Öffentliches Recht aktuell

Vier Basiswerke, vorgestellt von Matthias Wiemers

Begonnen sei diese Bücherschau mit einem Titel, der ursprünglich mal hieß „Öffentliches Recht für Wirtschaftswissenschaftler“ und von dem Marburger Ordinarius Steffen Detterbeck stammt, der auch im Wirtschaftsverwaltungsrecht (insbesondere: Handwerksrecht) unterwegs ist.
Unter dem alten Titel liegt mir noch die 3. Auflage 2004 vor, während im auslaufenden Jahr 2022 die 12. Auflage erschienen ist. Nunmehr lautet der Titel „Öffentliches Recht“ mit den Untertiteln „Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Verwaltungsprozessrecht und Europarecht mit Übungsfällen“ sowie „Ein Basisbuch“.
Der Umfang des Bandes ist im Laufe der Jahre immer weiter angewachsen, und das Kapitel „Die Finanzordnung“ (früher § 12) ist inzwischen weggefallen.
Die Grobgliederung des Bandes nach Teilen folgt den Untertiteln, das heißt, man kann anhand eines solchen Lehrmittels das gesamte Öffentliche Recht in den Grundzügen erlernen. Es beginnt mit Teil eins „Staatsrecht“. Das erste Kapitel enthält das Staatsorganisationsrecht, worin das Bundesstaatsprinzip (§ 1), das Rechtsstaatsprinzip (§ 2), das Demokratieprinzip, und sodann – zusammenfassend – „Das republikanische und sozialstaatliche Prinzip und das Staatsziel Umwelt- und Tierschutz“ (§ 4) behandelt werden.
Es folgen die Verfassungsorgane, nämlich Bundestag, (§ 5), Bundesrat (§ 6), Bundesregierung (§ 7), Bundespräsident (§ 8) und dann die Staatsfunktionen: Gesetzgebung (§ 9), Verwaltung (§ 10) und Rechtsprechung (§ 11).
Das zweite Kapitel ist den Grundrechten gewidmet, wobei zunächst „Begriff und Bedeutung der Grundrechte“ (§ 12) erläutert werden, ergänzt um den „Aufbau einer Grundrechtsprüfung“ (§ 13). Die Erläuterung der einzelnen Grundrechte (§ 14) erfolgt in einer Weise, dass darin durchaus Besonderheiten hinsichtlich der Arten von Eingriffen und der jeweiligen Eingriffsrechtfertigung bei den einzelnen Grundrechten sowie Hinweise zum Prüfungsaufbau dargestellt werden. Das Kapitel schließt mit einem Abschnitt über den Schutz der Verfassung (§ 15).
Im dritten Kapitel wird die Verfassungsgerichtsbarkeit dargestellt, indem zunächst die „Allgemeine Bedeutung“ (§ 16), „Die Verfahrensarten im einzelnen“ (§ 17) und sodann „Die Entscheidung des BVerfG“ (§ 18) dargestellt werden.
Der zweite Teil „Verwaltungsrecht“ besteht aus einem Kapitel über „Allgemeines Verwaltungsrecht“ (§§ 19 bis 25) – vom Begriff der Verwaltung bis zum Subventionsrecht. Das zweite Kapitel ist dem Verwaltungsprozessrecht gewidmet (§§ 26 bis 28), und das dritte Kapitel zeigt in aller Kürze das Staatshaftungsrecht mit den wichtigsten Haftungsinstituten (§ 29) auf.
Teil 3 beinhaltet das Europarecht (§§ 30 bis 36) – vom institutionellen Fundament der EU-Rechtsordnung bis zu einem Abschnitt über das Verhältnis von EU-Recht zum nationalen Recht.
Der Band schließt in Teil 4 mit insgesamt zehn Übungsfällen. Die Übungsfälle umfassen mehr oder weniger alle Teile des Bandes, und in Fußnoten werden nicht nur Hinweise zu den gewählten Musterlösungen gegeben, sondern auch gelegentlich Verweisungen in das Buch vorgenommen. Insgesamt enthält der Band zahlreiche Schaubilder und Übersichten, Beispiele und hervorgehobene Merksätze. Gegenwärtig stellt er ein Rüstzeug für ein gesamtes Universitätsstudium im Öffentlichen Recht dar, während man sagen muss, dass die Beschränkung auf Wirtschaftswissenschaftler schon in den frühen Auflagen nicht recht passte – sind doch Nebenfächler erfahrungsgemäß sehr zurückhaltend bei der Beschaffung juristischer Lehrbücher. Fazit: uneingeschränkt zu empfehlen.

Steffen Detterbeck, Öffentliches Recht: Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Verwaltungsprozessrecht und Europarecht mit Übungsfällen. Das Basislehrbuch, 12. Völlig neubearbeitete Auflage 2022, Vahlen Verlag, ISBN 978-3-8006-6679-9

Originell, wenn auch nicht mehr ganz aktuell

Ein Werk, das eher im Schatten der bekannten Verlage angesiedelt ist, ist 2019 bei utb und dahinterstehend beim Verlag Ferdinand Schöningh in Paderborn erschienen: der „Grundkurs Verwaltungsrecht“ der Hagener Professorin Katharina Gräfin von Schlieffen und ihrer (damaligen) Mitarbeiterin Stefanie Haaß. Der Titel soll hier nicht unerwähnt bleiben, weil er – ähnlich wie andere Werke bei utb – einen eher unkonventionellen Ansatz bei der Wissensvermittlung wählt. Das Vorwort zu diesem Werk stellt die Schwierigkeiten der Studierenden mit dem Allgemeinen Verwaltungsrecht dar und bezeichnet dieses Teil-Rechtsgebiet treffend als vor allem „Normierung von Normierung“. Auch enthält das Vorwort den Hinweis, dass das Werk „eher wie in einer Vorlesung“ vom Großen zum Kleinen, von Schwerpunkt führe. Dieser Eindruck wird bei Einblicken in das Buch bestätigt. Besonders überzeugend erscheint mir der 1. Teil. Die hier präsentierten „Grundlagen zum Verwaltungsrecht“ zeigen dem Leser, wo die öffentliche Verwaltung herkommt und was eigentlich im Grundsätzlichen ihr Gegenstand ist: Das Verhältnis des Bürgers zum Staat. Eingestreute Beispielsfälle werden wirklich in einer Weise gelöst, wie man sie sich eher in einer Vorlesung vorstellen wird. Weiterhin ist der Band mit besonders zahlreichen Übersichten in graphischer Form durchzogen, die den Stoff noch einmal zusätzlich anschaulich machen. Die vorhandene Literatur wird hier besonders weit ausgeschöpft, wobei die Ansichten der anderen Autoren weniger – wie etwa in einer Hausarbeit – einander gegenübergestellt werden, sondern eher die übrige Literatur dann herangezogen wird, wenn einmal einer der Kollegen besonders treffende Feststellungen getroffen hat – und sei dies auch in den 70er Jahren gewesen. Dabei werden die Autoren öfters auch im Text des Werks genannt.
Fazit: Dieser nur durch Zufall aufgefundene Band ist „Dogmatik at its best“. Daher ist zu wünschen, dass sich die beiden Autorinnen, die inzwischen beide aus ihren Positionen ausgeschieden sind, noch einmal erbarmen und in noch absehbarer Zeit eine Neuauflage wagen.

Katharina von Schlieffen/ Stefanie Haaß, Grundkurs Verwaltungsrecht. Paderborn 2019, 584 S., 26, 99 Euro (ISBN 978-3-8252-4937-3)

Guckelberger allein

Annette Guckelberger hat nun das von Wilfried Erbguth begründete Lehrbuch „Allgemeines Verwaltungsrecht“ bei Nomos vollständig übernommen; sie hatte es bereits zwei Auflagen lang mitgestaltet.
Rechtzeitig zum neuen Jahr erscheint nun die bereits 11. Auflage des bestens bewährten Lehrbuchs, das (mindestens) zweierlei miteinander verbindet: Vollständigkeit und Nutzerfreundlichkeit für Studierende. Letzteres wird auch sogleich im Vorwort der Autorin angesprochen, wo es heißt, zu erstmaligen Aneignung des allgemeinen Verwaltungsrechts könnten die in kleinerer Schrift gesetzten Passagen übersprungen werden. (ebenso wie umfangreiche Fußnoten mit zusätzlichen Hinweisen).
Die in kleinerer Schrift gesetzten Passagen sollen zur Examensvorbereitung, in späteren Studienabschnitten aber auch in der Verwaltungspraxis dienen. Das Werk ist also dazu gedacht, mit in die Berufspraxis mitgenommen zu werden. Erfüllt es diesen Anspruch? Aus meiner beruflichen Praxis weiß ich, dass viele Juristen ihre Lehrbücher aus dem Studium in der Tat irgendwo in Schrank oder Regal ihres Büros mitnehmen – so hat man sie einerseits zur Hand und andererseits zuhause nichts mehr damit zu tun. Diese Menschen sind eher weniger als Bücherfreunde zu bezeichnen, die Zahl der beschafften Bücher ist ohnehin überschaubar.
Doch zur Sache: Der Band beginnt – nach Inhaltsübersicht und Inhaltsverzeichnis – mit einer Übersicht über die inzwischen insgesamt 43 (!) im Buch enthaltenen Übersichten und Prüfungsschemata – von den Staatsfunktionen bis hin zu den Voraussetzzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Damit wird zugleich bereits deutlich, dass auch das „Staatshaftungsrecht“ zu den Gegenständen des Bandes gehört.
Was bei einem Blick in den Band sofort auffällt, ist die veränderte Zitierweise. Guckelberger hat durchgehend das neue, von Wolfgang Kahl und Markus Ludwigs herausgegebene „Handbuch des Verwaltungsrechts“ zitiert, das damit erstmals in einem Lehrbuch zu einem maßgeblichen Referenzwerk wurde. Gleichzeitig wird damit deutlich, dass die Neuauflage wirklich auf einer gründlichen Durcharbeitung beruht. Ein weiteres Kennzeichen des Bandes ist die durchgängige Berücksichtigung der Digitalisierung der Öffentlichen Verwaltung, für die die Autorin ohnehin einschlägig hervorgetreten ist. Jeder der sechs Teile des Bandes, der jeweils aus mehreren Kapiteln (in §§) besteht, schließt mit wenigen Wiederholungs- und Verständnisfragen., und am Ende des Bandes – vor dem „Stichwortverzeichnis“ – ist ein Glossar mit wichtigen Definitionen enthalten, worin jeweils Hinweis auf die jeweils einschlägige Stelle im Band gegeben wird.
Alles in allem: Es handelt sich um den empfehlenswertesten Band für Studierende des Verwaltungsrechts, der dem Rezensenten bekannt ist. Auch die mit den Ausgaben für Lehrbücher geizende Studierende sollten diese Investition ernsthaft in Erwägung ziehen.

Annette Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungsprozessrecht und Staatshaftungsrecht. 11. Auflage, Baden Baden 2023, 667 S., 26, 90 Euro

Der Klassiker erneut aktualisiert

Rolf Stober und Winfried Kluth haben nunmehr den zweiten Band des Klassikers zum Verwaltungsrecht neu aufgelegt, den „Wolff/Bachof“ oder eben seit geraumer Zeit „Wolff/Bachof/Stober/Kluth“. Wie auch schon bei Band I (2017) wurden die Namensgeber hier wieder von Sven Eisenmenger und Stefan Korte unterstützt. Wie auch zuvor schon, ist Band II einig wenig dünner, weist aber dennoch knapp 900 Seiten auf, so dass das Gesamtwerk mit rund 1900 Seiten die umfangreichste Darstellung des Allgemeinen Teils des Verwaltungsrechts in Lehrbuchform ausmacht. Der Band setzt ein mit dem siebten Teil, der mit § 64 beginnt. Sven Eisenmenger stellt darin die „Grundlagen einer transparenten Verwaltung“ dar. Er beginnt mit der Darstellung des internationalen, unions- und verfassungsrechtlichen Rahmens des Informationsverwaltungsrechts (§ 64) und sodann dem eigentlichen „Informations- und Datenverwaltungsrechts“ (§ 65). Winfired Kluth hat mit dem achten Teil die Darstellung der „Grundlagen der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen“ besorgt. Nach einem einführenden Kapitel (§ 66) werden einzelne Anspruchsgrundlagen behandelt. Kluth beschränkt sich dabei nicht auf anerkannte Anspruchsgrundlagen, sondern stellt auch diskutierte Grenzfälle dar, die bislang noch nicht durchgegriffen haben (ins Auge fiel etwa die diskutierte Amtshaftung des Jugendamts bei der Bestellung von Pflegeeltern, hier § 67 III.2. i)ee)). Das öffentliche Sachenrecht ist ebenfalls Sache von Winfried Kluth (Neunter Teil, §§ 74 bis78), ebenso überwiegend die „Grundlagen der Verwaltungsorganisation“ (§§ 79 bis 87). Der elfte Teil beinhaltet „Grundlagen der kooperativen Verwaltung. Nach einer Darstellung von Kooperations- und Privatisierungsformen (§ 88) durch Sven Eisenmenger stellt Kluth „Das Recht der kommunalen Gemeinschaftsarbeit“ dar (§89). Am Kommunalrecht zeigt sich auch ganz generell, dass das Werk den Verzicht auf das Besondere Verwaltungsrecht auch heute noch nicht vollständig durchhalten kann, weil das Kommunalrecht sehr viele Berührungspunkte mit dem Allgemeinen Verwaltungsrecht hat. Dies zeigt sich etwa auch bei der Darstellung der öffentlich-rechtlichen Körperschaften (§ 85, Kluth) im Teil zum Organisationsrecht. Der zweite Abschnitt des elften Teils lautet „Kooperation mit Privaten und Privatisierung“ und wird mit Beiträgen von Stober über „Grundlagen der Beleihung“ (§ 90) wie den „Grundlagen der Verwaltungshilfe und der Inpflichtnahme“ (§91) eingeleitet. Eisenmenger folgt mit einer Darstellung der privatrechtlich organisierten Verwaltung (§ 92) über „Public-Private-Partnerships“ (§ 93), „Materielle Privatisierung“ (§ 94) und „Privatisierungsfolgenrecht“ (§ 95). Stefan Korte beschließt den elften Teil mit einem Beitrag zum „Vergabehandeln“ (§ 96).
Der zwölfte Teil ist den Grundlagen der Verwaltungsvollstreckung und Verwaltungssanktionierung gewidmet, mit Beiträgen von Kluth zum „Verwaltungsvollstreckungsverfahren“ (§ 97) und Korte zum „Verwaltungssanktionsrecht“ (§ 98). Der dreizehnte und letzte Teil des Gesamtwerks beinhaltet „Grundlagen der Verwaltungskontrolle“. Korte behandelt darin zunächst Begriff und Instrumente (§ 99) und differenziert dann zwischen „Selbstkontrolle der Verwaltung“ (§ 100) und Fremdkontrolle (§ 101). Das Werk hat wieder die Gesamtzahl von 101 Kapiteln erreicht, weil zuvor die durch Einführung der „Grundlagen einer transparenten Verwaltung“ woanders Straffungen vorgenommen wurden. Es ist nach wie vor das Werk der meisterhaften Differenzierung und Begriffsbildung. Dies zeigt sich nicht nur in der Gliederungstiefe, sondern auch immer wieder in neuen Formulierungen. Wer erste Kenntnisse des Verwaltungsrechts bereits besitzt und spezielle Fragen zu seiner Dogmatik hat, für den bildet dieses Werk nach wie vor verlässlich den Gesamtüberblick.

Wolff/Bachof/Stober/Kluth – Verwaltungsrecht: Band II. Ein Studienbuch, Verlag C.H. Beck, 8. neu bearbeitete Auflage 2023, ISBN 978-3-406-64071-1

Veröffentlicht von on Feb 27th, 2023 und gespeichert unter BESPRECHUNGEN, LITERATUR. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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