Deutschland nach der Bundestagswahl
Thomas Claer
Es ist also unter dem Strich noch einmal relativ gut gegangen. Die gute alte GroKo hat wieder eine Mehrheit. Der kommende Kanzler Merz wird in seinen angedrohten migrationspopulistischen Exzessen ausgebremst werden können, ohne dass es wegen zu vieler Koalitionspartner zu einer langen Hängepartie kommen muss. Was besonders erfreulich ist: Die notorische Quertreiberpartei FDP und insbesondere ihr Vorsitzender Lindner („Mehr Milei wagen!“, „Mehr Musk wagen!“) sind mit Karacho aus dem Bundestag geflogen. Letzterer will nun seinen Abschied aus der Politik nehmen, wofür ihm großer Dank gebührt. Fairerweise muss man dazu sagen: Immerhin haben die Liberalen in der Ampel das wirklich exzellente Deutschlandticket mitgetragen und einige sozialpolitische Verrücktheiten wie das bedingungslose Bürgergeld oder einen bundesweiten Mietendeckel erfolgreich verhindert, leider aber auch das längst überfällige Tempolimit auf Autobahnen. Unverzeihlich ist jedoch ihr stures Festhalten an der Schuldenbremse (gegen den Rat nahezu aller Wirtschaftsexperten!) gewesen; als ob wir in ganz normalen Zeiten leben würden…
Was sogar noch erfreulicher ist, ist das Scheitern des Bündnis Sahra Wagenknecht an der Fünfprozenthürde und ganz besonders das angekündigte Ausscheiden seiner Gründerin aus der aktiven Politik. Es kann unserem Land nur guttun, wenn spalterische Figuren ihres Kalibers von der Bildfläche verschwinden. Sehr beunruhigend ist hingegen der Zuwachs der weitgehend rechtsextremistischen Krawall-Partei AfD. Das noch moderate bundesweite Ergebnis von (nur) gut 20 Prozent übertüncht dabei, dass sie in sämtlichen Ost-Ländern mit riesigem Vorsprung (in Thüringen und Sachsen mit fast 40 Prozent!) zur stärksten Partei geworden ist. In Kürze wird der bis zum Wahltag zurückgehaltene Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz erscheinen, der vermutlich der gesamten Partei (und nicht mehr nur einzelnen Landesverbänden) eine gesichert rechtsextremistische Gesinnung attestieren wird. Wenn es überhaupt noch einen geeigneten Zeitpunkt für die Einleitung eines Verbotsverfahrens gibt, dann wäre es wohl jetzt. Aber es fragt sich, ob hinter den Kulissen schon ausreichend Vorbereitungen dafür getroffen werden konnten, die eine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit versprechen würden…
Die neue Stärke der populistischen Linken (die u.a. aus der NATO austreten möchte und gegen einen höheren Wehr-Etat ist; das muss man sich mal vorstellen!) ist bedauerlich, war aber angesichts von Merzens jüngsten tabubrecherischen Abstimmungs-Eskapaden als „antifaschistischer Abwehrreflex“ wohl unvermeidlich. Die fatale Folge ist, dass es nun an einer für anstehende Verfassungsänderungen notwendigen Zweidrittelmehrheit des gemäßigt demokratischen Lagers fehlt. Leidtragende am Aufschwung der Linken waren vor allem die Grünen, die sich aus lobenswerter staatspolitischer Verantwortung trotz allem als Koalitionspartner der Union bereitgehalten haben, was natürlich einen Teil ihrer potentiellen Wähler verschreckt hat. Aber um ein Haar wäre genau das Szenario eingetreten, dass es nur mit einer erneuten Regierungsbeteiligung der Grünen gegangen wäre. Die populistische Verkommenheit des bayerischen Ministerpräsidenten zeigt sich darin, dass er noch am Wahlabend, als es beinahe auf eine solche Kenia-Koalition hinausgelaufen wäre, einer solchen eine Absage erteilte und Koalitionen mit grüner Beteiligung für nicht lange haltbar erklärte. Welch eine staatspolitische Verantwortungslosigkeit! Und welche bewundernswerte Haltung von Robert Habeck, der ihm alle seine Entgleisungen im Wahlkampf nicht nachtrug („Ist egal jetzt.“).
Die neue Regierung muss nun jedenfalls schnellstmöglich zustande kommen, spätestens – wie von Merz angekündigt – bis Ostern! Und dann muss sie liefern! Deutschland und Europa stehen aktuell vor den größten Herausforderungen seit sieben Jahrzehnten. Das vordringliche Problem ist dabei keineswegs die angeblich zu wenig geregelte Migration (hier ist doch eine europäische Lösung schon längst auf dem Weg), sondern vielmehr – nach der faktischen Aufkündigung der westlichen Wertegemeinschaft durch den irrlichternden US-Präsidenten und dessen Vize – der Aufbau einer von den USA unabhängigen effektiven gemeinsamen europäischen Verteidigung gegen den aggressiven russichen Imperialismus einschließlich der weiteren Unterstützung der Ukraine. Am besten wäre die Gründung eines neuen Staatenverbunds, bestehend aus Kerneuropa und allen anderen Willigen (Orban und Fico dürfen da gerne draußen bleiben). Man kann nur inständig hoffen, dass die entsprechenden Pläne dafür nur noch aus den Schubladen gezogen werden müssen. Denn sonst wird unser schönes und freies Europa zermalmt werden zwischen dem russischen und dem neuen amerikanischen Imperialismus. Also, (angehende) GroKo, an die Arbeit! Die Zeit drängt.