Der „Ehlers/Pünder“ ist bei C. F. Müller gelandet
Matthias Wiemers
Der Exodus juristischer Titel aus dem de Gruyter Verlag setzt sich fort. Hatte ich an anderer Stelle darüber spekuliert, ob nun nach der Übernahme des „Besonderen Verwaltungsrechts“ von de Gruyter durch Beck (nunmehr einzig herausgegeben von Schoch) auch das Allgemeine Verwaltungsrecht von Beck übernommen werden und damit notwendig den „Forsthoff“ (Verwaltungsrecht. Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1973) verdrängen würde, so ist das Geheimnis nunmehr gelüftet. Anders als beim bisherigen Schwesterwerk, das im laufe der Zeit ohnehin umfangmäßig geschrumpft war, haben sich Herausgeber Dirk Ehlers und Hermann Pünder offenbar dazu entschlossen, sowohl die Themen wie auch die Auflage fortzuschreiben und erscheinen nun in 16. Auflage bei C. F. Müller. Das Werk, dessen Erstauflage 1975 von Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens herausgegeben wurde und das sich umfangmäßig inzwischen verdreifacht hat, füllt damit die Lücke, die das zuletzt 1986 von Norbert Achterberg vorgelegte Buch zum Allgemeinen Verwaltungsrecht gelassen hatte. Damit wird die Reihe der drei Großen Lehrbücher zum Verwaltungsrecht bei C. F. Müller erstmals wieder vervollständigt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was sich nun verändert hat. Auf diese Frage geben sogleich die Herausgeber eine Antwort: Einmal hat Anika Klafki, Jena, Arno Scherzberg, Erfurt, als Autoren ersetzt, und die beiden Herausgeber haben noch mehr von den grundlegenden Teilen des Werks gemeinsam geschrieben. Dirk Ehlers verantwortet nach wie vor die §§ 4 und 6 über das internationale Verwaltungsrecht und „Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht“ selbst. Das erste Kapitel, das aus sechs Paragraphen besteht, trägt nunmehr die Überschrift „Grundlagen des Verwaltungsrechts“, ist aber konzeptionell unverändert.
Martin Burgi verantwortet nach wie das zweite Kapitel über „Verwaltungsorganisationsrecht“, das nach wie vor aus vier Paragraphen besteht und nur aktualisiert wurde. Matthias Jestaedt entfaltet im dritten Kapitel „Maßstäbe des Verwaltungshandelns“ (zugleich § 11) und Anika Klafki zeigt im vierten dann „subjektiv-öffentliche Rechte“ (§ 12), wobei sie zu Beginn hervorhebt, den Beitrag Scherzebergs weitergeführt zu haben.
Hermann Pünder hat wiederum das Kapitel über „Verwaltungsverfahren“ (§§ 13-16) verfasst, und Barbara Remmert zeigt „Verwaltungshandeln und Verwaltungsrechtsverhältnis im Überblick“ (§§ 17, 18). Das sechste Kapitel wird komplettiert durch die beiden Beiträge von Markus Möstl über „Normative Handlungsformen“ (§§ 19, 20), Matthias Rufferts „Verwaltungsakt“ (§§ 21 – 27), Elke Gurlits „Verwaltungsrechtlicher Vertrag und andere verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen“ (§§ 28 – 35). Barbara Remmert behandelt schließlich das schlichte Verwaltungshandeln (§§ 36-37).
Das siebte Kapitel ist dem „Recht der öffentlichen Sachen“ (§§ 28 – 42) gewidmet und wird von Hans-Jürgen Papier und seinem Schüler Wolfgang Durner bestritten. Das Thema Straßen- und Wegerecht ist übrigens ein Top-Thema in der mündlichen Prüfung in beiden Staatsexamina, aber eben auch sehr praxisrelevant. Es war ein wenig Suchen erforderlich, weil der E-Scooter oder ähnliche Begriffe im Sachverzeichnis fehlen – im Gegensatz zum Car-Sharing –, um zu einem sehr aktuellen Thema (und Ärgernis vieler Nicht-Nutzer) zu gelangen: In § 41, Rdnr. 26 ist ausgeführt, dass das Aufstellen so genannter E-Scooter und Car-Sharing-Fahrzeuge nicht mehr vom Gemeingebrauch umfasst werden. Die Rechtsfolge wäre sodann, dass genehmigungspflichtige Fälle von Sondernutzung vorliegen. Ob alle Kommunen von ihrer damit verbundenen Steuerungsmöglichkeit auch Gebrauch machen?
Das Schlusskapitel zum „Staatshaftungsrecht“ (§§ 43 – 48) wird wurde von Bernd Grzeszick besorgt, der am Schluss das Staatshaftungsrecht der DDR als Vorbild für eine gebotene Neuregelung inzwischen nicht mehr nennt.
Der Band übernimmt selbstverständlich die auch im Besonderen Verwaltungsrecht übliche Hervorhebung von Begriffen im Fettdruck, was das Lesen auch gegenüber dem bisherigen Kursivdruck etwas übersichtlicher gestaltet.
Fazit: Wer eine fundierte Darstellung des Allgemeinen Verwaltungsrechts sucht, die keine wesentliche Frage auslässt, wird vielleicht künftig vielleicht eher zu diesem Werk greifen. Als Manko bleibt, dass der Preis mit 199,- Euro ohne eine Paperback-Version und ohne zusätzliche digitale Inhalte (Online-Zugang zur JURA-Kartei-Datenbank) bei wirtschaftlicher Betrachtung einen Nachteil gegenüber dem Vorgänger-Werk aufweist. Dennoch bleibt es einmalig.
Ehlers/Pünder (Hrsg.)
Allgemeines Verwaltungsrecht. Lehr- und Handbuch
C.F. Müller Verlag, 16. Auflage 2022
1337 Seiten; 199,00 Euro
ISBN 978-3-8114-5904-5