Deutsche Juristen-Biographien, Teil 40: Hans Otto Bräutigam (geb. 1931)
Matthias Wiemers
Ein weltoffenes Studium in bewegter Zeit führt den jungen Hans Otto Bräutigam in die verfassungs- und völkerrechtlichen sowie politischen Probleme der frühen Bundesrepublik. Die „Deutsche Frage“ wird anschließend zu seinem Beruf. Insgesamt neun Jahre ist er in der „Ständigen Vertretung“ in (Ost-) Berlin tätig.
Als Sohn eines Chemikers, dessen Vater wiederum Richter gewesen war, wird Hans Otto Bräutigam am 6. Februar 1931 in Völklingen an der Saar geboren und wächst vor allem im hessischen Wetzlar auf. Die katholische Familie stammt eigentlich aus dem Sauerland, wohin die Familie ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs übersiedelt. In Meschede macht Bräutigam im Jahre 1950 das Abitur und beginnt sodann in Münster eine Banklehre. Als er ein Jahr später einen Studienplatz in München erhält, beginnt er dort das Jurastudium und wechselt – wie Generationen von Juristen vor ihm – im Sommersemester 1953 zur Examensvorbereitung nach Bonn. Nach sechs Semestern besteht Bräutigam das Referendarexamen und wird für zwei Semester „Hilfsassistent“ im Bereich des Öffentlichen Rechts. Danach nimmt er erneut ein Studium auf, das ihn für insgesamt zwei Jahre an die Universität Paris und die Harvard Law School führt. Die Zeit im Ausland nutzt Bräutigam vor allem zu völkerrechtlichen Studien und fertigt eine Dissertation zur ewigen Neutralität Österreichs an, die er im April 1958 in Bonn einreicht.
Im Herbst 1957 beginnt die Referendarzeit im Münsterland, die ab Sommer 1958 in Heidelberg fortgeführt wird – bei gleichzeitigem Aufenthalt am dortigen Max-Planck-Institut für Öffentliches Recht und Völkerrecht. Die Assistententätigkeit im Institut bei Hermann Mosler bringt Bräutigam zum ersten Mal in Berührung mit der deutschen Frage. Nach Assessorexamen und Heirat bewirbt sich Bräutigam um Aufnahme in den Auswärtigen Dienst und wird sodann dort zwei Jahre ausgebildet. Nach der Abschlussprüfung wird der nunmehrige Legationssekretär in das Büro des Außenministers Gerhard Schröder versetzt, wo er bis Sommer 1966 bleibt. Es folgen drei Jahre an der deutschen Botschaft in London und sodann 1969 die Versetzung in das Referat „Deutschland- und Berlinpolitik“ im Auswärtigen Amt. Es ist die Zeit der beginnenden Neuausrichtung der deutschen Politik im Verhältnis zu den Staaten des Warschauer Pakts bzw. der „Deutschlandpolitik“. Ein wichtiger Teil der „neuen Ostpolitik“ der Regierung Brandt-Scheel wurde der „Deutschlandvertrag“ zwischen den beiden deutschen Staaten, dessen Folge auch die Errichtung von jeweils „Ständigen Vertretungen“ in Bonn und Berlin war. In Berlin wird Bräutigam ein wichtiger Mitarbeiter des ersten „Ständigen Vertreters“ Staatssekretär Günter Gaus und wechselt dabei 1973 zu diesem ins Kanzleramt. Von 1974 bis 1977 ist er in der von ihm miterrichteten Ständigen Vertretung in der Hannoverschen Straße (heute Berliner Sitz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung) tätig und wechselt von 1977 bis 1982 zurück ins Auswärtige Amt, wo er den Arbeitsstab Deutschlandpolitik leitet. Von 1982 bis 1988 ist Bräutigam dann selbst „Ständiger Vertreter“ in Berlin und wechselt Anfang 1989 auf eigenen Wunsch als deutscher Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen nach New York – nicht ahnend, welch ereignisreiches Jahr in Deutschland er verpassen würde. Nach dem Vollzug der Wiedereinigung holt ihn sein aus zahlreichen Begegnungen in Ost-Berlin alter Bekannter Manfred Stolpe Ende 1990 als Justiz- und Europaminister in die Brandenburgische Landespolitik. Dort ist Bräutigam auch für die Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund zuständig und bleibt bis 1999. Er lebt heute mit seiner Frau in Berlin.
Quelle: Hans Otto Bräutigam, Ständige Vertretung. Meine Jahre in Ost-Berlin, 2009