Die Nicht-mehr-Juso-Bundesvorsitzende Franziska Drohsel
Constantin Körner
Damit hatte kaum jemand gerechnet. Im Mai kündigte Franziska Drohsel aus beruflichen Gründen ihren Rücktritt als Juso-Bundesvorsitzende an, und schon am 18. Juni gab sie den Vorsitz der SPD-Jugendorganisation an ihren Nachfolger Sascha Vogt ab. Seit November 2007 hatte die heute 30-Jährige an der Spitze der Jungsozialisten gestanden. Ein Amt, das auch schon Gerhard Schröder und Klaus-Uwe Benneter bekleideten. Beiden diente es nach dem Jurastudium auch als
Karrieresprungbrett. Eine Konsequenz, die Drohsel nicht anstrebt, wie
sie stets betonte: „Ich plane nicht, vom Juso-Vorsitz in die
Berufspolitik zu gehen“.
Stattdessen strebt sie eine Tätigkeit als „linke Anwältin“ an. Ein Wunsch, der auch schon ausschlaggebend für ihre Studienwahl war: „Es war immer mein Wunsch, später mein Geld mit einer Tätigkeit zu verdienen, die ich sinnvoll finde. Die Vorstellung, als linke Anwältin für die Interessen derjenigen zu kämpfen, denen
Unrecht widerfahren ist, die in schwierigen Situationen leben und
deren Anliegen ich teilen kann, fand und finde ich großartig. Hinzu
kam aber auch, dass mir das Studium und das Diskutieren über Jura Spaß
gemacht hat und für mich der politische Aspekt, der sich letztlich bei
jedem Gesetz und jeder Auslegung findet, spannend war“.
Schülerdemo führte zu den Jusos
Mit 15 Jahren wurde sie bei den Jusos aktiv. „Zu den Jusos bin ich durch eine
Schülerdemonstration gekommen, auf der wir gegen die Atom-Tests von
Frankreich protestiert haben“, erinnert sie sich. Im Jahr 2001 folgte
dann der Eintritt in die Mutterpartei und 2006 übernahm sie den
Vorsitz der Jusos in ihrer Heimatstadt Berlin. Seitdem hat die Politik
zunehmend Raum in ihrem Terminkalender eingenommen: „Meine Tage
unterscheiden sich ziemlich stark. Es gibt Tage, an denen ich
verschiedene Veranstaltungen der Jusos bzw. der SPD habe,
Jugendzentren besuche, viel telefoniere, mit Pressevertretern spreche,
Gremiensitzungen wie z.B. den Parteivorstand oder den
Juso-Bundesvorstand habe, viel schreibe und dabei die ganze Zeit
unterwegs bin. Es gibt aber auch Tage, an denen ich fast
ausschließlich am Lehrstuhl arbeite“. Schließlich promovierte sie seit
2006 an der Humboldt-Universität in Berlin zur Vereinbarkeit von
gesetzlichen Öffnungsklauseln und der Koalitionsfreiheit nach Art. 9
Abs. 3 GG: „Ich fand es in rechtlicher und politischer Hinsicht
interessant. Es hat viele Fragen der Grundrechtsdogmatik aufgeworfen
und betrifft gleichzeitig eine Frage der aktuellen politischen
Auseinandersetzung“. Im Januar 2010 ist ihr nun der erfolgreiche Abschluss der Promotion gelungen. Eine Juso-Vorsitzende mit Doktortitel – schließt
sich das nicht aus in einer Partei, die so stolz auf ihre proletarischen Wurzeln ist?
„Überhaupt nicht“, findet Drohsel und entgegnet: „Die Arbeiterbewegung hatte immer zum Ziel, dass alle Menschen selbstbestimmt leben und in den Genuss einer
umfassenden Bildung kommen können. Teilweise hat sie deshalb die
Qualifizierung ihrer Leute durch Arbeiterbildungsvereine selbst
übernommen. Teilweise hat sie gleiche Chancen für alle gefordert,
deren praktische Folgen Instrumente wie der zweite Bildungsweg oder
das BaföG sind“.
Skepsis wegen Bolognaprozess für die Juristenausbildung
Als ehemalige Erasmus-Studentin an der Universität „La Sapienza“ in
Rom verfolgt sie natürlich auch die Reformvorhaben zur
Internationalisierung der Juristenausbildung. Erst im Februar hatte
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer Veranstaltung des RCDS, der
Studentenorganisation der CDU, überraschend die vollständige Umsetzung
des Bolognaprozesses auch für das Jurastudium gefordert. Ein Vorstoß,
dem Drohsel „skeptisch“ gegenübersteht: „Ich sehe die Gefahr, dass das
Studium stärker verschult wird und es im Rahmen dessen zur
Schmalspurausbildung kommt. Im Übrigen ist die Arbeit im juristischen
Bereich noch immer stark auf das nationale Regelungswerk fokussiert,
so dass die Herstellung internationaler Vergleichbarkeit schwierig
ist“. Daneben treibt sie aktuell noch mehr um: „Eines der großen Themen ist
für mich die wachsende soziale Ungleichheit. Dieser Entwicklung muss
etwas entgegengesetzt werden. Ich möchte, dass jeder Mensch ein
selbstbestimmtes Leben führen kann und nicht Jugendliche schon derart
perspektivlos sind, weil sie den Eindruck haben, keine Chance in
dieser Gesellschaft zu bekommen. Dazu gehört z.B. echte
Chancengleichheit aber auch eine entsprechende Prioritätensetzung. Ich
habe immer den Eindruck, dass alle von guter Bildung sprechen, aber
die notwendigen Finanzen für besser ausgestattete Kitas, Schulen und
Universitäten werden trotzdem nicht organisiert. Dabei gäbe es z.B.
die Möglichkeit der Vermögenssteuer oder eines höheren
Spitzensteuersatzes, mit deren Mehreinnahmen diese Ziele finanziert
werden könnten“.
Schwieriges Zeitmanagement
Wer sich auch während seines Studiums konsequent politisch engagiert,
muss sich vor allem im Zeitmanagement üben. Schließlich richten sich
Vorlesungszeiten oder Klausurtermine nicht nach Wahlkampfphasen oder
Vorstandssitzungen. Eine Tatsache, mit der auch Drohsel schon früh
konfrontiert wurde: „Für mich war es nicht immer einfach, Studium und
die politische Arbeit miteinander zu vereinbaren. Manchmal musste ich
auch wie z.B. beim ersten Examen klar Prioritäten setzen und mir eine
Auszeit nehmen. Meine politische Arbeit hat seit meinem fünfzehnten
Lebensjahr einen großen Schwerpunkt eingenommen, aber mir war immer
klar, dass ich eine Ausbildung brauche, um Geld verdienen zu können“.
Und nun setzt sie wieder Prioritäten: „Ich habe in der Zeit als Juso-Vorsitzende versucht, mit maximalem Einsatz für die Jusos zu arbeiten und für unsere Positionen
zu kämpfen. Jetzt muss ich die Voraussetzung dafür schaffen, dass ich
mich auch in Zukunft für unsere Überzeugungen, an welcher Stelle auch
immer, einsetzen kann“, sagte sie mit Blick auf ihr zweites
Staatsexamen in einem Abschiedsbrief an alle Mitglieder der Jusos.