Der Kommentar zum neuen SGB XIV von Benjamin Schmidt in Erstauflage
Ludwig Deist
Bisher kannte man das nur aus manchen Hotels, in denen es kein Zimmer Nr. 13 gibt, weil abergläubische Gäste es niemals buchen würden. Auf Zimmer Nr. 12 folgt dort gleich das Zimmer Nr. 14. Ganz ähnlich ist es jetzt auch im Sozialgesetzbuch gekommen. Nach dem SGB XII hat unser Gesetzgeber schon im Dezember 2019 – als Art. 1 des Gesetzes zur Regelung des sozialen Entschädigungsrechts – das SGB XIV erlassen, das in Deutschland bis zum 1. Januar 2024 schrittweise das Recht der sozialen Entschädigung neu regeln wird. Zu diesem Zeitpunkt werden insbesondere das Bundesversorgungsgesetz (BVG) und das Opferentschädigungsgesetz (OEG) aufgehoben. Bereits rückwirkend zum 1. Juli 2018 sind einzelne Änderungen im BVG und OEG über höhere Waisenrenten, Überführungs- und Bestattungskosten sowie die Gleichstellung von in- und ausländischen Gewaltopfern in Kraft getreten.
Der Hintergrund ist, dass das derzeit noch geltende soziale Entschädigungsrecht, beruhend auf dem Bundesversorgungsgesetz aus dem Jahr 1950, das für Kriegsgeschädigte, ihre Angehörigen und Hinterbliebenen geschaffen wurde, mittlerweile – mehr 70 Jahre nach Kriegsende – als historisch überholt gilt. Das neue SGB XIV soll sich hingegen an den Bedürfnissen der Opfer von Gewalttaten und Terrorismus ausrichten. Als Auslöser der geplanten Neuregelungen gilt der Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche im Dezember 2016.
Das SGB XIV soll nun nach und nach die Ansprüche von Personen regeln, die durch bestimmte schädigende Ereignisse unmittelbar eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben. Potenziell anspruchsberechtigt sollen auch Angehörige, Hinterbliebene und andere Personen sein, die den Geschädigten nahestehen oder nahestanden.
Als schädigende Ereignisse im Sinne des Gesetzes gelten gemäß § 1 Abs. 2, §§ 14, 15 SGB XIV körperliche Gewalttaten, psychische Gewalttaten (z. B. Stalking), vorsätzliche Vergiftungen, erhebliche Vernachlässigung von Kindern, Kriegsauswirkungen beider Weltkriege sowie – aktuell besonders relevant – Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe, die eine gesundheitliche Schädigung verursacht haben. Als Leistungen der sozialen Entschädigung kommen Dienstleistungen, Sachleistungen und Geldleistungen in Betracht (§ 26Abs. 1 SGB XIV). Erleiden Personen bleibende Schäden, sieht das Gesetz monatliche Entschädigungszahlungen von bis zu 2000 Euro vor (§ 83 Abs. 1 SGB XIV). Kritiker (und insbesondere Kritikerinnen) des Gesetzes bemängeln, dass Gewalt gegen Frauen innerhalb von Partnerschaften sowie im Internet und Versorgungsnotstände bei Frauenhäusern nicht hinreichend berücksichtigt worden seien.
Als kompetenter Begleiter für den nicht immer unkomplizierten Übergang bis zur vollumfänglichen Gesetzesgeltung im Jahr 2024 empfiehlt sich nun die Erstauflage der Kommentierung des SGB XIV aus dem Hause Beck, für die mit Benjamin Schmidt, seit 1.7. 2021 Richter am Bundessozialgericht, ein herausragender Kenner der Materie gewonnen werden konnte. Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung und Literatur liefert der Kommentar die Verbindung von altem und neuem Entschädigungsrecht. Die Neuerscheinung kommentiert mit Gesetzesstand 1.5.2021 und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung das neue SGB XIV. Praxisnah und gut verständlich unterstützt es beim schrittweisen Übergang vom alten zum neuen sozialen Entschädigungsrecht und zeigt auf, wie sich das neue Recht stärker an den Bedürfnissen der Opfer von Gewalttaten und Terrorismus orientiert.
B. Schmidt
SGB XIV: Sozialgesetzbuch, Soziale Entschädigung (Kommentar)
Verlag C.H. Beck, 1. Auflage 2021
835 Seiten; 139 Euro
ISBN 978-3-406-76421-9