Gefangen im Selbstzitat

Die neue Yello-CD lädt ein zur nostalgischen Zeitreise

Thomas Claer

Wer in den achtziger Jahren, sofern er da schon auf der Welt war, einmal einen Bravo-Kalender besaß, dem ist vielleicht unter den vielen qietschbunten Gestalten darin ein einsamer Krawatten- und Anzugträger aufgefallen: scheiben-touch-yelloDas war Dieter Meier von der Schweizer Elektro-Avantgarde-Band Yello. Irgendwie war er dort ein Fremdkörper (ähnlich wie damals auch Otto Schily bei den Grünen), zumal auch seine Band-Kollegen verwegen koloriert oder gar mit freiem Oberkörper posierten. Nun muss man aber wissen, dass es sich bei Dieter Meier, Jahrgang 1945, um den einzigen internationalen Popstar mit abgeschlossener juristischer Ausbildung handelt (Justament 5-2007, S.22 berichtete), abgesehen vom italienischen singenden Rechtsanwalt Paolo Conte.

Dieter Meier und Yello schrieben also seit ihrem Debüt-Album „Solid Pleasure“ (1980) Popgeschichte. Jedes ihrer Alben aus den Achtzigern klang anders, immer aufregend und erfrischend, wenn auch ein allmählicher Trend zum Glatten und Gefälligen nicht zu überhören war. Doch seit nunmehr zwanzig Jahren bestehen ihre Platten vornehmlich aus der Neukombination des Altbekannten. Und das gilt erst recht für das hier zu besprechende „Touch Yello“: Der Opener „The Expert“ ist eine Mischung aus „The Race“ und „Tied up“ von 1988 sowie dem „Rubberbandman“ von 1991. Der zweite Song „You Better Hide“ erinnert am Anfang an „Blue Green“ von 1980, dann an „The Rhythm Divine“ von 1986. Das dritte Lied klingt etwas nach „Goldrush“ von 1986 und nach „Jungle Bill“ von 1991. Beim vierten Track handelt es sich um einen – immerhin ehrlicherweise auch als solchen bezeichneten – Remix ihrer legendären Prä-Techno-Nummer „Bostich“ (1980). Und so geht es munter weiter. Sie plündern den eigenen Back-Katalog nach Belieben. Das allein wäre zwar noch nicht weiter schlimm, doch ist schmerzhaft zu bemerken, wie sehr die sparsam eingesetzten Neuerungen hinter ihren früheren klanglichen Kabinettstücken zurückbleiben.

Dabei ist längst nicht alles schlecht auf „Touch Yello“. Vor allem wer noch nie eine andere Yello-Platte gehört hat, kann an der CD durchaus seine Freude haben. Die insgesamt etwas dunklere, jazzigere, ja smoothigere Note kann man auch gut finden. Und im besagten „You Better Hide“ ist mit der Schweizerin Heidi Happy eine junge, hoffnungsvolle Sängerin sehr eindrucksvoll zu vernehmen. Das ist übrigens bis heute eine Stärke von Yello geblieben: die Untermalung von lasziven Frauenstimmen. Diese Dame sollte man im Auge behalten. Das Urteil lautet: befriedigend (8 Punkte).

Yello
Touch Yello
Polydor (Universal) 2009
Ca. € 17,-
ASIN: B002N9MK86

Veröffentlicht von on Jul 26th, 2010 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Sie können eine Antwort durch das Ausfüllen des Kommentarformulars hinterlassen oder von Ihrer Seite einen Trackback senden

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