Die Milliardenpleite des österreichischen Immobilienmoguls René Benko trifft auf verstecktem Wege auch viele Verbraucher
Benedikt Vallendar
Selbst Menschen, die sich vermeintlich mit Geld auskennen, haben René Benko geglaubt. Und dem österreichischen Unternehmer das Geld fast schon schubkarrenweise hinterhergetragen. Darunter Banken, Versicherungen, Scheichs und reiche Privatiers, wie etwa der Spediteur Klaus-Michael Kühne und Deutschlands führender Tiernahrungsverkäufer Torsten Toeller. Sie alle haben lange an die vollmundigen Versprechungen Benkos, einem Schulabbrecher ohne Matura, dem österreichischen Abitur, aus einfachen Verhältnissen geglaubt.
Reich durch billiges Geld
Dabei bediente sich Benko, der einst bei einem Finanzdienstleister angeheuert hatte, eines einfachen, aber legalen Tricks: Er kaufte mit geliehenem Geld Immobilien rund um den Globus und ließ diese anschließend höher bewerten, indem er in bunten Verkaufsprospekten auf vermeintliche Mieteinnahmen und Renditen spekulierte. In Zeiten billigen Geldes und einer mehrjährigen Fast-Null-Zinsphase in Europa und den USA hatte Benko damit leichtes Spiel. Denn seine Gläubiger setzten bei ihm auf vermeintlich sichere und vor allem ertragreiche Geldanlagen. Doch bekanntlich endete die Null-Zinsphase nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, weil plötzlich alles teurer wurde und die Zentralbanken mit teurem Geld dagegenhielten. So gingen auch in Benkos Immobilienreich die Kosten schnell durch die Decke für Sanierungen, Hausverwaltung und die laufende Betreuung der vielen Objekte, vom Gärtner bis zu Technikern, die sich um Fahrstühle und Heizungen kümmerten.
Zuflucht im Elternhaus
Der Rest ist Geschichte. Und es kam, wie es kommen musste. Im Herbst 2023 meldete Benko Insolvenz an, weil er seine Schulden nicht mehr bedienen konnte und seither – nach übereinstimmenden Medienberichten – mit fast zwei Milliarden Euro in der Kreide steht. Eine jüngste ZDF–Dokumentation spricht gar von zehn Milliarden Euro Verbindlichkeiten, die der gebürtige Innsbrucker angehäuft haben soll. Angeblich soll Benko, Jahrgang 1977, auch wieder bei seiner Mutter eingezogen sein, aus Angst vor Gläubigern, die ihm im Nacken sitzen.
Haftung durch Unschuldige
Ein Problem, worüber in der Öffentlichkeit wenig gesprochen wird: „Das Geld dürften sich die großen Gläubiger, sollte bei Benko nichts mehr zu holen sein, auf verschlungenem Wege zurückholen, vor allem durch Preis- und Mieterhöhungen in anderen Segmenten ihrer oft breit gefächerten Unternehmensportfolios“, sagt Ralf Holzfuß, leitender Vermögensberater bei der Berliner Sparkasse und langjähriger CDU-Abgeordneter im Stadtteil Wedding. In seinen Vorträgen zu ethischen Geldanlagen hat Holzfuß wiederholt auf diese Grundproblematik kapitalistischen Wirtschaftens hingewiesen. Für die Fehler des einen haften oft ungewollt viele andere. Will sagen: Für den jahrelangen Tanz ums goldene Kalb, das Gieren der Benko-Jünger nach Geld, Ansehen und noch mehr Geld bluten durch Preis- und Gebührenerhöhungen am Ende meist die normalen Leute, Rentner, Studenten, Familien, der „kleine Sparer“, oft genug karikiert vom Komiker Hape Kerkeling. Allein dass es diesmal wenig zu lachen gibt. Denn neben Schulden hat das inzwischen insolvente Benko-Imperium mit dem Namen „SIGNA“ auch Arbeitsplätze im drei bis vierstelligen Bereich vernichtet, Verkäuferinnen, Hausmeister und viele andere Dienstleister rund ums Immobiliengeschäft, die sich neue Jobs suchen mussten.
In der Tat von vielen war René Benko hofiert worden. Er besaß ein Netzwerk aus Politikern, das ihm Türen zu Krediten und noch mehr Krediten öffnete. Unter Ihnen die österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Alfred Gusenbauer, die noch kurz vor der Benko-Pleite Geld in Saudi-Arabien akquirierten und dafür Millionen an Honoraren kassiert haben, so Recherchen des Journalisten Rainer Fleckl. Gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hatte Kanzler Kurz seinen Duzfreund Benko gar als „großen österreichischen Unternehmer“ bezeichnet, was Putin seinerzeit kommentarlos beließ, „wahrscheinlich, weil er über seine Nachrichtendienste schon früh mehr über den wahren Benko wusste als andere in Europa“, so der Historiker Klaus Angel von der Universität des Saarlandes.
Vor allem bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Berlin ist man auf René Benko nicht gut zu sprechen. Auch, weil dessen jahrelangen Versprechungen zu Arbeitsplätzen und „nachhaltigen Investments“ nie geglaubt worden war, so Pressesprecher Jan Jurczyk. In der Geschichte, und leider auch in der Kirchengeschichte, habe es bekanntlich viele Benkos gegeben, so Jurczyk. Will sagen: Den Kampf um Geld, Macht und Einfluss haben schlussendlich immer die kleinen Leute bezahlt, etwa im Dreißigjährigen Krieg, als sich auch der katholische Klerus mit zwielichtigen Persönlichkeiten einließ, um seine Stellung zu behaupten; mit dem Ergebnis, dass Mitteleuropa Mitte des 17. Jahrhunderts einer Trümmerwüste glich. Zwar hat Benko weder Tote noch Trümmer hinterlassen, dafür aber zahlreiche zerstörte Existenzen, die in der Rückschau erkennen mussten, einem falschen Messias hinterhergelaufen zu sein.