Ein Geburtshelfer des Neoliberalismus

Deutsche Juristenbiographien, Teil 37: Friedrich August von Hayek (1899-1992)

Matthias Wiemers

Die Denkrichtung des Neoliberalismus wird heute für vieles verantwortlich gemacht, was als unerwünschte Entwicklung empfunden wird. Einer ihrer frühen Begleiter und Mitentwickler war der Ökonom Friedrich August von Hayek, der freilich als Jurist seine Ausbildung begann.
Friedrich August von Hayek wird am 8. Mai 1899 in Wien geboren. Ein Vorfahr war von Kaiser Joseph II. im Jahre 1789 geadelt worden, und der Vater ist zur Zeit der Geburt des ersten Sohnes als Arzt tätig, der allerdings eine Leidenschaft für naturwissenschaftliche Forschung entwickelt. August von Hayek wird zwar Privatdozent, aber kein Professor. Anders die Familie der Mutter, die eine Tochter des Statistikers und Rechtsprofessors Franz von Juranek ist, und auch die Familie Hayek weist mehrere Juristen auf. Über die Familie der Mutter ist Hayek mit dem Philosophen Ludwig Wittgenstein verwandt.
Religiös als Agnostiker zu qualifizieren, herrscht in der Familie ein bestimmter Forschergeist. Der Vater betreibt nebenberuflich biologische Studien. Friedrich August ist der älteste von drei Söhnen und teilt während der Schulzeit das Interesse für Biologie mit seinem Vater, ist aber ansonsten ein schlechter Schüler. Das Hobby des Vaters betreibt auch der Sohn und legt damit den Grundsein für wissenschaftliche Interessen, die bei dem Jugendlichen von der Biologie und Evolutionstheorie zur Psychologie reichen. Ab 1917 als Offiziersanwärter im Kriegseinsatz, bei dem ihm viel Zeit zur Lektüre bleibt, entdeckt Hayek die Wirtschaftswissenschaften und ist dabei zunächst auch von sozialistischen Schriften beeinflusst.
Das unmittelbar nach Kriegsende an der Universität Wien aufgenommene Rechtsstudium ist damals noch die unabdingbare Voraussetzung zum Studium der Wirtschaftswissenschaften, weil letztere in Wien noch kein eigenständiges Studienfach darstellen. In seinem dreijährigen Jurastudium hört Hayek Vorlesungen in Jura, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie, Philosophie, Kunstgeschichte und weiteres.
Dabei entfernt sich Hayek bereits von sozialistischen Idealen und gerät in der Einflussbereich der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, die er in Person von Friedrich von Wieser sowie seines Lehrers Ludwig von Mises (1881-1973) kennenlernt und deren Fortsetzer er wird. Aber auch die Wiener rechtstheoretische Schule in Person ihres Begründers Hans Kelsen lernt Hayek in Wien kennen. Im November 1921 schließt Hayek sein juristischen Studium mit der Promotion ab, wobei er hierzu keine Qualifikationsarbeit verfassen muss. In der Zwischenzeit war er für einige Wochen an der Universität Zürich gewesen, wo er u. a. Vorlesungen bei dem Philosophen und Erkenntnistheoretiker Moritz Schlick hört. Auch beschäftigt sich Hayek schon während des Studiums mit dem Werk von Ernst Mach und entwickelt bereits 1920 Ansätze zu einer Theorie des Bewusstseins.
Das Brotstudium ist nun beendet, und Hayek findet eine erste Anstellung in einer Behörde, die mit Kriegsfolgefragen beschäftigt ist. Zu seinen Vorgesetzen zählt Ludwig von Mises, Privatdozent für Ökonomie an der Wiener Universität. Parallel zu seiner Tätigkeit in der Behörde setzt Hayek seine Studien fort, die nunmehr im Schwerpunkt die Ökonomie betreffen. Als Lehrer sind die Ordinarien Carl Menger und Friedrich von Wieser zu nennen, daneben der Philosoph Moritz Schlick. In Auseinandersetzung mit dem Ökonomen Othmar Spann entsteht zwar ein Debattier- und Freundeskreis jüngerer Ökonomen, aber am Ende erlangt Hayek ein staatswissenschaftliches Doktorat im Jahre 1923 bei Spann und Kelsen. Ein Empfehlungsschreiben Joseph Alois Schumpeters ebnet den Weg zur Fortsetzung des Studiums an der Universität Chicago. Nach einem Jahr zurückgekehrt nach Wien, wird Hayek Mitglied des legendären Privatseminars Ludwig von Mises´, das dieser neben seiner Tätigkeit in der Wiener Handelskammer abhält. Nachdem er bereits 1927 in Wien ein Institut für Konjunkturforschung gegründet hat, habilitiert sich Hayek 1929 mit einer Arbeit über „Geldtheorie und Konjunkturtheorie“. In der Folgezeit beginnt die Auseinandersetzung mit den Lehren von John Maynard Keynes, und ab 1931 hält er Vorlesungen an der London School of Economics and Political Science. Im Folgejahr wird Hayek als erstem Ausländer überhaupt ein Lehrstuhl an der LSE angeboten. Eine wichtige, auch gegenwärtig gewichtige Erkenntnis, gewinnt Hayek Mitte der 1930er Jahre, als er in der Auseinandersetzung mit Überlegungen zur Planwirtschaft den Glauben zurückweist, wonach sich auch in einer Planwirtschaft Wettbewerb organisieren ließe.
Als Geburtsstunde des Neoliberalismus gilt ein im Sommer 1938 in Paris durchgeführtes Kolloquium, dem Colloque Walter Lippmann, an dem etwa 30 liberale Wissenschaftler und Publizisten teilnehmen. Der Neo-Liberalismus wendet sich ab von seinem Vorläufer, indem er das von diesem betonte laisser faire ablehnt und die Bedeutung einer staatlich gesetzten Rahmenordnung für wirtschaftliches Verhalten betont. Dabei untersucht Hayek auch stets die Entstehung (spontaner) Ordnungen ohne staatliche Rechtssetzung.
Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich führt im gleichen Jahr zur Annahme der britischen Staatsbürgerschaft.
Ein gewichtiges Werk, das die seinerzeit jüngsten politischen Entwicklungen aufnimmt, erscheint 1944. The Road to Serfdom (dr. „Der Weg zur Knechtschaft“). Im Jahre 1947 wird Hayek zentrale Figur bei der Gründung der Mont Pelerin Society, einem Treffen liberaler Intellektueller am Fuße des gleichnamigen Berges in der Schweiz.
1950 wechselt Hayek für elf Jahre Jahre als Professor für Social and Moral Sciences an die Universität von Chicago, wo er u. a. mit seinem liberalen Mitstreiter Milton Friedman zusammenarbeitet. In Freiburg (1962 – 1968) übernimmt Hayek einen neuen Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik die Leitung des Walter Eucken Instituts und beschäftigt sich wieder verstärkt mit rechtsphilosophischen Fragen, aber zugleich auch mit Wirtschaftstheorie.
1960 erscheint mit „Die Verfassung der Freiheit“ das zweite Hauptwerk Hayeks. 1969 erfolgt dann der Wechsel an die Universität Salzburg, was 1974 zum altersbedingten Entzug der Lehrbefugnis führt. Im selben Jahr erhält er den Nobelpreis für Ökonomie, wo er in seiner Dankesrede „The Pretence of Knowledge“ einen zentralen Punkt seiner Lehre beleuchtet, wonach es unmöglich sei, sich Wissen anzumaßen, um damit Wirtschaft und Gesellschaft zu steuern. Hayek geht stets davon aus, dass sich „spontane Ordnungen“ aus der Interaktion der Individuen bilden. 1977 kehrt Hayek noch einmal nach Freiburg zurück.
Am 23. März stirbt der Agnostiker in Freiburg und wird auf dem katholischen Friedhof Neustift in Wien beigesetzt. Gerade in den 1980er Jahren, in denen Hayek kaum noch publiziert und am Ende krank und schwach ist, werden seine Ideen von den Regierungen Margareth Thatchers und Ronald Reagans aufgenommen.
Neoliberalismus, um darauf zurückzukommen, ist ein Sammelbegriff von Strömungen der Wirtschaftstheorie, zu der auch die österreichische Schule der Nationalökonomie und damit Friedrich August von Hayek rechnen. In Deutschland ist daraus die Soziale Marktwirtschaft als „Dritter Weg“ zwischen einem Liberalismus des Laisser Faire und einer Zentralverwaltungswirtschaft entstanden.
Hayek wandte sich in seiner Lehre stets gegen die Vorstellungen einer möglichen Herstellung von „sozialer Gerechtigkeit“ aufgrund der (fälschlichen) Annahme, der Staat könne das ökonomische Verhalten aller steuern. Die damit verbundene Vorstellung von „Machbarkeit“ führt Hayek auf die von ihm so genannte „Anmaßung von Wissen“ zurück, die er als eine Illusion entlarvt. Die Lektüre seiner Schriften lohnt sich gerade in der heutigen Zeit.
Die bekanntesten Hayek´schen Werke sind „Der Weg zur Knechtschaft“ (1944) und „Die Verfassung der Freiheit“ (1960), das in mindestens seinem zweiten Teil „Freiheit und Gesetz“ einen Beitrag zur Rechtsphilosophie darstellt. Noch deutlicher kann man dies von der Trilogie „Recht, Gesetz und Freiheit“ (1973-1979) sagen.

Quellen (u. a.): Hans Jörg Hennecke, Friedrich August von Hayek zur Einführung; Karen Ilse Horn, Hayek für jedermann. Die Kräfte der spontanen Ordnung, Frankfurt 2013

Veröffentlicht von on Apr 26th, 2021 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT HISTORISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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