Integrierender Ansatz

“Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht“ von Rittner/ Dreher in 3. Auflage

Matthias Wiemers

lit-wiemers-rittner-wirtschaftsrechtAnzuzeigen gilt es ein ganz besonderes Werk, das erstmals im Jahre 1979 in der Bearbeitung durch den Freiburger Wirtschaftsrechtler Fritz Rittner und 1987 in zweiter Auflage erschienen ist. Zwanzig Jahre nach der Vorauflage legte Rittner – nun gemeinsam mit seinem Ko-Autor Meinrad Dreher –
eine völlige Neubearbeitung vor, die nicht nur wegen ihrer eigentlichen Zwecksetzung interessant ist, sondern vor allem zeigt, welche Veränderungen das in Deutschland geltende Wirtschaftsrecht in der Zwischenzeit erfahren hat. Unter „Wirtschaftsrecht“ versteht Rittner seit der Erstauflage einen integrierenden Ansatz, der sowohl das „öffentliche Wirtschaftsrecht“ wie auch die für die Wirtschaftstätigkeit relevanten Teile des Privatrechts umfasst.
Das Werk ist auch in der Neuauflage in insgesamt sechs Abschnitte gegliedert, die in der Sache gleich benannt, im inhaltlichen Aufbau jedoch anders gewichtet sind. Dies beginnt schon im ersten, von Rittner bearbeiteten Abschnitt (I. „Grundlagen“), in denen „Die wirtschaftsrechtlichen Grundlagen in der EU“ denen in Deutschland vorangestellt sind und wo die Diskussion der Frage einer Wirtschaftsverfassung von vorneherein unter dem Blickwinkel einer solchen im EU-Maßstab vorgenommen und die berühmte Diskussion im Deutschland der Nachkriegszeit nur noch kurz abgehandelt wird (§ 2 „Die Wirtschaftsverfassung“). Auch im zweiten Teil („Die hoheitlichen Funktionen im Wirtschaftsrecht“) werden zunächst die hoheitlichen Funktionen in der EU vor denen in Deutschland behandelt (§§ 5, 6), bevor in einem eigenen Abschnitt die Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen durch Private wie auch die Themen Privatisierung und Deregulierung erörtert werden. Im dritten Teil wird „Das Unternehmensrecht“ in weitgehend unverändertem Aufbau präsentiert, allerdings sei auf den sehr lesenswerten Artikel zum Problem der unternehmerischen Betätigung der öffentlichen Hand (§ 11) hingewiesen, der sich namentlich mit der Behandlung des Themas auf europäischer Ebene auseinandersetzt.
Der vierte Teil („Das Kartellrecht“) konnte naturgemäß an einer umfangreichen Darstellung des EU-Kartellrechts nicht vorübergehen, die sich in der Zeit der Entstehung der Vorauflage kaum in Ansätzen abzeichnete. Der fünfte Teil („Allgemeines Lenkungsrecht“)  ist ein Querschnittsteil, in dem die unterschiedlichen Mittel, mit denen der Staat auf die grundsätzliche privatautonome Wirtschaft einwirkt, systematisch erörtert werden. Das bisherige Kapitel „Subventionsrecht“ der Vorauflage wurde dabei zu einem umfangreichen Kapitel „Beihilfe- und Subventionsrecht“ ausgebaut, das nicht nur auch die EU-Ebene umfasst, sonder auch dasjenige der WTO. Wen interessiert, in welchem Maße der Staat auch nach Beendigung des Kalten Krieges ein Notstandsrecht im Bereich der Wirtschaft vorhält, sei auf das deutlich erweiterte Kapitel „Bewirtschaftungsrecht“ (§ 28) verwiesen.
Im sechsten Teil: „Besonderes Wirtschaftsrecht“ ist ein Kapitel über Vergaberecht eingefügt (§ 30 „Vergabemärkte“) und das bisherige Kapitel „Kreditwirtschaft und Kapitelmarkt“ in zwei je für sich schon umfangreichere Einzelkapitel aufgespalten. Neu ist das Kapitel „Telekommunikationswirtschaft“ (§ 37).
Zu diesem durchgängig lesenswerten Buch ist abschließend festzuhalten, dass es in umfassendem Sinne eines ermöglicht: Festzustellen, welches Ausmaß die Durchdringung der grundsätzlich privatautonomen Wirtschaft durch staatliche Normen inzwischen angenommen hat und welche Prinzipien hierbei gelten. Die integrierende Betrachtung im Rahmen eines „Wirtschaftsrecht“ ist schon aus diesem Grunde vollständig gerechtfertigt.

Rittner/ Dreher
Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht. Eine systematische Darstellung
3. Aufl. 2008, 1091 S., 119 Euro
Verlag C.F. Müller, Heidelberg
ISBN978-81114-4061-6

Veröffentlicht von on Jun 7th, 2010 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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