Ein Karrierejurist im Dritten Reich

Deutsche Juristenbiographien, Teil 39: Werner Best (1903-1989)

Matthias Wiemers

Wenn in dieser Rubrik immer wieder bekannte Juristen mit einer besonderen „Karriere“ vorgestellt werden, so wäre die Darstellung auf Dauer unvollständig, wenn nicht auch diejenigen vorgestellt würden, deren Nachahmung nicht zu empfehlen ist. Kaum ein Karrierejurist des „Dritten Reichs“, der auch in der Bundesrepublik noch juristisch tätig war, ist so gut erforscht, wie der Charakter Werner Best. Deshalb werden wir ihn hier etwas ausführlicher als üblich darstellen.

Kindheit und Jugend
Karl Rudolf Werner Best wird am 10. Juli 1903 in Darmstadt als Sohn eines Postinspektors geboren. Aufgrund beruflicher Versetzung des Vaters verbringt er große Teile seiner Kindheit im schlesischen Liegnitz und in Dortmund. Der Vater, ein Reserveoffizier, stirbt bereits in den ersten Wochen des Ersten Weltkriegs in einem Lazarett nahe der Westfront. Die Mutter zieht darauf mit den beiden Söhnen Werner und Walter (geb. 1905, später ein nationalsozialistischer Schriftsteller), zurück nach Rheinhessen, nach Gonsenheim bei Mainz.
Der Jugendliche Best wächst zwar in behüteten Verhältnissen auf, muss aber den mit dem Tod des Vaters verbundenen sozialen Abstieg und die unmittelbar bei Kriegsende erfolgte Besetzung seiner Heimatstadt durch französische Truppen erleben.
Er findet Anschluss an die Jugendbewegung und gründet im Sommer 1919 die Ortsgruppe Mainz des Deutschnationalen Jugendbundes. Best bewegt sich auch sonst im rechtskonservativen wie rechtsradikalen Milieu und wirkt an der Gründung der Mainzer Ortsgruppe des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes wie an der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) mit. Im Jahre 1921 schließt er die Schule mit dem Abitur ab und schreibt sich an der Universität Frankfurt für das Fach Rechtswissenschaften ein.

Studium und Widerstand
In Frankfurt bleibt Best in deutschnationalen Kreisen, so etwa in der DNVP-Jugendorganisation, aktiv, deren politischer Kampf vornehmlich der Bekämpfung des Versailler Friedensvertrages und der anhaltenden Besetzung des westrheinischen Deutschlands gilt. Frankfurt markiert aber für Best einen neuen Abschnitt in der verbandsmäßigen Betätigung. Er wird Mitglied des Deutschen Hochschulrings an der Frankfurter Universität, einer national-konservativen, nach dem Weltkrieg gegründeten und an den Hochschulen dominierenden Organisation zur studentischen Mitverwaltung. Über den Hochschulring, der regelmäßig politische Schulungsveranstaltungen durchführt, erlangt Best Querverbindungen zu anderen Parteien (DVP, DDP, Zentrum) und wird auf Reichsebene in den „Führerrat“ gewählt. Er leitet sodann das „Rheinlandamt“ des Deutschen Hochschulrings und ist in diversen anderen Organisationen in der Region tätig.
Neben der Aktivität im Hochschulring ist Best in einer „Widerstandsgruppe Frankfurt“ gegen die Besatzungsmächte tätig. Das Sommersemester 1922 studiert er in Freiburg, kehrt dann aber wieder nach Frankfurt zurück und wohnt in Offenbach, im Wintersemester 23/24 wechselt er an die Universität Gießen, die traditionelle Landesuniversität des früheren Großherzogtums und jetzigen „Volksstaats“ Hessen, zu dem auch Rheinhessen gehört.
Der Kampf gegen die Besatzungsbehörden, die im Jahre 1923 wieder das gesamte Ruhrgebiet besetzen, wird das prägende Erlebnis des jungen Best. Er wird wiederholt verhaftet und auch verurteilt, allerdings aufgrund eines Gnadenerlasses vorzeitig entlassen.
Bereits im Mai 1925 macht Best sein Examen, wird im Herbst 1927 mit einer arbeitsrechtlichen Arbeit promoviert und schließt sein in Hessen abgeleistetes Referendariat mit guten und sehr guten Noten ab. Best ist einer der besten Studenten seines Prüfungsjahrgangs, und nicht zuletzt aufgrund seiner guten Beziehungen steht ihm eine glänzende juristische Karriere bevor.
Doch Best engagiert sich nun gegen die Weimarer Republik, ist in rechtsradikalen Kreisen aktiv und verlässt die DNVP.
Hat Best sich bereits als Student publizistisch vor allem in der Tagespresse betätigt, setzt er dies nun auch in wissenschaftlichen Publikationen sowie völkischen Zeitschriften fort.

Erste Karriereschritte in der Weimarer Republik
1929 wird Best Gerichtsassessor am Amtsgericht Gernsheim und heiratet im Folgejahr Hildegard Regner, mit der er fünf Kinder haben wird. Das Paar zieht nach Darmstadt, und Best tritt der NSDAP bei. Die NSDAP entspricht zwar nicht seinen elitären Vorstellungen, jedoch erkennt Best eine Übereinstimmung des Parteiprogramms mit den völkischen Organisationen, denen er bisher angehört hat. Best gelingt es, zahlreiche Jungakademiker aus dem Hochschulring mit in die Partei zu nehmen, die sogleich eine gewisse Hausmacht Bests bilden. Sogleich wird Best Rechtsberater des NSDAP-Gaues Hessen-Darmstadt.
Im Jahr 1931 wird Best in den Landtag gewählt. Aufgrund eines Skandals um die so genannten Boxheimer Dokumente wird er jedoch nicht Fraktionsvorsitzender, zieht allerdings im Hintergrund die Fäden. Die von Best verfassten Dokumente spielten mit dem Gedanken einer Machtübernahme durch die NSDAP aufgrund eines fiktiven kommunistischen Aufstands. Sie verstoßen einerseits gegen den damaligen Legalitätskurs der NSDAP und führen zu einem Ermittlungsverfahren gegen Best, der daraufhin von seinem Richteramt suspendiert wird. Im Folgejahr wird allerdings das Verfahren eingestellt.
Noch 1931 tritt Best in die SS ein, die seinen elitären Vorstellungen eher entspricht als die SA.

Vorkriegskarriere im „Dritten Reich“
Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Januar 1933 wird Best zum Sonderkommissar für das Polizeiwesen in Hessen ernannt. In der hessischen Polizei werden zahlreiche Beamte entlassen und SA-Leute zu Hilfspolizisten ernannt. Best achtet jedoch darauf, dass die SA unter dem Befehl der Polizei steht und eigenständige Polizeiaktionen der SA verhindert werden. Seinem elitären Verständnis entsprechend, gibt er unpolitischen Fachleuten – Juristen oder ausgebildeten Polizisten – auch in der regulären Polizei den Vorzug vor Parteileuten. Aufgrund eines Konfliktes mit dem NS-Reichsstatthalter löst er gar die Hilfspolizei wieder auf.
In Darmstadt errichtet Best das Hessische Staatspolizeiamt, die erste von der allgemeinen Polizei geschiedene politische Polizei im gesamten Reich. Wohl aufgrund einer Intrige des Reichsstatthalters in Hessen endet Bests Karriere in Hessen noch im Sommer 1933.
Heinrich Himmler, schon damals „Reichsführer SS“ und „Chef der Polizei in Bayern“, holt Best zunächst zu sich nach München und plant mit ihm den Aufbau einer reichseinheitlichen Polizei. 1934 wird Best zum Organisationschef des „Sicherheitsdienstes“ (SD) der politischen Polizei.
In dieser Eigenschaft ist Best an den Vorgängen um den so genannten Röhm-Putsch beteiligt und wird nach Abschluss dieser Mordaktion an politischen Gegnern von Himmler zum Obersturmbannführer der SS ernannt.
Inzwischen mit Himmler in Berlin, baut Best dort die Reichspolizei mit auf. Er wird innerhalb kurzer Zeit „Organisator, Personalchef und Ideologe der Gestapo“, wie es sein Biograph Ulrich Herbert zusammengefasst hat.

Theoretiker von Polizei und Judenverfolgung
Die Funktion als Ideologe der Gestapo kommt in der Folgezeit nicht nur in der Ausarbeitung eines Lehrbuchs zum Polizeirecht (1940) zum Ausdruck, sondern bereits Mitte der Dreißigerjahre in der theoretischen Fundierung des Instruments der „Schutzhaft“, die in den ersten Konzentrationslagern wie Dachau vollzogen wird. Die polizeiliche Schutzhaft unterliegt nach Best reinen Zweckmäßigkeitserwägungen und wird von anderen Haftformen aus dem Bereich des Strafvollzugs unterschieden. Schutzhaft sei ein polizeiliches und dauerhaftes Verfahren jenseits des Rechts. Erinnerungen an Guantanamo werden wach.
Lehnt Best in der Personalpolitik der Polizei die Einstellung formal unqualifizierter SA-Leute ab, so versucht er auch, die Repressalien gegen Juden juristisch-systematisch und verwaltungstechnisch zu erfassen. Er hat deshalb Anteil an der Vorbereitung der Nürnberger Rassegesetze von 1935. Insofern lehnt Best auch die Novemberpogrome von 1938 ab und tritt für die Aussonderung von Juden von der übrigen Bevölkerung, für Ghettoisierung und Auswanderung (Arisierung, Reichsfluchtsteuer) ein.

Aufstellung von Einsatzgruppen und Ende im Reichssicherheitshauptamt
Eine erst in den dreißig zwanzig Jahren vermehrt erforschte Seite der nationalsozialistischen Herrschaft in den besetzten Gebieten betrifft die so genannten Einsatzgruppen der Polizei, die hinter den Truppen der Wehrmacht Verhaftungen von zuvor ermittelten Personen vornahmen und diese sodann erschossen oder in Konzentrationslager verbrachten. An der Aufstellung solcher Einsatzgruppen, die jeweils unter der Führung eines so genannten Höheren Polizei- und SS-Führers standen, ist Best maßgeblich beteiligt. Diese Einsatzgruppen werden bereits 1938 in Österreich und dem Sudetenland, später in Polen und im gesamten Osten tätig.
Best setzt sich auch im inzwischen errichteten Reichssicherheitshauptamt bevorzugt für die Einstellung von qualifizierten Juristen oder zumindest für ausgebildete Polizeibeamte ein. Er erweist sich dabei als Verfechter des „Juristenmonopols“ in der öffentlichen Verwaltung und stößt dabei auf den zunehmenden Widerstand seiner Vorgesetzten Himmler und Heydrich. Aufgrund dieser unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten meldet sich Best Ende 1940 freiwillig – inzwischen im Range eines SS-Brigadeführers – zur Wehrmacht

Militärverwaltung in Frankreich und Dänemark
Ohne umfassende militärische Ausbildung, aber aufgrund seines SS-Rangs im Rang eines Generalmajors bzw. Ministerialdirektors tritt Best in die Verwaltung des Militärbefehlshabers in Frankreich ein und wird Leiter der Abteilung „Verwaltung“. Damit nimmt er die Stellung einer Art Über-Innenministers gegenüber den französischen Behörden der Vichy-Regierung ein. Der auch hier seine Aufgabe theoretisch reflektierende Best etabliert damit eine Art Aufsichtsverwaltung gegenüber den Franzosen.
Das Konzept der Aufsichtsverwaltung wird erschüttert durch die seit 1941 zunehmenden Attentate der französischen Resistance, die von Hitler geforderte Vergeltungsmaßnahmen der deutschen Besatzungsbehörden provozieren. Best kann sich hier zunehmend nicht mehr durchsetzen und verlässt Frankreich in Richtung Dänemark, wo er, inzwischen SS- Gruppenführer, Statthalter des Deutschen Reichs wird.
Auch hier versucht Best, eine Art Aufsichtsverwaltung zu organisieren bzw. aufrechtzuerhalten. In Dänemark besteht nicht nur die Monarchie weiter fort, sondern auch die Armee ist nicht entwaffnet. Im Jahre 1943 nimmt allerdings auch in Dänemark der Widerstand der Bevölkerung zu, so dass Hitler – gegen den Willen Bests – den Ausnahmezustand verhängt. Es gelingt ihm hier nicht mehr, eine neue Form der Mitverwaltung zu etablieren. Die im Zuge von Deportationen dänischer Juden und zunehmender Sabotageaktionen des dänischen Widerstands eskalierte Lage gipfelt in einem Generalstreik in der Hauptstadt Kopenhagen. Im folgenden Belagerungszustand verhält sich Best so, wie er es für zweckmäßig hält und leistet deshalb Widerstand gegen Anordnungen Hitlers, zu massiven Geiselerschießungen überzugehen
Bei Kriegsende versucht Best, Flüchtlinge aus Pommern und Ostpreußen über Dänemark gelangen zu lassen. Nach der Teilkapitulation der Wehrmacht am 4. Mai ergibt sich Best den dänischen Behörden, die ihn am 21. Mai verhaften.

Prozesse und Nachkriegskarriere
Auch wenn im vorstehenden Text einmal das Wort „Widerstand“ auftaucht, war Best selbstverständlich kein Widerstandskämpfer, sondern erheblich belastet. Am Ende ist er als SS-Obergruppenführer einer der ranghöchsten Nationalsozialisten, kann sich aber einer Verfolgung weitgehend entziehen.
1946 ist Best als Zeuge der Verteidigung vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg tätig, wo es ihm gelingt, die tatsächlichen Verhältnisse im System von SS und Polizei zu verschleiern.
Im Folgejahr aus Nürnberg entlassen, wird Best in Dänemark vor Gericht gestellt und 1948 erstinstanzlich zum Tode verurteilt. Im Berufungsverfahren gelingt es seiner Verteidigung jedoch, seine Rolle bei der Deportation der dänischen Juden günstig darzustellen, weswegen die Strafe auf fünf Jahre Freiheitsentzug reduziert wird. Erst aufgrund öffentlicher Proteste erhöht das oberste dänische Gericht die Strafe wieder auf zwölf Jahre, wobei die Haft auf Druck der Bundesrepublik schon 1951 beendet wird.
Nach Deutschland abgeschoben, wird Best zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Rechtsanwaltskanzlei von Ernst Achenbach in Essen und verfolgt dort gemeinsam mit dem nationalliberalen FDP-Politiker Achenbach das Ziel der Rehabilitierung von NS-Tätern.
Best setzt sich auch für eine Generalamnestie für NS-Taten ein
Im Jahre 1953 tritt Best in das Unternehmen von Hugo Hermann Stinnes in Mühlheim an der Ruhr ein, wo er Mitglied des Direktoriums und Justiziar wird. Er steigt dabei in das höhere Bürgertum auf. Die Tätigkeit endet mit dem Konkurs des Unternehmens im Jahre 1971.
Während jahrzehntelanger Tätigkeit für ehemalige Nationalsozialisten, denen Best unzählige „Persilscheine“ ausstellt, gelingt es ihm nicht, selbst erfolgreich entnazifiziert zu werden, was zu einer Rückkehr in den öffentlichen Dienst hätte führen können.
Im Jahre 1963 rückt die Justiz mit den Prozessen betreffend das Reichssicherheitshauptamts auch Best näher.
Allerdings war es inzwischen zu einer Strafrechtsreform gekommen, die 1975 in Kraft trat, während ein wichtiges Detail der Reform, nämlich die Strafbarkeit der Beihilfe zu Mord, bereits 1968 geregelt wurde. Infolgedessen waren die meisten Taten der Mitarbeiter des RSHA verjährt.
Zu einer Strafverfolgung als Haupttäter kommt es ab 1969, für die Aufstellung von Einsatzgruppen für den Polenfeldzug. Zwar wird 1971 die Eröffnung eines Hauptverfahrens vorbereitet, aber Best zunächst aus der Untersuchungshaft entlassen, weil Best – nach 1945 zum zweiten Mal – mit Depressionen auf die Haft reagiert und man von Haftunfähigkeit ausgeht. Zwar erhebt die Staatsanwaltschaft Berlin 1972 Anklage, jedoch wird das Hauptverfahren mit Verweis auf die Gesundheit Bests nicht eröffnet – bis 1989. Aber da ist Dr. iur Werner Best bereits gerade verstorben.

Quellen:
– Ulrich Herbert, Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft (1903 – 1989)
– sowie der vorzügliche Eintrag bei Wikipedia, der weitgehend auf Herbert beruht

Veröffentlicht von on Jun 28th, 2021 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT HISTORISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

Hinterlassen Sie einen Kommentar!