Gespenstisches Vergnügen

Recht cineastisch Spezial: Die Ausstellung “Phantome der Nacht: 100 Jahre Nosferatu” in der Sammlung Scharf-Gerstenberg

Thomas Claer

Vampire haben Konjunktur – und das schon seit 1897, als der epochale Roman “Dracula” des irischen Schriftstellers Bram Stoker erschienen ist. Besonders für manche Frauen ist es offenbar eine erregende Vorstellung, von so einem finsteren Gesellen lustvoll in den Hals gebissen zu werden. Klar, dass sich bald darauf auch das damals junge Medium Film immer wieder dieses gruseligen Sujets angenommen hat. Der Prototyp des Vampir-Films allerdings kommt aus Deutschland und wurde vor einem Jahrhundert unter dem Titel “Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens” von Regisseur Franz Murnau erschaffen. Eine sehenswerte Ausstellung in der Sammlung Scharf- Gerstenberg” gegenüber dem Schloss Charlottenburg widmet sich nun (und noch bis zum 23. April) den vielfachen Bezügen dieses Films zur bildenden Kunst.

Die Vampir-Mode hat nämlich zu dieser Zeit auch in der Malerei allerhand Blüten getrieben – so wie auch viele weitere Nebenaspekte im Nosferatu-Film, die sich ebenfalls in zahlreichen bildnerischen Werken nachweisen lassen. Die auf Werke des Surrealismus spezialisierte Berliner Sammlung Scharf-Gerstenberg hat es sich daher nicht nehmen lassen, eine Fülle an Kunstobjekten sowie zeithistorischem Material rund um das Thema Vampirismus zusammenzutragen, um so diesem großen expressionistischen Stummfilm zu huldigen. Gekonnt spielen die Ausstellungsmacher dabei, ganz ähnlich, wie es bereits der Film getan hat, mit Licht- und Schatten-Effekten. Immer wieder zuckt man als Besucher zusammen, wenn sich plötzlich eine bedrohliche Schattengestalt vor, neben oder hinter einem aufbaut. Für Kinder und Heranwachsende dürfte dies von besonderem Reiz sein.

So, wie man es sich wünscht, lässt sich in der Ausstellung auch der Nosferatu-Film selbst noch einmal vollständig und auf großer Leinwand zu Gemüte führen. Die Handlung ist im Wesentlichen vom Dracula-Roman inspiriert, spielt aber statt in London in der fiktiven norddeutschen Kleinstadt Wisborg, hinter der unschwer das von seiner prächtigen Altstadt geprägte Wismar zu erkennen ist, wo auch der größte Teil der Dreharbeiten stattgefunden hat. (Einige Szenen wurden aber auch in Lübeck und Rostock gedreht.)

Im Zentrum der 1838 spielenden Handlung steht ein Immobilienkauf: Graf Orlok (Nosferatu) aus Siebenbürgen kauft sich ein Haus in der Ostsee-Hafenstadt, wozu es nach damaligem Recht aber offenbar nicht einmal eines Notartermins bedarf. Hingegen ist auch schon vor fast 200 Jahren ein geschäftstüchtiger Immobilienmakler im Spiel, der – was niemanden verwundern dürfte – mit dem Vampir gewissermaßen unter einer Decke steckt. Was einem aber schon reichlich seltsam vorkommen kann, ist der Umstand, dass Graf Orlok samt seinem Sarg, in dem er zu nächtigen pflegt, aus Transsilvanien ausgerechnet auf dem Seeweg bis nach Norddeutschland reist (über Schwarzes Meer, Mittelmeer, Atlantik, Nord- und Ostsee!), was schon ein sagenhafter Umweg ist. Aber das musste wohl so sein, denn andernfalls hätte es ja die phänomenalen Bilder von Nosferatu auf dem Segelschiff nie gegeben!

Sammlung Scharf-Gerstenberg, Schloßstraße 70, 14059 Berlin. Sonderausstellung: “Phantome der Nacht: 100 Jahre Nosferatu”. Noch bis 23. April 2023.

Veröffentlicht von on Feb 27th, 2023 und gespeichert unter DRUM HERUM, RECHT CINEASTISCH. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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