Zum 100. Geburtstag des großen Humoristen Vicco v. Bülow
Thomas Claer
Die Deutschen und der Humor, das ist zweifellos eine schon von jeher prekäre Beziehung. Doch muss man wohl sagen: So viel Lustiges auf höchstem Niveau wie heute gab es hierzulande noch nie in den Medien – und das in globalpolitisch gruseligen Zeiten wie diesen! Ein maßgeblicher Wegbereiter für alle unsere heutigen Meister des Komischen war einer, der als Offizier in der Deutschen Wehrmacht gewissermaßen selbst durch die Hölle gegangen ist und sich anschließend daranmachte, eine zutiefst erschütterte und traumatisierte Nachkriegsgesellschaft zu bespaßen. Vor allem hat er dabei immer wieder die naturgemäß ernsthafte Attitüde der damals zeittypischen „autoritären Persönlichkeit“ aufs Korn genommen und der Lächerlichkeit preisgegeben. Dass ein nicht ganz kleiner Teil der Loriot-Sketche heute nicht mehr so ohne weiteres funktioniert, sollte uns aufatmen lassen, denn die heutige Gesellschaft ist – verglichen mit jener vor einigen Jahrzehnten, der Loriot den Spiegel vorgehalten hat, – erkennbar eine andere geworden: weitaus freier, lockerer und entspannter. Das Standesrenommee der Hotelbadewannen-Männer (“Sie wissen wohl nicht, wen sie vor sich haben?”), der fanatische Ordnungssinn des sich am schiefen Bild störenden Anzugträgers, die umständlich-verdruckste Vorgehensweise des Kavaliers mit der Nudel an der Nase – das alles gibt es in dieser Form wohl mittlerweile nicht mehr. Gleiches gilt vermutlich auch für die beiden Filmkritiker im Fernsehstudio, die sich so verbissen wie wortgewaltig über einen Klamauk-Kurzfilm in die Wolle kriegen.
Doch ist manches in Loriots Werken dann doch auch überzeitlich-universell. Das Auseinanderklaffen von Anspruch und Umsetzbarkeit, von Wunsch und Wirklichkeit, erzeugt nun einmal in jeder Gesellschaft Komik. Besonders Loriots grandiose Doppelbegabung als Zeichen- und Sprachkünstler – auf den Spuren von Wilhelm Busch sozusagen – lässt ihn unter Deutschlands Humoristen als Solitär erscheinen. Und dabei verkörperte er die neue Zeit nicht zuletzt auch in persona: als Angehöriger einer preußischen Adelsfamilie, der statt einer militärischen oder wenigstens gehoben administrativen Laufbahn letztendlich eine solche als Spaßmacher eingeschlagen hat. Gestern wäre Deutschlands witzigster Blaublütiger 100 Jahre alt geworden.