Irgendwas war immer

Scheiben Spezial: Vor 25 Jahren erschien das Debüt von „Britta“

Thomas Claer

Im „Musikgeschäft“ gilt es ja eigentlich als ungeschriebenes Gesetz, dass man/frau nur eine „Band seines (respektive ihres) Lebens“ haben kann. Doch wie immer, so auch hier, bestätigen Ausnahmen die Regel: wie die der Ausnahmemusikerin und -texterin Christiane Rösinger (geboren 1961 in einer Baden-Württembergischen Kleinstadt), die nacheinander in gleich drei überragenden Formationen nicht nur mitgewirkt, sondern diese auch jeweils entscheidend geprägt hat.

Angefangen hat sie in der West-Berliner Indie-Group Lassie Singers, die seit den späten Achtzigern mit frechen Songs und feministischen Texten für Aufsehen sorgte. Hier war Rösinger als Gitarristin und Co-Sängerin allerdings noch nicht die alleinige Frontfrau, sondern nur eins unter mehreren starken Egos. Doch lässt sich wohl sagen, ohne ihren damaligen Mitstreiterinnen zu nahe zu treten, dass die von Christiane Rösinger geschriebenen und gesungenen Lassie-Singers-Lieder die weitaus stärksten waren: von „Liebe wird oft überbewertet“ über „Ich glaub, ich hab ein Faible für Idioten“ (einem der schönsten und zugleich witzigsten Liebeslieder aller Zeiten) bis zu „Es ist so schade, dass du so bist, wie du bist“.

Als sich das Ende der Lassie Singers schon abzeichnete, gründete Christiane Rösinger dann in den späten Neunzigern gemeinsam mit zwei Freundinnen die Berliner Rockband „Britta“, die sich wohl nur deshalb nach der Schlagzeugerin Britta Neander benannte, weil diese den eingängigsten Vornamen trug. (Für eine Band namens „Christiane“ war die Zeit damals offenbar noch nicht reif.) Doch war bei „Britta“ natürlich niemand anders als Christiane Rösinger tonangebend, was sich in vier rundum überzeugenden Alben dokumentiert: Den Anfang machte 1999, vor 25 Jahren, „Irgendwas ist immer“, das mit einer Heinrich-Heine-Vertonung startet (welcher in den Jahren darauf noch mehrere weitere folgen sollten). Im grandiosen Titelstück, einem besonderen textlichen Highlight, taumelt das lyrische Ich durch die Krisen und sonstigen Wirrnisse eines Jahres: „Ich kam vom Sommerloch in die Herbsttraurigkeit, von der Herbsttraurigkeit in die Winterdepression, von der Winterdepression in die Frühjahrsmüdigkeit und von der Frühjahrsmüdigkeit ins Sommerloch“. Am Ende der Platte findet sich auch noch die Britta-Version des bereits erwähnten Lassie-Singers-Klassikers „Ich glaub, ich hab ein Faible für Idioten“. Besonders charmant macht dieses Album nicht zuletzt der pointierte Einsatz des Cellos (neben Gitarre, Bass und Schlagzeug, versteht sich).

Auch über die beiden Folgealben „Kollektion Gold“ (2001) und „Lichtjahre voraus“ (2003) lässt sich nur Gutes sagen. Doch der eigentliche Knaller war dann Brittas Schlusspunkt „Das schöne Leben“ (2006) mit so fantastischen Songs wie „Depressiver Tag“ oder „Wer wird Millionär?“. Nach langer Pause fanden sich die Britta-Musikerinnen 2018 noch einmal zu einer nachträglichen Best-of-Tour zusammen. Da hatte Christiane Rösinger bereits zwei ausgezeichnete Solo-Alben herausgebracht: „Songs of L. And Hate“ (2010) und „Lieder ohne Leiden“ (2017) mit Songs wie „Ich muss immer an dich denken“, „Berlin“ und „Eigentumswohnung“. Eigentlich wäre es nun höchste Zeit für eine weitere Solo-Platte von ihr, denn Musikerinnen und Texterinnen von ihrem Kaliber gibt es  hierzulande bekanntlich nur in homöopathischen Dosen. Wir verneigen uns also vor der großen Indie-Veteranin Christiane Rösinger und sind guter Hoffnung, bald wieder Neues von ihr zu hören.

Veröffentlicht von on Dez 23rd, 2024 und gespeichert unter SCHEIBEN VOR GERICHT. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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