Finanzamt

Geheime Aufzeichnungen eines Volljuristen

Liebes Tagebuch,

mit dem Finanzamt sollte man am besten möglichst wenig zu tun haben, zumindest aber nicht mehr als unbedingt nötig. Die suchen doch nur danach, wie sie einen in die Pfanne hauen können, prüfen einen so lange, bis sie irgendetwas finden, was man irgendwann mal falsch gemacht hat. Und da stürzen sie sich dann drauf. So ist wohl die landläufige Meinung, und dieser Meinung bin bis vor wenigen Monaten auch ich gewesen. Schließlich hatte ich auch Horrorgeschichten gehört wie die von einem Bekannten, der als erfolgreicher freiberuflicher Innenarchitekt mal eine Betriebsprüfung über sich ergehen lassen musste, aus der er nur als geknickte Existenz wieder herauskam. In all den Jahren hatte er seinen gesamten Papierkram mit zwei Schuhkartons abgewickelt, mit dem einen für die Einnahmen und dem anderen für die Ausgaben. Bis das Finanzamt kam und dies in schärfster Form missbilligte und ihm eine saftige Strafe dafür aufbrummte.
Also habe ich immer versucht, es gar nicht soweit kommen zu lassen, und meine Steuererklärungen immer exakt so abgefasst, dass sie unbeanstandet durch den Algorithmus rutschen sollten. Bloß keine schlafenden Hunde wecken. Aber dann ist mir etwas Superdämliches passiert. Zum letzten Jahreswechsel habe ich es doch tatsächlich vergessen, auf meinem Konto den Dauerauftrag für die vierteljährlichen Vorauszahlungen für die Einkommensteuer anzupassen, und habe so für das erste Quartal prompt 249 Euro zu viel überwiesen. Noch ist nichts verloren, dachte ich mir. Schnell die Servicenummer von der Bank raussuchen und dort anrufen, um die Überweisung zu stornieren. Aber die ließen nicht mit sich reden. Da könne ja jeder kommen, das ginge nur mit Telefonbanking. Ob ich denn keins hätte? Nein, so etwas braucht man doch normalerweise nicht, wenn man alles online macht. Dann müsste ich mich jetzt zuerst zum Telefonbanking anmelden, das dauere aber mindestens eine Woche, bis die Registrierung abgeschlossen sei. Kann ich denn die Überweisung nach einer Woche überhaupt noch stoppen? Nein, das sei dann leider nicht mehr möglich. Ich solle mich doch einfach an den Empfänger wenden und um Rücküberweisung bitten. Dumm nur, wenn der Empfänger das Finanzamt ist…
Tja, genau das wollte ich doch immer vermeiden. Womöglich nehmen sie das gleich als Anlass zu einer umfangreichen Betriebsprüfung. Aber die 249 Euro wollte ich dann doch gerne zurück haben. Also mal bei Google recherchieren, was man in solchen Fällen machen kann. Wie ich dort lesen konnte, hatten auch einige andere ein solches Problem. Aber was dazu in den Foren stand, war wenig ermutigend. Nein, keine Chance, hieß es dort, das Finanzamt zahle nie etwas zurück. Einer hätte unzählige Male angerufen und Briefe geschrieben, aber sein Problem sei gar nicht bearbeitet worden. Im besten Falle würden zu viel gezahlte Beträge mit der Steuerzahlung im nächsten Jahr verrechnet. Ich überlegte noch einige Tage, ob ich vielleicht doch mal beim Finanzamt anrufen sollte. Aber dann ließ ich die Sache auf sich beruhen und hatte sie schon fast vergessen, als ich nach zwei Wochen völlig überraschend einen Brief von meinem Finanzamt im Briefkasten fand. Nach einer heftigen Schrecksekunde fiel mir ein, worum es sich handeln könnte. Aber das konnte doch nicht sein! Oder doch? Und dann las ich: „Sehr geehrter Herr…, bei Ihrer o.a. Einzahlung haben sie nicht berücksichtigt, dass das Finanzamt mit gesondertem Bescheid die von Ihnen zu entrichtenden Vorauszahlungen vermindert festgesetzt hat. Durch Ihre Einzahlung ist deshalb folgendes Guthaben entstanden: 249,00 Euro. Das Guthaben in Höhe von 249,00 Euro wird Ihnen in den nächsten Tagen erstattet. Mit freundlichen Grüßen Ihr Finanzamt.
Und nach weiteren drei Tagen hatte ich das Geld tatsächlich wieder auf meinem Konto. Kaum zu glauben, dass so etwas von Amts wegen rückabgewickelt wird. Ein Hoch auf mein Finanzamt!!

Dein Johannes

Veröffentlicht von on Jul 25th, 2022 und gespeichert unter JOHANNES, LIEBES TAGEBUCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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