Scheiben Spezial: Vor 40 Jahren erschien „Platt for ju“ von De Plattfööt
Thomas Claer
Mit populärer Musik aus dem Osten habe ich mich immer etwas schwer getan. Denn eigentlich galt in meiner Jugend, damals in den Achtzigern, ausnahmslos alles, was „von uns“ kam, also aus der DDR, als unrettbar uncool. Nur was aus dem Westen stammte, konnte etwas taugen. Soviel war klar. Das war zwar ungerecht gegenüber allen Musikschaffenden des Ostens, aber doch keineswegs aus der Luft gegriffen. Denn alles, was wild und anarchisch war, und so etwas hat es natürlich auch im Osten gegeben, das kannte man nicht, weil es nie erscheinen durfte. Während Vergleichbares im Westen sogleich zum nächsten großen Ding hochgejubelt wurde und einem über die westlichen Medien rasch zu Ohren kam…
Eine Ausnahme war aber das folkloristische Duo „De Plattfööt“, das ich schon als Jugendlicher gut fand, woran sich bis heute, zumindest was ihr Frühwerk betrifft, auch nichts geändert hat. Insbesondere die vor vierzig Jahren erschienene Debütplatte der beiden gebürtigen Rostocker Sänger und Gitarristen Peter Wilke und Klaus Lass hatte es in sich. Auf „Platt for ju“, die nur scheinbar harmlos und gefällig daherkam, mischten sie Folk-, Blues- und Country-Klänge (also lauter Musikrichtungen vom Klassenfeind!) mit lustigen und manchmal regelrecht subversiven Texten in mecklenburgischem Platt. In erster Linie waren das Alltagsbeschreibungen, in denen man sich als DDR-Bürger leicht wiedererkennen konnte. Bei Lass und Wilke wurden daraus richtig gute Songs wie ihr bekanntester, „Fru Püttelkow ut Hagenow“, der von einer unablässig Klatsch und Tratsch verbreitenden Verkäuferin in einer mecklenburgischen Kleinstadt handelt und mit einer brillanten Schlusspointe endet. „Disco up’n Dörp“, ihr anderer großer Hit, thematisiert u.a. die Leiden der jugendlichen Landbevölkerung angesichts der bescheidenen Taktung des Öffentlichen Nahverkehrs, was ja systemübergreifend und bis heute ein nicht unerhebliches Problem geblieben ist. In „Jochen un sin Garden“ geht es um die privaten Rückzugsräume der Kleingärtner, nicht ohne die damals im Osten übliche, aber aus heutiger Sicht unvorstellbar geringschätzige Behandlung von Kindern auf die Schippe zu nehmen („Mokt, dat ehr da wegkümmt und trampelt dor nich rüm!“). Ein besonderes Highligt ist ferner das Lied „Lud‘n Jahn ut Doberan“ über das Seemannsgarn eines Kneipengängers („Und Ungeheuer hem wi sehn / Mit twinnig Köppen un döttig Been“), das zugleich das immerwährende Fernweh der weitgehend eingesperrten DDR-Bewohner spiegelt: „Denn jeder weit, dat Lud’n Jahn / Noch nie rutkehm ut Doberan“.
Eigentlich sind alle Songs auf „Platt for ju“ gelungen, es gibt kein einziges schwächeres Lied. Und auch die beiden, noch zu DDR-Zeiten erschienenen, Folgealben „Songs ut Meckelbörg“ (1985) und „Wenn du ok Plattfööt hest“ (1989) konnten – mit Abstrichen – noch überzeugen. Aber dann haben die beiden liebenswerten Plattfööts wohl, wie so viele andere, eine Art Wende-Knacks bekommen. So richtig gut waren sie auf ihren weiteren Veröffentlichungen eigentlich nur noch, wenn sie – was häufiger vorkam – ihre alten Songs aus den Achtzigern recycelt haben. Heute sind die Plattfööt längst Geschichte. Manchmal hat Klaus Lass, die übriggebliebene Hälfte, noch Solo-Auftritte als „De Plattfoot Klaus“. Wenn er nicht Stadtführungen durch Warnemünde macht.
De Plattfööt
Platt for ju
Amiga (DDR) 1982
(Nur noch antiquarisch auf Vinyl erhältlich.)
Informationen: https://de-fischerkaten.de/dpf/plattfoot.html