Strafrecht in einem Griff

Der „Matt/Renzikowski“ wurde im vergangenen Jahr erneut aufgelegt

Matthias Wiemers

Wenn man früher die oft schwer lesbaren knappen Kommentare zum StGB, den (damaligen) „Dreher/Tröndle“ und den „Lackner“ scheute und einen etwas ausführlicheren Kommentar suchte, kam in den 1990er Jahren im Prinzip nur der „Schönke/Schröder“ in Betracht. Gegenwärtig ist – wie auch bei den Lehrbüchern – das Angebot wesentlich breiter.
Unter den einbändigen Kommentaren zum Strafgesetzbuch ist vor etwa einem Jahr der erstmals 2013 erschienene Kommentar von Matt und Renzikowski erneut aufgelegt. Holger Matt ist Strafverteidiger und Honorarprofessor in Frankfurt am Main, und Joachim Renzikowski Ordinarius in Halle. Die beiden Herausgeber werden von insgesamt 27 Mitautoren aus Wissenschaft und Praxis unterstützt, und der Kommentar trägt eine Werbebanderole mit der Aufschrift „2020 mit Schwerpunkt auf dem Wirtschaftsstrafrecht“. Könnte man zunächst etwas salopp meinen, dann sei der Kommentar in Frankfurt besonders gut verortet, so muss man aber sagen, dass es gerade das Wirtschaftsstrafrecht ist, das in der letzten Zeit immer wieder Änderungen des StGB erfordert – und diese Änderungen sind oftmals auf neue strafrechtliche Phänomene im Zusammenhang mit der Digitalisierung wie auch überhaupt der Entwicklung von Straftaten, die sich auf den Umgang mit Informationen beziehen, zurückzuführen.
Die Herausgeber betonen im Vorwort, dass die wirtschaftsstrafrechtlichen Tatbestände schon in der ersten Auflage besonders ausführlich behandelt wurden. Ein Blick in den Kommentar widerlegt diese Feststellung nicht. Auch muss die gute Lesbarkeit betont werden. Nehmen wir etwa den in der unternehmerischen Praxis besonders wichtigen § 266a StGB über das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, der in anderen Kommentierungen regelmäßig recht knapp behandelt wird, aber in der Praxis von besonderer Bedeutung ist. Setzt man die Brille des Sozialrechts auf, so kann diese Vorschrift des Kernstrafrechts als die strafrechtliche Ergänzung des SGB IV bezeichnet werden. Und die Kommentierung nimmt die Beziehungen zwischen den Rechtsgebieten durchaus in den Blick, wenn es etwa zum Begriff des Arbeitgebers heißt: „Sowohl bei öffentlich-rechtlichen als auch bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen ist Arbeitgeber der nach §§ 611 ff. BGB Dienstberechtigte, dh Arbeitgeber ist folglich derjenige, dem der Arbeitnehmer gem. § 611 ff. BGB nicht selbständige Dienste in persönlicher Abhängigkeit leistet. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Begriff des Arbeitgebers im Rahmen von § 266a, was angesichts der Rechtsgutbestimmung konsequent ist, sozialrechtlich zu bestimmen, wobei das Sozialversicherungsrecht wiederum auf das Arbeitsrecht Bezug nimmt.“ (Matt, in: Matt/Renzikowski, § 266a, Rdnr. 16)
Trotz der gut lesbaren und klar gegliederten Kommentierungen weist der Kommentar durchaus interne Verweisungen auf, die platzsparend wirken. Besonders fällt dies bei den §§ 299a und 299b auf, die aufgrund des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 30. Mai 2016, wobei die zweite der Vorschriften wesentlich knapper kommentiert wurde, indem auf die Kommentierung der ersten verwiesen wird. Dabei findet der Kommentator (Stefan Sinner) den Raum, das Änderungsgesetz im Zusammenhang zu erklären, so dass auch die rechtspolitischen Entwicklungen der letzten Jahre hier deutlich hervortreten.
Der gut 3000 Seiten umfassende Kommentar füllt eine Lücke zwischen dem jährlich erscheinendem „Fischer“ und den Großkommentaren und kann von wirtschaftsrechtlich tätigen Kanzleien kaum entbehrt werden. Aber auch wer in der Lehre tätig ist und seinen Studierenden Zusammenhänge näherbringen möchte, braucht ein solches, umfassenderes Werk.

Matt/Renzikowski, StGB (kommentar), 2. Auflage 2020, Vahlen Verlag, 259 Euro, ISBN 978-3-8006-4981-5.

Veröffentlicht von on Jun 7th, 2021 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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