Thorsten Ingo Schmidt legt ein neues Lehrbuch zum Öffentlichen Finanzrecht vor
Matthias Wiemers
Johannes Bodinus (Jean Bodin) hat bekanntlich die Finanzen als die Nerven des Gemeinwesens bezeichnet. Deswegen ist es wichtig, wenn sich auch heute die Wissenschaft vom Öffentlichen Recht gelegentlich mit dem Öffentlichen Finanzrecht beschäftigt und diese Aufgabe keineswegs den Finanzwissenschaftlern überlässt. Vor einigen Jahren hat sich der Berliner Altmeister Michael Kloepfer in einem „Juristisches-Kurz-Lehrbuch“ mit dem „Finanzverfassungsrecht“ beschäftigt, und es existiert noch ein Lehrbuch zum Öffentlichen Finanzrecht von Tappe/Wernsmann aus der Schwerpunkte-Reihe, das ebenfalls nicht so umfassend angelegt ist.
Das öffentliche Finanzrecht ist eine wichtige Querschnittsmaterie, bei der man den Bogen auch weiter spannen kann, und dies hat der Potsdamer Staatsrechtslehrer Thorsten Ingo Schmidt nun getan, der im Schwerpunkt im Kommunalrecht tätig ist. Gerade die kommunale Ebene war und ist auch nach so genannten Föderalismusreform vom Finanzgebaren von Bund und Ländern betroffen, so dass der Autor schon eine wichtige Grundperspektive einnehmen konnte. Er schreibt im Vorwort, dass ihn das Thema bereits seit 2011 beschäftigt habe und dankt für die Geduld des Verlages. Diesem Dank will sich der Rezensent sogleich anschließen, denn hier liegt eine umfassende, didaktisch aufbereitete Darstellung des Themas vor, das jeweils durch weiterführende Literaturhinweise vertieft werden kann, die Stoll am Ende jedes Kapitels gibt.
Bereist zu Beginn wird ein Überblick über Allgemeine Literatur gegeben, wie auch ein Verzeichnis der in dem Band enthaltenen nützlichen Übersichten.
In einem Ersten Teil werden die Grundlagen des Öffentlichen Finanzrechts präsentiert, beginnend mit seinem Begriff und Gegenstand (§ 1), die Geschichte (§ 2) und die Rechtsquellen (§ 3).
Der zweite Teil ist dem Finanzverfassungsrecht gewidmet. Stoll zeigt hier Grundlagen der deutschen Finanzverfassung auf (§ 4), gefolgt von der Verteilung der Aufgaben (§ 5) und Ausgaben (§ 6) und der Haftung für die Aufgabenerfüllung (§ 7). Es folgen Kapitel über Steuern (§ 8), nichtsteuerliche Einnahmen (§ 9), Subventionen (§ 10) und den Finanzausgleich (§ 11)
Der dritte Teil des Bandes ist dem Haushaltsrecht gewidmet und enthält Kapitel über Grundlagen (§ 12), Akteure (§ 13), „Funktionen, Inhalt und Form des Haushaltsplans“ (§ 14), Haushaltsgrundsätze (§ 15), Haushaltsausgleich und 2Schuldenbremse (§ 16) sowie weitere Themen des Haushaltsrechts – vom „Überblick über den Haushaltskreislauf“ (§ 17) bis zur „Sicherung der Beachtung des Haushaltsrechts“ (§ 23).
Der vierte Teil ist dem staatlichen Vermögen gewidmet, beginnend mit den „Grundlagen des staatlichen Vermögensrechts“ (§ 24) bis zur öffentlichen Bilanzierung (§ 29).
Der fünfte Teil ist dann explizit dem kommunalen Finanzrecht gewidmet und umfasst:
– „kommunale Aufgaben (§ 30),
– „kommunale Aufwendungen (§ 31),
– „kommunale Erträge (§ 32),
– „kommunaler Finanzausgleich und Mehrbelastungsausgleich“ (§ 33),
– „kommunaler Haushalt“ (§ 34),
– „kommunales Vermögen“ (§ 35),
– „kommunale Unternehmen“ (§ 36) sowie
– „Verbindungen zwischen der kommunalen und der staatlichen Ebene (§ 37).
Tritt mit dem fünften Teil der Kommunalrechtler Schmidt hervor, so hat er es dennoch nicht unterlassen, den Bereich der Sozialversicherungen zu behandeln, die bekanntlich einen erheblichen Teil der so genannten impliziten Staatsverschuldung beinhalten. Auch dieser Teil ist umfangreicht:
– „Aufgaben der Sozialversicherungen“ (§ 38),
– „Ausgaben der Sozialversicherungen“ (§ 39),
– „Einnahmen der Sozialversicherungen“ (§ 40),
– „Finanzausgleich der Sozialversicherungen“ (§ 41),
– „Haushalt der Sozialversicherungen“ (§ 42),
– – „Vermögen der Sozialversicherungen“ (§ 43) und schließlich
– – „Verbindungen zwischen der sozialversicherungsrechtlichen und der staatlichen Ebene“ (§ 44).
Der siebente Teil ist dem europäischen Finanzrecht gewidmet, das sich bei Stoll wie folgt gliedert:
– „Grundlagen des europäischen öffentlichen Finanzrechts“ (§ 45),
– „Ausgaben der Europäischen Union“ (§ 46),
– „Einnahmen der Europäischen Union“ (§ 47),
– „Haushaltsgrundsätze der Europäischen Union“ (§ 48),
– „Haushaltskreislauf der Europäischen Union“ (§ 49),
– „Währungsrecht und Bankenaufsicht“ (§ 50),
– „Weitere Einwirkungen des europäischen Finanzrechts auf die Mitgliedstaaten“ (§ 51) sowie
– „Bewältigung der Finanzkrise“ (§ 52).
Der achte Teil enthält zwei Kapitel zum „Rechtsschutz im öffentlichen Finanzrecht“, gegliedert in den verfassungsgerichtlichen und den Rechtsschutz vor den Gerichten der EU.
Der neunte Teil u. d.T. „Ausblick“ enthält eine Reihe bedenkenswerter Fragestellungen. Der Band endet aber erst mit einem Verzeichnis finanzrechtlicher Gerichtsentscheidungen und einem Register.
Das offenbar jahrelang anhaltende Grübeln des Autors über sein Thema hat lohnende Früchte getragen. Denn es ist notwendig, geschulte Nachwuchskräfte zu finden, die in diesem wichtigen Rechtsgebiet mitreden und mitgestalten können. Schaut man sich allerdings die jüngsten Entwicklungen im Sozial- und Familienrecht an, so bedarf die Lehre des Finanzrechts auch der weiteren verfassungsrechtlichen Sicherungen: Die Zeit, in der Koalitionsverhandlungen geführt werden dürfen, muss drastisch beschränkt werden. Denn das abarbeiten der Träume jedes einzelnen Koalitionspartners führt häufig genau zu dem, was Stoll in seinem Werk auch beschreibt: dass neue öffentliche Finanzströme ausgelöst werden. Und hierüber einen umfassenden Überblick gegeben zu haben, ist das Verdienst von Thorsten Ingo Schmidt.
Thorsten Ingo Schmidt – Öffentliches Finanzrecht, Mohr Siebeck, 1. Aufl. 2023, 587 Seiten, 59,00 Euro, ISBN 978-3-16-162176-5