Italien, Deutschland und Spanien

Drei europäische Wege in den Verfassungsstaat

Matthias Wiemers

Im Frühjahr 2019 veranstaltete die Konrad Adenauer Stiftung, die sich auch ansonsten um die Pflege der rechtswissenschaftlichen Forschung verdient macht, in Berlin ein hochkarätig besetztes wissenschaftliches Symposium über die drei Verfassungen Italiens, Deutschlands und Spaniens, die mit den Jahren 1947, 1949 und 1978 verbunden sind, jeweils wenige Jahre nach Überwindung eines faschistischen Regimes, das den Primat des Rechts und damit die Verfassungsstaatlichkeit mehr oder weniger lange Zeit hatte vergessen lassen. Der Rezensent durfte der zweitägigen Veranstaltung seinerzeit als einfacher – oder eventuell sachkundiger – Bürger beiwohnen, der zu dieser Maßnahme der Vermittlung politischer Bildung zugelassen war.

Der von den Ordinarien des Öffentlichen Rechts Hermann-Josef Blanke (Erfurt), Siegfried Magiera (Speyer), Johann-Christian Pielow (Bochum) und Albrecht Weber (Osnabrück) herausgegebene Tagungsband ist nun bei Duncker und Humblot erschienen und enthält insgesamt 28 Beiträge (Der Rezensent meint sich zu erinnern, dass mindestens Mitherausgeber Pielow noch einen kleinen Vortrag gehalten hätte, der allerdings nicht enthalten ist.)
Der Band ist gemäß dem Tagungsverlauf gegliedert und beinhaltet insgesamt 28 Einzelbeiträge. Die Einleitung lieferte Hermann-Josef Blanke, wobei diese bereits wichtige Erkenntnisse des Rechtsvergleichs zwischen den drei behandelten Verfassungen beinhaltet (einschließlich nachgetragener neuester Entwicklungen bei der Bekämpfung von „Corona“).
Der erste Abschnitt ist mit „Entwicklungen der Grundrechte überschrieben“ und stand unter der Moderation von Albrecht Weber. Darin finden wir zwei Berichte aus Spanien (Miguel Azpitarte, Granada und Maria Jesus Montoro Chiner, Barcelona) und Italien (Daria de Pretis, Trient und Maria Daniela Poli, Luxemburg). Karl-Peter Sommermann (Speyer) bietet noch einmal eine ausgezeichnete Zusammenfassung der Entwicklung der Grundrechte und der Grundrechtsdogmatik in Deutschland.

Stefan Ulrich Pieper (Berlin) übernahm die Diskussionsleitung des zweiten Teils, der aktuellen Grundrechtsfragen in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gewidmet war. Darin referierten Michael Eichberger (BVerfG-Richter a. D.), M. Mercé Darnaculleta Gardella (Girona) Jörg Luther (Alessandria) und Susana de la Sierra (Castilla-La Mancha). Jörg Luther, den der Rezensent im Rahmen der Tagung kennenlernen durfte, wird im Tagungsband als verstorben gekennzeichnet.
Unter der Moderation von Siegfried Magiera wurden die „Einwirkungen des Unionsrechts und der EMRK auf die unionalen Verfassungen“, und zwar Peter-Michael Huber (München/Karlsruhe), Francisco Balaguer Callejon (Granada), Diana-Urnia Galetta (Mailand) und Rosario Lenero Bohórquez (Huelva).
Der Abschnitt „Verfassung und Verwaltung“ wurde von Santiago González-Veras Ibánez (Alicante) moderiert, mit Beiträgen von Cristina Fraenkel-Haeberle (Speyer), Javier Barnes (Huelva) und Angela Giorgio Repetto (Perugia).
Beim abschließenden Thema „Zur Finanzverfassung im Mehrebenensystem“ – moderiert von Monica Bonini (Mailand) fehlte ein Beitrag aus Deutschland. Traute sich niemand, die durchaus kritisch zu sehenden Entwicklungen der letzten Jahre zu beleuchten? Hier referierten Carlos Vidal Prado (Madrid) und Lorenza Violini (Mailand).

Jaques Ziller, der als Franzose im italienischen Pavia lehrt, hatte die Aufgrabe von Resümee und Ausblick. Er ließ es sich nicht nehmen, noch wenige vergleichende Blicke auf die Entwicklung in Frankreich zu werfen. Dieses Resümee kann durchaus auch direkt im Anschluss an die Einleitung von Blanke gelesen werden.
Herausgebern und Verlag wie auch der Adenauer-Stiftung ist zu danken für Veranstaltung und Edition. Der Band gibt einer breiteren Fachöffentlichkeit Gelegenheit, sich der eigenen Verfassungsordnung zu vergewissern und zugleich den Blick in die Nachbarschaft zu werfen. Denn die gegenseitige Beeinflussung der Verfassungsordnungen ist hie rund dort nachweisbar, zum anderen aber wird deutlich, wie unterschiedlich doch die drei Staaten in ihrer Organisation sind. Geschichtliche Entwicklung und aktuelle Gegebenheiten entscheiden jeweils über mögliche Adaptionen mit. Denn jede Verfassung ist in ihren jeweiligen Kontext gestellt.

Verfassungsentwicklungen im Vergleich. Italien 1947 – Deutschland 1949 – Spanien 1978, herausgegeben von Hermann-Josef Blanke, Siegfried Magiera, Johann Christian Pielow, Albrecht Weber, Schriften zum Europäischen Recht (EUR), Band 200, Berlin 2021. 390 S. Erhältlich als Buch (Broschur) 99,90 € ISBN 978-3-428-15929-1

Veröffentlicht von on Nov 29th, 2021 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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