Überblick über einige Titel des BeckVerlages zum Jahreswechsel
Matthias Wiemers
In der seit Jahrhunderten ständig reformierten Juristenausbildung wird immer wieder um die Bedeutung der so genannten Grundlagenfächer gestritten. Dies ist verständlich, denn schließlich will der Staat ja mit der Juristenausbildung künftige Beamte ausbilden und darf daher Vorstellungen darüber entwickeln, was diese können müssen und was nicht. Und die Studierenden – wollen Sie wirklich Rechtsphilosophie lernen?
Die Beantwortung dieser Frage wird jedenfalls erleichtert, wenn man ein so hervorragendes Lehrbuch in Händen hält wie das von Uwe Volkmann, der inzwischen schon einige Jahre in Frankfurt lehrt. Ich erinnere mich nicht, zu meiner Studienzeit ein solches Lehrbuch zur Verfügung gehabt zu haben. Die erste Auflage erschien 2018 und hatte wohl 284 Seiten, während die Neuauflage gar mit 280 auskommt. Es zeigt sich hier also schon äußerlich, dass Volkmann hier ein Lehrbuch aus einem Guss geschaffen hat, das im Vorwort als Frucht jahrelangen „Herumtragens“ beschrieben wird – seit der Autor in seiner allerersten Sitzung als Prüfer im mündlichen Staatsexamen einmal so unvorsichtig gewesen war, danach zu fragen, was Recht denn eigentlich sei. Wie leichtsinnig aber auch! Geerntet habe er auf seine Frage aber nur entsetzte Blicke und allgemeine Ratlosigkeit, weswegen er die Frage seither nicht mehr gestellt habe.
Interessant ist an dem werk zunächst der Ansatz, nur zwei große Abschnitte zu definieren, nämlich einmal „§ 1 „Der Rahmen des Rechts“ worin der Autor den Leser zunächst auf eine Reise in die Rechtsphilosophie seit der Antike mitnimmt, und dann in einem zweiten Abschnitt § 2 „Der Sinn des Rechts“, worin die Funktionen des rechts gewissermaßen gegenwärtig gedeutet werden.
Zunächst zum ersten Teil (§ 1): Er ist in vier Kapitel unterteilt, in denen zunächst „gemeinschaftliche Konzeptionen (A.), dann „Liberale Konzeptionen“ (B.) und „Kritische Konzeptionen“ (C.) vorgestellt werden, bevor Volkmann abschließend eine aktuelle Bewertung von allem vornimmt und danach fragt, was sich bewährt hat und in einer Verfassung verkörpert ist. Der große Vorteil ist, dass die einzelnen Kapitel nicht nur aufeinander verweisen, sondern dass auch anhand des ausführlichen Inhaltsverzeichnisses bereits eine Zuordnung bedeutender Autoren zu den großen Linien, wie sie sich in den Kapitel wiederfinden möglich wird. In diesem Abschnitt treten soweit ersichtlich noch keine Juristen auf. Dies ist schon etwas anders im zweiten Abschnitt (§ 2), wo in wiederum vier Kapiteln verschiedene Dichotomien mit Recht vorgestellt werden: „Recht und Gewalt“ (A.), „Recht und Moral“ (B.), „Recht und Gerechtigkeit“ (C.) und „Recht und Gesellschaft“ (D.). In den Einzelkapiteln arbeitet Volkmann hier durchgehend mit Modellen sowie mit These, Gegenthese und Schluss, mithin dialektisch. Wenn man so will, bekommt der Leser hier sogar ein wenig Rechtssoziologie (D.) mitgeliefert, er könnte mit dem Lehrbuch also auch ein weiteres altes Grundlagenfach mit abdecken. Der Band schließt mit einem Personenglossar, in dem der Leser die in dem Band genannten Geistesgrößen (sonst wären sie ja nicht Gegenstand dieses Lehrbuchs geworden) kurz nachschlagen kann und sich somit Bildung erschließen kann, ohne gleich wieder in das Internet schauen zu müssen. Dies gilt auch für das wirklich ausführliche und den Einzelkapitel zugeordnete Literaturverzeichnis. Das Sachverzeichnis weist seine Begriffe ebenfalls spezifiziert nach den Abschnitten aus. Der Preis von 23, 90 Euro ist eine echte Investition in die eigene akademische Bildung – gerade wenn an der jeweiligen Universität vielleicht diesbezüglich nicht immer so viel angeboten wird und die Zeit für Vorlesungen knapp ist.
Uwe Volkmann – Rechtsphilosophie, Verlag C.H. Beck, 2. Auflage 2023, 280 Seiten, 23,90 Euro, ISBN 978-3-406-80571-4
Auch das Lehrbuch von Steffen Schlinker, Rechtsgeschichte, ist in 2. Auflage erschienen. Dies sogar bereits nach nur zwei Jahren. Schlinker, ein Schüler von Dietmar Willoweit (Würzburg), beklagt in seinem Vorwort bereits, dass an vielen Universitäten „heute nur noch eine einzige Vorlesung zur Rechtsgeschichte angeboten“ werde, so dass er nunmehr in der Neuauflage noch zwei Kapitel zum Altertum vorangestellt habe, um „wenigstens einen sehr knappen Überblick über die Grundlagen des Verfassungsdenkens in der griechischen Antike und die Ausbildung des römischen Rechts in der Zeit vor dem Corpus Juris Civilis Kaiser Justinians“ zu geben.
Blickt man in das Buch hinein, so erweisen sich die im Vorwort angesprochenen „Kapitel“ als zwei §§, die insgesamt das zweite Kapitel des Bandes bilden. Im ersten Kapitel, das als Einleitung überschrieben ist, werden zunächst die Aufgaben und Ziele der Darstellung (§ 1) genannt, sodann die Methode der Rechtsgeschichte dargestellt und sodann – wieder ein Überlappungsbereich zum Fach des Lehrbuchs von Volkmann, etwas über „Recht und Gerechtigkeit“ (§ 3) ausgesagt – wenn auch nur auf anderthalb Seiten.
Ansonsten bietet das Thema des Bandes für Studierende der Rechtswissenschaften die Chance, Themen aus dem Geschichtsunterricht in der Schule unter einem bestimmten Gesichtspunkt wieder zu entdecken, nämlich unter dem Gesichtspunkt, dass die im Geschichtsunterricht im Mittelpunkt stehende Macht versucht wird, zunehmend rechtlich einzuheben. Und hierbei mußte der Autor eben versuchen, sowohl die Verfassungsgeschichte, das Römische Recht und die Privatrechtsgeschichte der Neuzeit oder wie die Vorlesungen früher hießen, zusammenzufassen. Dies ist ihm gelungen, und der Leser findet hier etwa auch einzelne Paragraphen zum Kirchenrecht (§§ 13, 18) oder die Rolle von Universitäten und Juristen in Mittelalter und früher Neuzeit (§ 17).
Kurz und gut: Auch dieses, mit gut 400 Seiten immer noch zu bewältigende Lehrbuch, bietet ein großes Bildungsangebot, und es hilft in besonderer Weise, den Weg von schulischem Wissen hin zur universitären Lehre zu gehen – hin zu einem Fach, das es an der Schule nicht gibt.
Steffen Schlinker, Rechtsgeschichte, Verlag C.H. Beck, 2. Auflage 2023, 421 Seiten, 32,90 Euro, ISBN 978-3-406-80563-9
Wenn wir weitergehen in der Vorstellung, dann zunächst ein Werk aus der bekannten JuS-Schriftenreihe, das nun auch schon zum zweiten Mal aufgelegt wurde und das außergewöhnlich ist: Carsten Herresthal, Ordinarius in Regensburg und Johannes Weiß, Staatsanwalt in Amberg. Wie man im Vorwort erfährt, beruht das gemeinsame Werk auf einer entsprechenden Vorlesung des Professors und begleitenden Arbeitsgemeinschaften, die der Staatsanwalt leitete. Interessant ist auch der Hinweis, das Ganze beruhe auf einer Forderung des Wissenschaftsrats nach einer Stärkung der Methodenlehre in der Juristenausbildung von 2012. Na, ja – womit sich der Wissenschaftsrat so beschäftigt.
Der Band bietet in seinem 1. Teil eine Einführung in die juristische Methodenlehre, die hinsichtlich ihres Umfangs von gut 130 Seiten gut zu bewältigen ist. Die zehn Übungsfälle des 2. Teils sind gut gewählt und decken das gesamte Spektrum der Methodenlehre weitgehend ab. Eine enge Verknüpfung mit dem ersten Teil findet allerdings nicht statt. Stattdessen können die Nachweise in Fußnoten sowie die Vertiefungshinweise am Ende jedes Falles als reichhaltig bezeichnet werden. In den Fällen sind jeweils Materialien aus der Gesetzgebung abgedruckt, womit die Motive des Gesetzgebers jeweils erforscht werden können. Da diese auszugsweise wiedergegebenen Dokumente aber immer den tatsächlichen Titel des Dokuments und die Drucksachennummer enthalten, könnte man die Originale ggf. auffinden. Allerdings dürften die Titel der Dokumente für Personen, die mit der Praxis der Gesetzgebung nicht vertraut sind, auch verwirrend wirken. Hier sollte vielleicht etwas vereinfacht werden, indem man die Zitate etwas anders einleitet (etwa so: „In den Gesetzesmaterialien heißt es hierzu:…“).
Fazit: An gut aufbereiteten Fallsammlungen kann es niemals genug geben und aufgrund der Verknüpfung mit der einleitenden Methodenlehre besteht hier die Chance, dass sich Studierende tatsächlich einmal mit Methodenlehre beschäftigen.
Herresthal / Weiß – Fälle zur Methodenlehre. Die juristische Methode in der Fallbearbeitung, Verlag C.H. Beck, 2. Auflage 2023, 307 Seiten, 29,80 Euro, ISBN 978-3-406-79494-0
Bleiben wir noch etwas grundsätzlich und schwenken den Blick zum „Staatsrecht“, das inzwischen häufig als „Verfassungsrecht“ bezeichnet wird, auch in den Vorlesungen. Hartmut Maurer hatte, nachdem er 1980 seinen Bestseller „Allgemeines Verwaltungsrecht“ (20. Auflage als „Maurer/Waldhoff“ von 2020) erstmals auf den Markt gebracht hatte, 1999 ein Werk „Staatsrecht“, ebenfalls in der Reihe „Grundrisse des Rechts“ veröffentlicht. Anders als beim Verwaltungsrecht, das im Laufe der Zeit immer umfangreicher wurde, hatte das Staatsrecht gleich zu Beginn 809 Seiten und ist – man kann es kaum glauben – im Laufe der Zeit dünner geworden. Wann dies geschah, kann nicht mehr nachverfolgt werden, aber irgendwann wurde es in „Staatsrecht I“ umbenannt, nachdem Friedhelm Hufen sein „Staatsrecht II“ mit den Grundrechten auf den Markt gebracht hatte (Dem Verlag hätte aber auffallen müssen, dass die Erstauflage nicht aus dem Jahre 1984 stammt, wie im Vorwort behauptet wird; man sollte jedenfalls die Erstauflagen sammeln…). Die Grundrechte hatten aber in der ersten Auflage nur 50 Seiten. Nun, Hartmut Maurer hatte 2010 die sechste Auflage herausgebracht und hat das Werk nun an Kyrill-Alexander Schwarz übergeben, der in Würzburg eine „Lehrprofessur“ innehat. Es umfasst nunmehr 742 Seiten.
Zu Beginn im Rahmen der Einführung (A.) erst einmal das Rechtsgebiet abgesteckt und insbesondere vom Verfassungsrecht abgegrenzt (§ 1). Während Maurer früher recht viel über die geschichtliche Entwicklung (auch in der DDR) geschrieben hatte, wird nunmehr das Grundgesetz direkt als „Gegenentwurf zur NS-Gewaltherrschaft“ (§ 2 I), bevor dann die Entstehungsgeschichte des GG knapp dargestellt wird. Dies ist sicher sinnvoll, obwohl von einem Gegenentwurf sinngemäß früher nur im Staatsrechts-Fragment von Hans Peters die Rede war (vgl. Hans Peters, Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung, herausgegeben und bearbeitet von Jürgen Salzwedel und Günter Erbel, Berlin 1969). Dies leuchtet unmittelbar ein, da die Studierenden ja bereits eine ungefähre Vorstellung vom „Recht im Dritten Reich“ besitzen und man somit insbesondere die Menschenwürde gut darstellen kann. Zwar wird nicht mehr die DDR-Geschichte erwähnt, wohl aber die der Wiedervereinigung, und danach gibt es auch Abschnitte zu Verfassungsänderungen und zu den Verfassungen der Länder. Es folgt dann ein Teil B. über die Strukturprinzipien des Grundgesetzes und dann ein abschnitt mit dem ungewöhnlichen Titel „Verfassungsorganisationsrecht“ (C.). Hier wäre es dann wohl ehrlicher, den Titel des Buchs auch endlich in „Verfassungsrecht“ umzuändern. Den Begriff „Verfassungsorganisation“ gibt es aber nicht – auch wenn Maurer bereits in der ersten Auflage (als Überschrift über den dritten Teil) „Die Verfassungsorganisation“ benutzte. Organisiert wird hier aber nicht die Verfassung, sondern der Staat! Der letzte Abschnitt umfasst „Staatsfunktionen“ (D.), wo erwähnenswert ist, dass sich darin auch ein Abschnitt zum Finanz- und Haushaltsverfassungsrecht findet (§ 19). Dies wirft nur die Frage auf, ob so etwas zwingend in einen „Grundriss des Rechts“ gehört. Alles in allem handelt es sich um eine gut lesbare Darstellung des Staatsrechts über „Grundlagen, Verfassungsorgane, Staatsfunktionen“.
Maurer / Schwarz- Staatsrecht I: Grundlagen, Verfassungsorgane, Staatsfunktionen, Verlag C.H. Beck, 7. Auflage 2023, 742 Seiten, 25,90 Euro, ISBN 978-3-406-64582-2
Bereits 2022 ist in der JuS-Schriftenreihe die Fallsammlung „Fälle zum Allgemeinen Verwaltungsrecht“ von Simon Kempny und seinem Mitarbeiter Simon Reifegerste erschienen, die als Herausgeber fungieren, während die eigentlichen Autoren sich in einem zweiten Vorwort bei den Herausgebern bedanken. Aus diesem geht hervor, dass die Inhalte des Bandes in einem von Kempny geleiteten Seminar erprobt wurden. Kann man sich eine bessere Verwirklichung der Erkenntnis vorstellen, dass Lehren auch immer etwas mit eigenem Lernen zu tun hat?
Auch diese Fallsammlung besteht aus zwei Teilen, nämlich aus einem etwa 80seitigen ersten Teil, der den Titel „Die Prüfung der Rechtmäßigkeit behördlicher Einzelmaßnahmen“ trägt und gewissermaßen einen theoretischen Vorspann zu den nicht weniger als 16 Fällen im zweiten Teil liefert. Die Lösungsvorschläge sind ausführlich kommentiert und Fundstellen sind in Fußnoten nachgewiesen. Ein abschließendes Sachverzeichnis erschließt beide Teile des Bandes.
Fazit: Eine wertvolle Anschaffung, wenn man sich zunächst einen Überblick über das Verwaltungsrecht verschafft hat.
Kempny / Reifegerste – Fälle zum Allgemeinen Verwaltungsrecht, Verlag C.H. Beck, 2022, 444 Seiten, 29,80 Euro, ISBN 978-3-406-79151-2
Der letzte hier vorzustellende Band firmiert inzwischen unter „Juristische Kurz-Lehrbücher“, kommt aber eigentlich auch aus der Schriftenreihe der Juristischen Schulung. Das ursprünglich von Reiner Schmidt (Augsburg) entwickelte Werk wurde sukzessive von dessen Schüler Wolfgang Kahl (Heidelberg) übernommen und wird nunmehr zusätzlich von dessen Schüler Klaus Ferdinand Gärditz (Bonn) getragen. Im Verlagsprogramm nimmt es nunmehr den Platz ein, der ursprünglich vom Lehrbuch des legendären Werner Hoppe (Münster) besetzt worden war.
Enthielt die frühere mir vorliegende 8. Auflage noch 29 Fälle, die in den Text eingestreut waren, so sind es nunmehr 26. Wohl aufgrund der etwas veränderten Natur des Lehrbuchs im Vergleich zur JuS-Schriftenreihe wird im Text nunmehr nicht so sehr auf die Fälle eingegangen. Man kann das Lehrbuch vielmehr auch ohne die Fälle lesen. Der Band ist in insgesamt elf Kapitel (§§) unterteilt und beginnt nach einer knappen Einführung mit einer kurzen Darstellung des Umweltvölkerrechts (§ 1), stellt dann das „Umwelteuroparecht“ (§ 2) und das „Umweltverfassungsrecht“ (§ 3) dar.
Das vierte Kapitel beinhaltet gewissermaßen den Allgemeinen Teil des Umweltverwaltungsrechts, indem es „Strukturen, Prinzipien und Instrumente des Umweltrechts“ (§ 4) darstellt, gefolgt von einem Kapitel über „Umweltrechtsschutz“ (§ 5). Da sich in diesem Gebiet in den letzten sehr viel getan hat – Stichwort: Klimaschutzklagen –
erscheint diese Herausnahme aus dem früheren Kapitel gerechtfertigt.
Es folgt dann eine Zwischenüberschrift „Besonderer Teil des Umweltrechts“, das mit einem Kapitel zum „Klimaschutz- und Umweltenergierecht“ (§ 6) beginnt. Das Kapitel, das einen dritten Autor ausweist, schließt mit einem Abschnitt über „Perspektiven“ dieses sehr dynamischen Rechtsgebiets, worin nach wie vor bestehender Handlungsbedarf auf allen Ebenen festgestellt wird. Es folgen das klassische „Immissionsschutzrecht“ (§ 7), das „Gewässerschutzrecht“ (§ 8), das „Bodenschutzrecht“ (§ 9), „Naturschutzrecht“ (§ 10) und schließlich das Kreislaufwirtschaftsrecht.Alles in allem ein gut eingeführtes Lehrbuch, das vielleicht künftig noch an Bedeutung gewinnen kann, da die Rechtsänderungen noch häufigere Aktualisierungen nach sich ziehen dürften.
Kahl / Gärditz – Umweltrecht, Verlag C.H. Beck, 13. Auflage 2023, 505 Seiten, 34,90 Euro, ISBN 978-3-406-80448-9