzungsfällen (vorgreiflich auf die späteren Kapitel zur Schätzung und zum abgabenrechtlichen Steuerarrest und den strafprozessualen Vermögensarrest) verwiesen. Daneben wird aber auch auf die Fragen des ungerechtfertigten Steueranspruches eingegangen und dem Verteidiger ein Rat dazu an die Seite gegeben, wie er die Prüfung vorzunehmen hat, ob denn tatsächlich ein Anspruch besteht. Auf den Steuerbescheid selbst wird ebenfalls näher eingegangen und erläutert, wie weit die Bestandskraft hier überhaupt geht, insbesondere bei Vorbehaltsbescheiden oder bei Vorläufigkeitsvermerk im Bescheid. Von dort wird wieder der Bogen zum Steuerstrafverfahren gespannt, bei dem erläutert wird, wie Steuerhinterziehungstatbestände die Bestandskraft wieder relativieren. Insbesondere der Kernaspekt der für eine Durchbrechung der Bestandskraft im Besteuerungsverfahren sorgen kann, nämlich die neue Tatsache, wird hierbei dezidiert durch den Autor herausgearbeitet. Dem Leser werden hierzu Beweislastfragen etwa dazu erläutert, wann denn eine Tatsache gar nicht neu ist, weil sie bereits bekannt ist oder als bekannt gilt. Selbstverständlich wird dabei auch erläutert, wer diesbezüglich überhaupt die generelle Beweislast trägt.
In einem eigenen Kapitel wird sodann auf die verschiedenen Fälle der Verjährung eingegangen, nämlich einerseits die steuerrechtliche Festsetzungsverjährung, die Frage, wann sie in Gang gesetzt wird, wodurch diese Frist gehemmt wird, wie z.B. Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung, die nichts mit Ermittlungsmaßnahmen im strafrechtlichen Sinne zu tun haben, sondern rein das Besteuerungsverfahren betreffen. Natürlich bleibt dabei zu beachten, dass hier ab Januar 2021 auch Fristenänderungen eingetreten sind, die hier nicht berücksichtigt sind, wie insbesondere bezüglich der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO und bei der Verfolgungsverjährung nach §376 AO. Doch nimmt man das Buch als eine Anleitung, die man selbst noch vertieft, kann man das Wissen hieraus ohne weiteres übertragen.
In einem eigenen Kapitel, welches ich bereits zuvor erwähnt habe, wird dabei auch sehr ausführlich auf die Schätzung eingegangen und dabei auch dem Leser das Prinzip der Schätzung, warum sie geschieht und wie man eine Schätzung anhand einer Dreistufenprüfung überprüfen kann, erläutert, wobei sodann bezüglich der konkreten Durchführung der Schätzung anhand einer Leitlinie gezeigt wird, in welchen Schritten die Schätzung durch die Finanzverwaltung zu erfolgen hat und welche Schätzungsmethoden die Finanzverwaltung 2/3 dabei regelmäßig anwendet. Etwas schade ist an dieser Stelle, dass die jeweiligen Schätzungsmethoden an sich nicht näher erläutert werden, denn insbesondere, wenn auf digitale Ziffernprüfungen wie die Benford-Verteilung, den Chi-Quadrat-Test, den Zeitreihenvergleich und die Quantilschätzung eingegangen würde, wäre es dem Strafverteidiger mit Sicherheit noch besser möglich, die Schätzungen durch das Finanzamt anzugreifen oder dem Mandanten zu erläutern. Besonders positiv fällt im Vergleich dabei aber auf, dass der Autor die notwendigen Überprüfungskriterien um eine Schätzung zu kontrollieren am Ende des Kapitels in einer eigenen Checkliste, in der man „Ja“ und „Nein“ ankreuzen kann, versieht. Mit dieser Checkliste lassen sich Angriffspunkte im Interesse des Mandanten mit Sicherheit viel leichter finden.
Sie ahnen es, liebe Leser: An dieser Stelle könnte ich Ihnen noch ewig weiter schildern, was der Autor alles in diesem Buch anspricht. Ein ähnliches Gefühl von „Das war jetzt aber viel auf einmal“ wie nach dem Lesen meiner Rezension werden Sie mit Sicherheit nach der Lektüre dieses Buches haben. Doch habe ich denjenigen unter Ihnen, die überlegen, sich dieses Buch zuzulegen, zeigen wollen, wie viel „Inhalt“ man aus diesem Buch herausbekommt. Von mir als Steuerstrafverteidiger gibt es darum einen klaren Daumen hoch und eine klare Kaufempfehlung. Insbesondere bin ich auch auf zukünftige Auflagen gespannt!
Dieter Hild
Steuerabwehr aufgrund eines Steuerstrafverfahrens
HDS Verlag 2018
254 Seiten; 69,90 Euro
ISBN 978-3-95554-432-4