Der Schmidt-Bleibtreu-Grundgesetz-Kommentar in 15. Auflage
Ludwig Deist
Kommentierungen des Grundgesetzes gibt es hierzulande reichlich. Das Spektrum reicht dabei vom „Bürgerkommentar“ (399 Seiten für für 22 Euro) bis hin zum dreibändigen Monumentalwerk mit über 7.000 Seiten zum Anschaffungspreis von 799 Euro. Irgendwo dazwischen, aber doch in Umfang und Anspruch näher am Letztgenannten, befindet sich der jüngst in 15. Auflage erschienene Schmidt-Bleibtreu-Grundgesetz-Kommentar, der seinen Namen dem 2018 hochbetagt verstorbenen Dr. Bruno Schmidt-Bleibtreu verdankt, seines Zeichens Ministerialdirektor im Bundesministerium der Finanzen bis zu seinem Ausscheiden in den Ruhestand im Jahr 1991. Dieser und sein Compagnon Prof. Franz Klein, der einmal Präsident des Bundesfinanzhofs war, hatten dieses Werk 1967 ins Leben gerufen, und zwar ganz ausdrücklich als Blick auf unsere Verfassung aus staatspraktischer Perspektive von höchster Ebene.
Noch heute steht der mittlerweile von Prof. Hans Hofmann und Prof. Hans-Günter Henneke herausgegebene „Schmidt-Bleibtreu“ in dieser Tradition, wenn sich auch unter den aktuell 35 Bearbeitern inzwischen zahlreiche Universitätsprofessoren befinden, doch sind die „Praktiker“ weiterhin gut vertreten. Was sich in den 55 Jahren seit der Erstausgabe ebenfalls nicht verändert hat, ist die Erscheinungsweise in einem Band, wobei genau dies allerdings bald einmal zur Disposition stehen dürfte, denn der auf nunmehr 3.650 hauchdünne Seiten angewachsene Umfang schreit förmlich nach einer künftigen Aufteilung in zwei Bände.
Inhaltlich wird der Schmidt-Bleibtreu auch in der Neuausgabe seinem exzellenten Ruf gerecht. Übersichtlich und sehr fundiert führt er den Leser durch die Artikel des Grundgesetzes, jeweils mit konkreten Bezügen zu aktuellen und in der Öffentlichkeit diskutierten Verfassungsproblemen. Ein besonderes Highlight ist aber die ca. 100-seitige Einleitung mit den drei Kapiteln „Verfassungspolitische Entwicklungen seit 1945“, „Historische Entwicklungen moderner Verfassungsstaatlichkeit“ und „Das GG als Grundlage staatlicher Rechtsordnung“, die man beinahe als eigenständiges Buch im Buche ansehen könnte.
Neu in der 15. Auflage sind u.a. die folgenden, hier nur stichwortartig aufgezählten Themengebiete: Finanzverfassungsrechtliche Neuregelungen zum Digitalpakt, Finanzverfassungsrechtliche Neuregelungen zur Reform der Grundsteuer, Finanzverfassungsrechtliche Neuregelungen zur Kompensation von Gewerbesteuerausfällen durch COVID-19, Ultra-Vires-Urteil des BVerfG zu EZB und EuGH, BND-Auslands-Auslands-Aufklärung, Berliner-Mietendeckel, Parité-Gesetze im Landtagswahlrecht, Wahlrechtsreform zum Deutschen Bundestag, Kindergrundrecht, „Rasse“-Begriff im GG, BVerfG zu Geschlechtseintrag „divers“, Parlamentarische Auskunftsrechte, Numerus-Clausus für Mediziner, Neutralitätspflicht der Regierungsmitglieder (Merkel, Seehofer), Rundfunkbeitrag, Beamtenstreikrecht, NPD-Parteiverbot und -Finanzierungsausschluss, Fixierung in der Psychiatrie, Datenschutz: Recht auf Vergessen, Hartz IV-Sanktionenkatalog, Schmähkritik, Stiefkindadoption, Verbot von Kinderehen, Kfz-Kennzeichenerfassung, Richterbesoldung, Bestandsdatenauskunft.
Fazit: Ein Spitzenkommentar, der hält, was er verspricht.
Hofmann/Hennecke (Hrsg.)
Schmidt-Bleibtreu: Grundgesetz (Kommentar)
Carl Heymanns Verlag / Wolters Kluwer, 15. Auflage 2022
3.650 Seiten; 219,00 Euro
ISBN 978-3-452-29703-7