„Milliarden an Überweisungen“

Tut Reue Not? Im spektakulären Wirecard-Strafprozess in München ist die Juristin Theresa Kraußlach aus Jena von der Unschuld ihres Mandanten Markus Braun „persönlich überzeugt“ – obgleich der seit mehreren Jahren in Untersuchungshaft sitzt

Benedikt Vallendar

Angeklagter Braun und Anwältin Kraußlach (Fot0: Klaus Angel, M.A. / Pressebüro Dernau)

München/Jena – Zehntausende Anleger rund um den Globus haben durch den Crash der Wirecard AG im Sommer 2020 ihr Geld verloren, auch Leser dieser Zeitung. Der Fall Wirecard gilt als bislang größter Finanzskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte, nachdem im Juni 2020 rund 20 Milliarden Euro an Aktienwert binnen weniger Tage auf fast Null gefallen waren. Der damalige Vorstandsvorsitzende Markus Braun sitzt seither in U-Haft, und ein Ende des langwierigen Verfahrens vor dem Oberlandesgericht München ist bislang nicht in Sicht. Anträge auf Haftverschonung wurden abgelehnt, wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr, so heißt es.

Ihr erstes Geld hatte Brauns Wirecard im Erotik- und Glücksspielbereich verdient, bevor ihr in den Folgejahren der Aufstieg zum Saubermann und gar in den Deutschen Aktienindex (DAX) gelang. Zeitweilig maß Wirecard einen Aktienwert von knapp 20 Milliarden Euro, größer als die Deutsche Bank. Bis die Blase platzte, und die Wirecardstory im Nachhinein a bisserl an des „Kaisers neue Kleider“, jenes berühmte Märchen Hans-Christian Andersens erinnert. Wo der Herrscher am Ende von einem Kind entlarvt wird und der Kaiser blamiert im Regen steht. Doch im Fall Wirecard waren keine Kinder, sondern studierte Wirtschaftsprüfer am Werk, die etwas testiert hatten, was es vielleicht gar nicht gegeben hat, und worin Anleger Millionen Euro investiert haben. „Wahrscheinlich hat den Prüfern die nötige innere Distanz gefehlt, um das System Wirecard zu durchschauen“, sagt der Historiker Klaus Angel von der Universität des Saarlandes. Man wollte einfach an das Märchen von der unbegrenzten Geldvermehrung im Gewande Wirecard glauben und hat viele Warnungen in den Wind geschlagen, so Angel.

Zentraler Vorwurf gegen Markus Braun und seine Mitangeklagten: Mit Scheingeschäften und erfundenen Umsätzen in Fernost Kredite in Millionenhöhe ergaunert und das Geld, auch privat zweckentfremdet zu haben. Dem stellt sich Anwältin Theresa Kraußlach entschieden entgegen: „Das Geschäft der Wirecard hat tatsächlich existiert, wir sehen in den Unterlagen Transaktionen in Milliardenhöhe“, so Kraußlach. Es sei abwegig, in so einem Fall überhaupt an Reue oder so etwas zu denken, fügt sie hinzu und verweist auf den flüchtigen Mitangeklagten Jan Marsalek, der sich nach Russland abgesetzt hat, auch, weil er für dortige Nachrichtendienste gearbeitet haben soll. Marsalek, so die These Kraußlachs, habe Braun systematisch über Jahre hintergangen und Firmengelder über dubiose Tochtergesellschaften für private Zwecke abgezweigt. Zuletzt lebte der Schulabbrecher Marsalek zur Miete in einer Münchner Nobelvilla, die rund 50.000 EUR monatlich kostete.

Doch viele Fragen lässt Kraußlach unbeantwortet, ein Interview mit dem inhaftierten Markus Braun lehnt sie ab, aus „prozessualen Gründen“, wie sie sagt. Dabei hätte die vom Bankrott betroffene Öffentlichkeit durchaus Gesprächsbedarf, v.a. zur Frage, wie sämtliche Kontrollmechanismen im Fall Wirecard versagt haben, wohin all ihr Geld geflossen ist, und wie angeblich erfahrene Wirtschaftsprüfer über Jahre Testate an eine Firma vergaben, an deren Existenz in der Rückschau zumindest Zweifel bestehen.

Veröffentlicht von on März 24th, 2025 und gespeichert unter DRUM HERUM, SONSTIGES. Sie können die Kommentare zu diesem Beitrag via RSS verfolgen RSS 2.0. Gehen Sie bis zum Ende des Beitrges und hinterlassen Sie einen Kommentar. Pings sind zur Zeit nicht erlaubt.

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