Ein Nomos-Band zum Lieferkettengesetz und ein Handbuch zum Klimaschutzrecht
Matthias Wiemers
Blickt man in den Buchmarkt zum Umweltrecht, so findet man derzeit wenig Neues. Die Lehrbücher sind mindestens ein Jahr alt.
Es wäre verständlich, wenn Autoren und Verlage hier vielleicht etwas zögern, aber die Herstellung eines Buches braucht seine Zeit – und die Maschinen der Gesetzgebung auf europäischer und nationaler Ebene stehen nicht still.
Deshalb hier nachfolgend nur zwei Titel.
Bereits im vergangenen Jahr hat Nomos in seiner bekannten (gelben) Reihe „Nomos Praxis“ einen Band zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz veröffentlicht, und zwar herausgegeben und bearbeitet von vier Anwälten. Das Gesetz war im letzten Jahr neu, und daher heißt das Buch auch so.
Nach einer Einleitung (§ 1) von Herausgeber Robert Grabosch stellt dieser auch „Grundlagen, Prinzipien und Begriffe“ (§ 2) dar. Grabosch geht hier auch auf die zentrale rechts- und wirtschaftspolitische Frage ein, ob es sich bei dem nur für Großunternehmen unmittelbar einschlägigen Gesetz um ein solches handelt, das in den Lieferketten in seiner Wirkung auf den Mittelstand. Grabosch nimmt hier die Perspektive der von den Pflichten des Gesetzes unmittelbar betroffenen Unternehmen ein und legt auf einer ganzen Seite dar, warum dieses Abwälzen als nicht möglich erscheint:
Dagegen spreche das Erfordernis der Rechtswirksamkeit, was eine individuelle Aushandlung „auf Augenhöhe“ erfordere, weil anderenfalls der Zulieferer den Schutz der §§ 305 ff. BGB vor unangemessenen Benachteiligungen genieße. Zudem müsse jeweils die Eignung von Zulieferern individuell geprüft werden, und für das Outsourcing von Sorgfaltspflichten an spezielle Dienstleister gelte Entsprechendes (S. 50).
Allein an diesem kleinen Beispiel mag der Leser ersehen, dass in dem mit 24 Paragraphen noch recht überschaubaren Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz doch sehr viel „Arbeit“ für die betroffenen Unternehmen steckt, die in dem dann knapp 300 Seiten umfassenden Band systematisch aufgezeigt wird.
Grob gesagt, gilt das Gesetz dem Umwelt- und Menschenrechtsschutz in (globalen) Lieferketten. Darin liegt genau das Problem, wenn man sich in § 2 des Gesetzes anschaut, was alles darunter verstanden wird. Kommen doch Zweifel darüber auf, wie die Einhaltung der sich aus dem Gesetz ergebenden Pflichten effektiv überprüft werden kann. Im Buch werden „menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken“ (§ 4) Risiken zunächst einmal verständlich dargestellt (Schönfelder). Grabosch, der in § 3 auch den persönlichen und zeitlichen Anwendungsbereich dargestellt hatte, entfaltet in § 5 („Sorgfaltspflichten“) ein eigenständiges Risikomanagementsystem, das durch die Darstellung etwa des Beschwerdeverfahrens nach §§ 8 f. des Gesetzes ergänzt wird.
Die Multifunktionsbehörde BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn nahe dem Frankfurter Flughafen) steht im Mittelpunkt der Darstellung von § 6 über die öffentlich-rechtliche Durchsetzung, wobei die Autoren Engel und Schönfelder sich gleich zu Beginn zu der Wertung hinreißen lassen, das LkSG sei „mit einem besonders starken wirtschaftsverwaltungs- und vergaberechtlichen Durchsetzungsmechanismus ausgestattet“ (S. 171). Allerdings wird man dem jedenfalls insoweit zustimmen können, als die gleichzeitig getroffene Aussage, ein Papiertiger ohne Zähne sei das LkSG keineswegs, sicher zutrifft.
Den „Änderungen im Zivil- und Zivilprozessrecht“ (§ 7) widmet sich Engel, wobei hierbei hervorzuheben ist, dass – wie Engel auch gleich zu Beginn hervorhebt – eine zivilrechtliche Haftungserweiterung nicht beabsichtigt sei, was etwa gegen die Annahme des LkSG als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB spricht. Wichtiger sind die Auswirkungen auf das Prozessrecht, in die Engel den Leser einführt, sowie weitere Auswirkungen etwa auf das IPR. Thalhauser blickt im vorletzten Kapitel auf „Sorgfaltspflichten in ausländischen Rechtsordnungen“ (§ 8), bevor Grabosch und Schönfelder sich „Zur internationalen Harmonisierung der Sorgfaltspflichten“ (§ 9) äußern. Hierbei ist natürlich von besonderem Interesse das seit langem so apostrophierte Lieferkettengesetz der EU, das die Autoren noch als mögliche Richtlinie einordnen. Der Band schließt mit dem Gesetz in deutscher und englischer Sprache im Wege einer Synopse und einem Sachverzeichnis.
Fazit: Der Band eröffnet den Blick in ein neues Rechtsgebiet, das freilich durch die aktuellen Störungen von Lieferketten durch Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg ein wenig ins Zwielicht geraten ist.
Grabosch (Hrsg.), Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, Nomos Verlag, Baden Baden 2021, 293 S., 48 Euro (ISBN 978-3-8487-7195-0)
Leider wesentlich praxisrelevanter ist das Klimaschutzrecht, dem sich ein neues Handbuch aus dem Beck-Verlag widmet. Fanden sich bereits Spuren hierzu in früheren Publikationen – namentlich in Michael Kloepfers führendem Lehrbuch (zuletzt 5. Aufl. 2016, auch bei Beck). So hat der Verlag das Thema nunmehr in seine noch recht junge Reihe mit blauem Schutzumschlag mit gelber Aufschrift aufgenommen. Was hier angekommen ist, ist als (neues) Rechtsgebiet etabliert. Herausgeber ist mit Michael Rodi jemand, der nicht nur einen einschlägigen Lehrstuhl an der diesbezüglich besonders ausgewiesenen Universität Greifswald innehatte, sondern auch noch Direktor des Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) in Berlin ist.
Auch dieser Band fasst seine Kapitel als Paragraphen, ist aber glücklicherweise zusätzlich in insgesamt elf Teile untergliedert, die zumeist aus mehreren Kapiteln bestehen.
Zu recht geht Rodi in § 1 über „Begriff und Charakteristika des Klimaschutzrechts“ auf „Klimaschutz als Rechtsgebiet“ ein. Darin heiß es auch, es solle „vorliegend zu diesem Rechtsgebiet ein umfassendes wissenschaftliches Werk vorgelegt werden, in dem führende Autorinnen und Autoren den Stand der rechtswissenschaftlichen Forschung sowie rechtspolitischen Handlungsbedarf aufzeigen.“ Sodann wird die Eigenständigkeit des neuen Rechtsgebiets begründet.
Auffällig an diesen Worten ist zunächst, dass es nicht Wissenschaft mit Praxis, sondern Wissenschaft mit Rechtspolitik vereinen möchte – obwohl von insgesamt 39 Autoren insgesamt zehn ausdrücklich als Rechtsanwälte ausgewiesen sind. Dies erklärt den Zusammenhang mit dem IKEM, das als NGO fungiert und nicht nur juristische Expertise vereint (Wenn man sich die Themen des IKEM anschaut, mag man sofort die Frage aufwerfen, warum Berlin nicht in der Lage ist, ein solches Institut an der TU zu installieren. Denn Berlin ist in vielem ein Labor, weil sich dort urbane Veränderungen besonders wirksam vollziehen.)
Wenig überraschend, kommt Rodi hinsichtlich seiner Systematisierungsfrage zu dem Ergebnis, dass es sich um ein „Querschnittsrecht“ handelt, wobei er den Kern des Klimaschutzrechts in den Regelungen zur unmittelbaren Senkung des Ausstoßes von Triebhausgasen („oder die Aufnahme von Treibhausgasen in Senken) bezwecken.
In den „Grundlagen des Klimaschutzrechts“ werden weiter behandelt die völkerrechtlichen Grundlagen des Klimaschutzes (§ 2), die internationale Klimafinanzierung (§3), „Europarechtliche Grundlagen des Klimaschutzrechts“ (§ 4), die diesbezügliche „Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern“ (§ 5), der „Umwelt- und Klimaschutz in der Verfassung“ (§ 6), „Die Rolle von Gerichten im Klimaschutzrecht“ (§ 7), die „Instrumente des Klimaschutzrechts in Rechts- und Politikvergleich“ (§ 8) und schließlich „Rechtsfragen der Klimakompensation“ (§ 9).
Die folgenden Teile sind jeweils einzelnen Aspekten des Klimaschutzrechts gewidmet, und zwar „Klimaschutzgesetzgebung und -planung“ (§ 10 bis 14), „Carbon Pricing“ (§§ 15 bis 18), „Digitalisierung“ (§§ 19 – 21), „Sektorübergreifende Energiequellen und -pfade“ (§§ 22 bis 24), „Klimaschutz im Stromsektor“ (§§ 15 bis 30), „Klimaschutz im Verkehrssektor“ (§§ 31 bis 34), „Klimaschutz im Wärme- und Gebäudebereich“ (§§ 35 f.), „Land- und Forstwirtschaft“, § 37, „Industrie“ (§§ 38 bis 40) und schließlich „Sektorenintegration“ (§ 41)
In dieser Themenaufstellung fällt zunächst auf, dass sie unterschiedlich tief untergliedert sind. Dies mag man mit unterschiedlicher Komplexität des Einzelthemas erklären. Sodann fällt der Teil über die Digitalisierung auf. In Deutschland setzt, so möchte man meinen, beim Thema Digitalisierung oftmals der Verstand aus. Gleichwohl wird jeder, der sich mit den Inhalten von Klimaschutz und Ressourcenmanagement beschäftigt, zugeben müssen, dass dies ohne „digitale“ Lösungen nicht zu bewerkstelligen sein wird. Aber hätte dies nicht in den ersten Teil gehört, eventuell ergänzt um Erwähnungen in den übrigen Kapiteln? Die tatsächlich vorgenommene Einteilung rechtfertigt vielleicht daraus, dass seit geraumer Zeit „Datenstrategien“ auf EU-Ebene und auch in Deutschland Platz greifen, die der Wirtschaft öffentlich vorhandene Daten zugänglich machen wollen (§ 20, Rdnr. 74 ff.) – mit freilich ganz neuen rechtlichen Fragestellungen. Im Kapitel über die Digitalisierung der Energiewende – Neue Akteure und Technologien“ (§ 21) wird der „Rechtsrahmen für neue Akteure und Technologien der digitalisierten Energiewende“ (Rdnr, 8 ff.). Richtig ist, dass Dezentralisierung und Flexibilisierung notwendig sind, um Energiereserven zu heben, wie es sinngemäß auch die Autoren Antoni und Knoll hervorheben. Soll aber durch die Netzabhängigkeit der Energieversorgung nicht gewissermaßen die Zentralisierung durch die Hintertür wieder eingeführt werden, wird es auch dezentrale automatisierte Entscheidungen durch KI geben müssen. Dies rechtfertig einen eigenen Abschnitt, der freilich erklärungsbedürftig ist. In diese Richtung geht das Fazit der Autoren, die u. a. ausführen: „Die Digitalisierung bietet Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen, die sich für das zukünftige Stromsystem, die Energiewende und den Klimaschutz insgesamt stellen. Der Umbau des konventionellen Stromsystems hin zu 100 Prozent erneuerbarer Energien und die, für den Klimaschutz nötige, weitreichende Elektrifizierung anderer Sektoren, wie Verkehr und Gebäude, bringt neue Akteure in das Energiesystem, die partizipieren wollen und müssen, damit die Energiewende gelingt. Dabei trägt nur eine auf Nachhaltigkeit und Partizipation – auch unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz – ausgerichtete Digitalisierung der Energiewende effektiv zum Klimaschutz bei“ (§ 21, Rdnr. 62)
Mitherausgeber Christian Held – Namensgeber der Kanzlei Becker/Büttner/Held und Vorstand des IKEM – liefert den letzten Beitrag über die Sektorenintegration, die herkömmlich eher als „Sektorkopplung“ bekannt ist. Nach ausführlicher Ermittlung des Begriffsinhalts untersucht der Autor, inwiefern vorhandene Regulierungen bereits dem Prinzip der Sektorintegration folgen. Zu recht stellt er fest: „Der Koordination der Planung von Energieanlagen kommt durch die Leitungsgebundenheit der Energiewirtschaft besondere Bedeutung zu.“ Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Und das Handbuch wird seine Position im Markt sogleich finden.
Rodi (Hrsg.), Handbuch Klimaschutzrecht, Verlag C.H. Beck München 2022, 897 S., 169 Euro (ISBN 978-3-406-76789-0)