Ein persönlicher Rückblick
Thomas Claer
Da hat einer sein zweites juristisches Staatsexamen, das muss man sich einmal vorstellen, als Drittbester seines Jahrgangs abgelegt, promoviert, anschließend ein paar Jahre als Justitiar beim ZDF gearbeitet – und kehrt dann der Rechtswissenschaft für immer den Rücken. Irgendwann sagte jemand, als der junge Justitiar in der Kantine fortwährend Witze erzählte: „Was macht der eigentlich in der Rechtsabteilung? Wieso steht der nicht vor der Kamera?!“ Und so kam es dann schließlich auch. Alfred Biolek wurde Fernsehunterhalter, Showmaster, Talkmaster, Fernsehkoch. Und als solcher war er eines der prägenden Fernsehgesichter meiner Kindheit und Jugend. Was mir und allen in meiner Familie als erstes ins Auge sprang, als wir um 1980 herum manchmal „Bio’s Bahnhof“ guckten, war, dass er eine frappierende Ähnlichkeit mit meinem Onkel Karl in Karl-Marx-Stadt hatte: das vorstehende Kinn, die markante Kopfform, die Nase leicht nach unten gebogen, die listigen kleinen Augen hinter den runden Brillengläsern, ja sogar seine Gestik, Mimik und Bewegungen. Bioleks Familie stammte aus Freistadt in Österreichisch-Schlesien, heute Tschechien, was ja gar nicht so weit von Sachsen entfernt ist. Vielleicht gibt es da ja tatsächlich eine weitläufige genetische Verbindung…
Was Alfred Biolek neben der Juristerei besonders gut konnte, war die hohe Kunst des Plauderns. Wenn er die Gäste in seinen Sendungen befragte, dann trieb er sie niemals in die Enge. Bohrendes Insistieren und aggressives Nachfragen lagen ihm fern. Stets blieb er höflich und taktvoll, strahlte eine überwältigende Menschenfreundlichkeit aus. In den Neunzigern allerdings schaute ich mir seine Sendungen einige Jahre lang nicht mehr an, weil ich sie zu seicht fand. Wahrscheinlich bin ich in jenen Jahren eine Art „angry young man“ gewesen, doch das hielt nicht lange an. Über seine Kochsendung „Alfredissimo“ fand ich zurück in die Spur.
Die Schlusspointe dieses Nachrufs sollte eigentlich sein, dass ich ihm mein Linsensuppe-mit-Tomaten-Rezept verdanke. Aber das stimmt gar nicht. Dieses Rezept muss, wie mir mit etwas Nachdenken bewusst wird, aus dem anderen der beiden Kochbücher stammen, die ich damals in meinem Studentenwohnheim-Zimmer stehen hatte: aus „Aldidente. Die besten Rezepte mit Aldi-Produkten“. Die Biolek-Rezepte sind mir hingegen immer zu umständlich gewesen, so dass die zwei Mark, die mich das Biolek-Kochbuch auf dem Bielefelder Flohmarkt vor mehr als 25 Jahren gekostet hat, sich zumindest bisher leider als Fehlinvestition erwiesen haben. Aber vielleicht ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen, jetzt, wo ich deutlich mehr Zeit habe. Und als – allerdings sehr traurig stimmender – Anlass hierzu könnte dienen, dass am vergangenen Freitag der große Unterhalter Alfred Biolek, unser hochgeschätzter Juristen-Kollege, gewissermaßen… den Kochlöffel abgegeben hat.
P.S.: Meine Frau sagt, wir hätten doch ein Rezept aus dem Biolek-Kochbuch übernommen: den italienischen Kartoffelsalat mit Oliven und Lauch. Bin mir da allerdings nicht sicher und werde es bei Gelegenheit mal überprüfen.