Thomas M. J. Möllers legt seine „Juristische Methodenlehre“ bereits in fünfter Auflage vor
Matthias Wiemers
Das Handwerkszeug des Juristen besteht aus verschiedenen Materialien, vielleicht würde man heute auch von „tools“ sprechen. Da gibt es die verschiedenen Kommentare, da gibt es Lehrbücher, die der Praktiker aber schon nicht mehr heranzieht, und da gibt es die Methodenlehre. Die juristische Methodenlehre ist das, was benötigt wird, wenn es nur einen Sachverhalt mit seinen Fragen und mindestens einen Rechtstext gibt, der auf den Sachverhalt angewendet werden muss.
Wenn nun von den gegenwärtig nur wenigen Lehrbüchern zur Methodenlehre ausgerechnet das umfangreichste jedes Jahr neu aufgelegt werden muss, dann muss wohl etwas geschehen sein mit den Anforderungen im Studium und darüber hinaus auch etwas für die Qualität des Lehrwerks sprechen. Daher ist es an der Zeit, sich einmal an dieser Stelle mit diesem Beststeller zu beschäftigen.
Der Band beginnt mit einem ersten Teil über die Rechtsquellen. Hierin wird aber zunächst die juristische Metthodenlehre als Begründungs- und Legitimationslehre vorgestellt (§ 1). Dem Rezensenten fällt hier sogleich der Spruch eines Repetitors ein, der diesen selbst von einem Ausbilder im eigenen Referendariat erfahren hat: „Entscheiden Sie, entscheiden Sie, Gründe wachsen auf den Bäumen.“ Hierzu findet sich auch eine Überschrift im Band: „Die Begründung einer vertretbaren Entscheidung“ (Rdnr. 74 ff.). Das ist es, was Möllers herleitet. Und hier wie sonst gibt es auch immer wieder Fallbeispiele, die teilweise aus der Praxis entstammen (im konkreten Fall lesenswert die Sentenz aus einem Beschluss des BVerfG zur Behandlung eines Befangenheitsantrags gegenüber dem Richter Paul Kirchhof in Rdnr. 77).
Erst in § 2 werden die Rechtsquellen präsentiert, wobei hier sogar das Völkerrecht in seinem Stufenbau noch detailliert erklärt wird.
Bevor es zum Kern der jur. Methodenlehre kommt, werden „sekundäre Rechtsquellen und Rechtserkenntnisquellen“ unterschieden (§3). Interessant ist, dass Möllers das Gewohnheitsrecht für vollständig überflüssig hält (Rdnr. 26). Das ist was dran! (vgl. die Rechtsprechung zum Thema „seit unvordenklicher Zeit“)
Nunmehr beginnt der 2. Teil „Auslegung“, beginnend mit einem Kapitel über „Wortlaut, Systematik und Geschichte als klassische Auslegungsmethoden“ (§ 4). Die Auslegung nach dem Telos als vierter Teil des klassischen Vierklangs hat Möllers von den ersten drei abgespalten und mit Logik und folgenorientierter Auslegung zu einem neuen Kapitel zusammengefasst. Hier wird insbesondere auf die Rechtsprechung des EuGH Bezug genommen, für den der alte Savigny kein Säulenheiliger ist. Der zweite Teil wird beschlossen durch ein Kapitel über „teleologische Gegenfiguren und einfache Formen der Rechtsfortbildung“ (§ 6).
Der dritte Teil ist überschrieben mit „Konkretisierung und Konstruktion“. Hier geht es zunächst um die Konkretisierung des Rechts durch Gesetzgeber, Verwaltung und Gerichte (§ 7), was noch ohne weiteres nachvollziehbar ist. Sodann folgt ein Kapitel über „Bewegliches System, Fallgruppen und Fallgruppenvergleich als Methoden der Konkratisierung“ (§ 8), was praktisch eine Konkratisierung des vorherigen Kapitels darstellt. Wenn Sie wissen wollen, was man unter einem beweglichen System versteht, lesen Sie S. 318 ff. (Ich wusste es auch nicht). Der dritte Teil schließt mit „Abwägung als Konstruktion“ ( § 10).
Der vierte Teil stellt den Vorrang durch Verfassungs- und Europarecht dar, und der fünfte Teil liefert noch ein Extra, indem er nämlich noch einmal zeigt, wozu juristische Methodenlehre auch dient, nämlich Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Dieser Teil beginnt mir einem Kapitel über die „Grenzen der Rechtsfortbildung“ (§ 13), stellt danach – sozusagen als Quintessnz des Bandes „Eine moderne Juristische Methodenlehre“ (§ 14) dar und schließt mit einigen Vertiefungsfällen, die jeweils unter Bezugnahme auf die vorherigen Kapitel geschildert werden.
Die einzelnen Kapitel (§§) enthalten jeweils am Schluss eine knappe Zusammenfassung, die als Lerninstrument dienen kann. Die vorstehenden Kapitel lassen inhaltlich keine Wünsche offen.
Schließlich gibt es einen Anhang (S. 603 ff.), worin die wichtigsten Argumentationsfiguren, die in dem Band erläutert werden, alphabetisch aufgeführt sind. Es folgen eine ausführliche Rechtsprechungsübersicht sowie ein ebenso detailliertes Stichwortverzeichnis.
Nachdem in den letzten Jahren auch einige knappere Lehrbücher zur Methodenlehre erschienen sind, muss man sagen, dass Rechtstheorie und Methodik offenbar derzeit in hohem Kurs stehen. Der Band ist wegen seiner gedanklichen Tiefe uneingeschränkt zu empfehlen.
Thomas M. J. Möllers – Juristische Methodenlehre, Verlag C.H. Beck, 5. Auflage 2023, 643 Seiten, 59 Euro, ISBN 978-3-406-80273-7