Die „Fälle zum Medizinrecht“ spielen nicht nur im Strafrecht
Matthias Wiemers
Seit langem angekündigt war eine neue Fallsammlung zum Medizinrecht. Blickt man auf die Autorin, die als Staatsanwältin in Bayern tätig ist, so könnte man zunächst auf die Idee kommen, Medizinrecht spiele sich immer noch weitgehend im Strafrecht ab. (Wer erinnert sich nicht an die Debatte in der großen oder kleinen Strafrechtsübung über die Tatbestandsmäßigkeit des ärztlichen Heileingriffs.)
Es geht aber erst einmal gewissermaßen zivil zu, nämlich mit einem ersten Teil über „Verfügungen am Lebensende“. Hier hat die Autorin zunächst einen Überblick über das Rechtsinstitut der Patientenverfügung gegeben und sodann kurz die Rechtsprechung hierzu referiert, bevor sie dem Leser zwei Fälle präsentiert. Im ersten Fall geht es tatsächlich um die „Patientenverfügung“ und im zweiten dann nach dem Motto „Gut vorgesorgt ist nur halb gewonnen“ um die Vorsorgevollmacht. In beiden Fällen ist die Perspektive des Betreuungsgerichts einzunehmen. Hier kann man nur sagen: höchst praxisrelevant.
Im zweiten Teil geht es sodann um die (natürlich auch zivilrechtliche) Arzthaftung. Hier wird zunächst in die Anspruchsvoraussetzungen des § 280 BGB eingeführt, bevor in einem Fall (Fall 3: „Doppeltes Pech“) diese zur Anwendung kommen. Hier finden wir eine mustergültige Falllösung unter Anwendung auch der Vorschriften zum Behandlungsvertrag und schließlich eine Lösung nach Deliktsrecht. In einem weiteren Fall (Fall 4: „Immer Ärger mit dem Knie“) werden noch einmal andere Aspekte möglicher Haftungen nach dem Behandlungsvertrag vermittelt, hier auch schon mit strafrechtlichem Einschlag (über § 823 Abs. 2 BGB). Im fünften Fall („Schultersteife“) werden zusätzlich Unterhaltsansprüche von Hinterbliebenen geprüft. Auch im sechsten Fall („Robodoc“) werden wieder vertragliche und gesetzliche Haftungsansprüche geprüft, ohne hier etwa das Sozialrecht einzubeziehen. Es wird vielmehr gezeigt, dass haftungsrechtlich auch ein noch nicht allgemein anerkanntes Verfahren angewendet werden kann, wenn nur richtig aufgeklärt wurde. Der zweite Teil schließt mit einem Fall über Unterhaltspflichten bei nicht wirksamer ärztlich verordneter Verhütungsmethode (Fall 7: „Ungewollte Unterhaltspflicht“), worin u. a. eine ausführliche AGB-Kontrolle enthalten ist.
Denkt man aufgrund der Fallgestaltung des Falls schon an Arzneimittel, so ist der dritte Teil des Bandes dann ganz dem Thema „Arzneimittelvertrieb“ gewidmet, wie auch der gleichnamige Fall 8.
Im vierten Teil geht es um „Krankenhausverträge“, worin die Autorin zu Beginn kurz einleitet. Es folgen ein Fall über eine Wahlleistungsvereinbarung bei einer Privatpatientin (Fall 9: „Es lebe die Liquidation“) und ein Fall einer Wahlleistung bei privater Zusatzversicherung (Fall 19: „Erst prüfen, dann bezahlen…“).
Der fünfte Teil ist dem Thema Arzneimittelhaftung gewidmet, wo nach einer Einleitung zwei Fälle präsentiert werden (Fall 11: „Zu Risiken und Nebenwirkungen…“ und Fall 12: „Nebenwirkung Schwangerschaft“).
Teil sechs des Bandes umfasst mit der „Medizinproduktehaftung“ einen Wachstumsmarkt. Die Einführung bringt eine Hinführung zu den einschlägigen Vorschriften des Produkthaftungsrechts, die überblicksartig von den Produzentenhaftungen nach AMG und BGB abgegrenzt werden. Es folgen drei Fälle (Fall 13: „Fehlerverdacht“, Fall 14: „Hüftprothese“ und Fall15: „Der Schein trügt“).
Der Band schließt mit einem Teil sieben über Biomedizin- und Heilmittelwerberecht. Hier führt die Autorin zunächst in beide Rechtsmaterien anhand der aktuellen Rechtsprechung ein, bevor sie je einen Fall präsentiert (Fall 16: „Eizellenspende“ und Fall 17: „Brötchen-Gutschein“).
Mit der Fallsammlung wird das gesamte Medizinrecht gut abgedeckt und werden die Nutzer gut an die jeweilige Thematik herangeführt. Die ausführlichen Lösungsskizzen sind geeignet, die Vielfalt medizinrechtlicher Fälle gut abzubilden. Das Gesundheitswesen bietet zudem gute berufliche Perspektiven.
Schön ist, dass einige Fälle am Ende ein Glossar wichtiger Fachbegriffe enthalten, deren Kenntnis bei Studierenden nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann.
Maria Mesch, Fälle zum Medizinrecht, Vahlen Verlag 2023, 270 S., 29,80, ISBN 978-3-8006-6576-1